BGer H 204/2000 |
BGer H 204/2000 vom 26.08.2002 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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H 204/00
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Urteil vom 26. August 2002
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IV. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Arnold
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Parteien
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S.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Roman Stieger, Vadianstrasse 38, 9000 St. Gallen,
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gegen
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Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin,
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Vorinstanz
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Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
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(Entscheid vom 31. März 2000)
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Sachverhalt:
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A.
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Anlässlich der Arbeitgeberkontrolle vom 17. Juni 1997 wurde festgestellt, dass P.________, Inhaber der Einzelfirma T.________, die an den als Monteur tätigen E.________ in den Jahren 1988 bis 1995 entrichteten Entgelte nicht abgerechnet hatte. Mit vier Nachtragsverfügungen vom 12. Dezember 1997 verpflichtete die Ausgleichskasse St. Gallen P.________ deswegen für die Jahre 1992 bis 1995 zur Nachzahlung paritätischer bundes- und kantonalrechtlicher Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von insgesamt Fr. 51'303.15 (inkl. Verwaltungskosten und Verzugszinsen).
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Bei der Arbeitgeberkontrolle vom 11. Januar 1999 resultierte u.a., dass auch die in den Jahren 1996 und 1997 an E.________ geleisteten Zahlungen nicht verabgabt worden waren. Mit zwei Nachtragsverfügungen vom 28. Januar 1999 verpflichtete die Ausgleichskasse P.________ deshalb für die Jahre 1996/1997 zur Nachzahlung paritätischer bundes- und kantonalrechtlicher Sozialversicherungsbeiträge im Betrag von total Fr. 16'221.90 (inkl. Verwaltungskosten und Verzugszinsen).
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B.
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Die von P.________ und der S.________ AG, welche am 29. Oktober 1998 die Einzelfirma T.________ mit Aktiven und Passiven übernommen hatte, erhobenen Beschwerden wurden vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vereinigt. Das Gericht hiess die Rechtsvorkehren nach Beiladung des E.________ zum Verfahren insoweit teilweise gut, als es die Nachtragsverfügungen vom 12. Dezember 1997 und vom 28. Januar 1999 aufhob und die Sache an die Verwaltung zurückwies, damit diese im Sinne der Erwägungen ergänzende Abklärungen über die Höhe der Berufsunkosten von E.________ vornehme und anschliessend die Nachzahlungen samt Verzugszinsen neu verfüge (Entscheid vom 31. März 2000).
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C.
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Die S.________ AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und im Hauptpunkt beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid und die Nachtragsverfügungen vom 12. Dezember 1997 und vom 28. Januar 1999 seien aufzuheben. Sie erneuert ihren Rechtsstandpunkt, wonach E.________ hinsichtlich seiner für die Einzelfirma T.________ ausgeübten Tätigkeit als Selbstständigerwerbender zu qualifizieren sei.
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Die Ausgleichskasse und der als Mitinteressierte beigeladene E.________ schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).
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2.
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Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
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2.1 Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.
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2.2 Nachdem das Eidgenössische Versicherungsgericht an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist (Art. 114 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 132 OG), prüft es von Amtes wegen, ob der angefochtene Entscheid Bestimmungen des öffentlichen Rechts des Bundes verletzt oder ob die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat (Art. 104 lit. a OG). Es kann deshalb ohne Rücksicht auf die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen oder die von der Vorinstanz berücksichtigten Gründe eine Beschwerde gutheissen oder abweisen (BGE 118 V 70 Erw. 2b, 116 V 257 Erw. 1 mit Hinweisen).
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3.
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Gestützt auf die Akten ist davon auszugehen, dass die strittigen Nachtragsverfügungen E.________ nicht persönlich eröffnet wurden. Indem ihn das erstinstanzliche Gericht zum Verfahren beilud, wurde sein Anspruch auf rechtliches Gehör indes jedenfalls gewahrt (vgl. BGE 113 V 1 ff.), weshalb der angefochtene Entscheid verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden ist.
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4.
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4.1 Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid vom 31. März 2000, welcher die gesetzlichen Bestimmungen über die unselbstständige (Art. 5 Abs. 2 AHVG) und die selbstständige Erwerbstätigkeit (Art. 9 Abs. 1 AHVG) sowie die von der Rechtsprechung herangezogenen Unterscheidungskriterien für die entsprechende Beurteilung einer konkreten Beschäftigung (BGE 123 V 162 Erw. 1, 122 V 171 Erw. 3, 283 Erw. 2, 119 V 161 Erw. 2 mit Hinweisen) enthält, einlässlich und in allen Teilen überzeugend erwogen, dass hinsichtlich der Tätigkeit des E.________ für die Einzelfirma T.________ in den Jahren 1992 bis 1997 gesamthaft diejenigen Elemente überwiegen, die auf eine unselbstständige Erwerbstätigkeit schliessen lassen. Ins Gewicht fällt dabei insbesondere, dass E.________ kein spezifisches Unternehmerrisiko im ahv-rechtlichen Sinne trug (vgl. BGE 122 V 171 Erw. 3c), indem er weder erhebliche Investitionen tätigte, noch eigene Geschäftsräumlichkeiten benützte, noch seinerseits Personal beschäftigte, sondern vielmehr gemäss der zivilrechtlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 1988 verpflichtet war, im Dienste der Einzelfirma Steyer Antriebstechnik mindestens 2200 Stunden Arbeit zu leisten und er dafür monatlich Fr. 8350.- in Rechnung zu stellen hatte.
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4.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit nicht bereits im kantonalen Verfahren entkräftet, nichts vorgebracht, was die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG oder den angefochtenen Entscheid als bundesrechtswidrig erscheinen liesse (Erw. 2a hievor).
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4.2.1 Im Rahmen der Würdigung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere mit Blick auf den materiellen Gehalt der Vereinbarung vom 24. Oktober 1988, kommt der steuerlichen Erfassung der strittigen Einkommen kein entscheidendes Gewicht zu (BGE 122 V 289 Erw. 5d mit Hinweisen). Es besteht bereits aus diesem Grunde kein Anlass zu beweismässigen Weiterungen zur steuerrechtlichen Qualifikation der in Frage stehenden Einkommen.
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4.2.2 Die Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz (BGE 121 V 66 Erw. 2a; die entsprechende, aus Art. 4 Abs. 1 aBV abgeleitete Rechtsprechung gilt auch unter der Herrschaft von Art. 9 BV [RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 f.]) scheitert bereits am Fehlen einer tauglichen Vertrauensgrundlage. Die Ausgleichskasse hat im Zusammenhang mit der ersten Arbeitgeberkontrolle vom 15. Juli 1992, als unentdeckt geblieben war, dass E.________ seitens der Firma als Selbstständigerwerbender betrachtet wurde, weder eine falsche Auskunft erteilt, noch eine (materiell gleichwertige) gebotene Aufklärung unterlassen (vgl. ZAK 990 S. 434). Dies gilt umso mehr als bis November 1992 die Zahlungen an E.________ ohne Buchungstext, insbesondere ohne Nennung des Bezügers, im Konto "Fremdarbeiten" verbucht wurden.
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4.2.3 Zur Entrichtung der paritätischen Beiträge, die an der Quelle erhoben werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet. Er schuldet seine eigenen Beiträge und überdies jene seiner Arbeitnehmer (vgl. Art. 14 Abs. 1 AHVG). Wird im Wege der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin auf unselbstständige Erwerbstätigkeit erkannt, ändert das nichts an deren gesetzlich umschriebener Leistungspflicht. Es ist insoweit unerheblich, dass der Arbeitgeberin die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit des Abzugs der
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Arbeitnehmerbeiträge vom Lohn allenfalls nicht mehr offen steht, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich nicht mehr Bestand hat.
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5.
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Der vorinstanzliche Entscheid ist schliesslich auch insoweit bundesrechtskonform, als für die Feststellung der abzugsfähigen Unkosten auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung erkannt wurde. Es kann hiefür auf die in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich überzeugenden Erwägungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden.
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6.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario in Verbindung mit Art. 156 OG).
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Dem anwaltlich vertretenen Mitinteressierten E.________, welcher mit seinem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegt, steht eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Beschwerdeführerin zu (Art. 159 OG; SVR 1995 AHV Nr. 70 S. 214 Erw. 6).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von total Fr. 4000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat dem beigeladenen E.________ für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Bundesamt für Sozialversicherung und E.________ zugestellt.
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Luzern, 26. August 2002
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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