Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 334/02
Urteil vom 3. September 2002
III. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Amstutz
Parteien
Erbengemeinschaft G.________, bestehend aus: A.________ und B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer, Pestalozzistrasse 2, 9000 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin,
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
(Entscheid vom 3. April 2002)
Sachverhalt:
A.
Aufgrund einer chronischen Hepatitis B sowie psychischer Leiden meldete sich der 1953 geborene G.________ am 23. Februar 1996 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Am 17. Dezember 1996 teilte ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit, zwecks Abklärung der Eingliederungs- und Arbeitsfähigkeit sei ein dreimonatiger Aufenthalt im Betrieb für berufliche Rehabilitation X.________ erforderlich. Am 5. Januar 1997 verstarb der Versicherte. Mit Verfügung vom 14. September 2001 verneinte die IV-Stelle den von der Erbengemeinschaft - bestehend aus A.________ und B.________ - im Oktober 1999 geltend gemachten Anspruch des G.________ auf Wartezeittaggelder bezüglich der vorgesehen gewesenen beruflichen Massnahmen.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 3. April 2002 ab und überwies die Akten zur Prüfung eines allfälligen Rentenanspruchs an die Verwaltung.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen die gesetzlichen Erben des G.________ sinngemäss beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sowie die Verfügung vom 14. September 2001 seien aufzuheben, und es sei die IV-Stelle zur Zahlung von Wartetaggeldern für den Zeitraum von spätestens 3. November 1996 bis 5. Januar 1997 zu verpflichten. Des Weitern wird um Sistierung des Verfahrens bis zum Verwaltungsentscheid betreffend den Rentenanspruch ersucht.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Mitglieder der Erbengemeinschaft des G.________ sind kraft Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 560 ff. ZGB zur Geltendmachung des im Streite liegenden Anspruchs auf ein Taggeld während der Wartezeit (Art. 22 IVG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 IVG) ab spätestens 3. November 1996 bis 5. Januar 1997 befugt (ZAK 1964, S. 495 Erw. 1; siehe auch BGE 99 V 59 f.; SVR 1994 IV Nr. 26 S. 65), nachdem sie die Erbschaft definitiv angetreten haben und ihre Parteistellung damit feststeht (vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3 BZP ; vgl. auch Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., N 94 S. 148; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 144 und Fn 58 S. 276). Da auch die übrigen Legitimationsvoraussetzungen (Art. 103 lit. a in Verbindung mit Art. 132 OG) erfüllt sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.
2.
Soweit um Sistierung des Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 BZP in Verbindung mit Art. 40 und 136 OG ) bis zum Verwaltungsentscheid über die Rentenfrage ersucht wird, ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem Grundsatz "Eingliederung vor Rente" (BGE 126 V 241, 121 V 190, 116 V 92) eine Rente nur dann zugesprochen werden kann, wenn feststeht, dass Eingliederungsmassnahmen zufolge fehlender oder (noch) ungenügender, d.h. nicht rentenausschliessender Eingliederungsfähigkeit ausser Betracht fallen (BGE 121 V 191 ff. Erw. 4). In Art. 29 Abs. 2 Satz 2 IVG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 IVV, wonach ein Rentenanspruch nicht entsteht, solange der Versicherte ein Wartetaggeld nach Art. 22 IVG in Verbindung mit Art. 18 IVV beanspruchen kann, wird die Priorität von - durch den akzessorischen Taggeldanspruch begleiteten - Eingliederungsmassnahmen vor der Invalidenrente ausdrücklich festgeschrieben. Folgerichtig hat die Klärung des hier strittigen Wartetaggeldanspruchs, insbesondere der entscheidrelevanten Frage der Eingliederungsfähigkeit (vgl. Erw. 3 nachfolgend), der Beurteilung des Rentenanspruchs voranzugehen. Da keine Zweckmässigkeitsgründe ersichtlich sind, welche diesem Vorgehen entgegenstehen, und im Übrigen die allfällige Bejahung eines Wartetaggeldanspruchs die rückwirkende Zusprechung einer Rente - soweit die Zeit vor dessen Entstehung betreffend - nicht ausschliesst (vgl. BGE 121 V 191 f. Erw. 3 und 4a, 193 Erw. 4d), ist dem Sistierungsgesuch nicht stattzugeben.
3.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die nach Gesetz (Art. 22 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 18 IVV) und Rechtsprechung (BGE 117 V 277 Erw. 2a; SVR 2001 IV Nr. 28 S. 87 Erw. 2a; AHI 2000 S. 208 Erw. 2a, 1997 S. 171 ff. Erw. 3) geltenden Voraussetzungen des Anspruchs auf ein Taggeld während der Wartezeit, namentlich das Erfordernis der Eingliederungsfähigkeit in subjektiver und objektiver Hinsicht, zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
4.
Unbestritten war G.________ im angestammten Beruf als Maurer und in der seit 1990 ausgeübten Tätigkeit als Portier bereits seit 1995 nicht mehr arbeitsfähig. Berufliche Eingliederungsmassnahmen kamen jedoch entgegen dem Einwand der Beschwerdeführer im November 1996 oder früher noch nicht ernsthaft in Frage (AHI 1997 S. 172 Erw. 3a). Wohl war - im Hinblick auf das Ziel einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit - im Bericht des Vertrauensarztes Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Innere Medizin, vom 26. April 1996 noch von einer eventuellen "Einführung in einen leichten Beruf" ohne körperlichen Einsatz die Rede. Bereits im Juni 1996 äusserte sich dieser jedoch dahingehend, dass mit einer Wiederaufnahme der Berufstätigkeit bzw. Erhöhung der Einsatzfähigkeit "vermutlich" nicht mehr gerechnet werden könne, und im Bericht vom 12. Juli 1996 wurde gar eine bleibende "Erwerbsunfähigkeit" von 100 % festgestellt. Der Berufsberater schliesslich erachtete den Versicherten im November 1996 zumindest "zum jetzigen Zeitpunkt" als in der freien Wirtschaft nicht integrierbar. Damit waren jedenfalls beträchtliche Zweifel an der objektiven Eingliederungsfähigkeit begründet. Diesbezüglich Klarheit zu gewinnen war erklärtes Ziel des für Frühjahr 1997 geplant gewesenen dreimonatigen Aufenthalts im Rehabilitationsbetrieb X.________ (Mitteilung der IV-Stelle vom 17. Dezember 1996). Den Akten ist zu entnehmen, dass damals weder die Leistungsfähigkeit bei leichter körperlicher Arbeit eruiert noch das mögliche berufliche Einsatzfeld abgesteckt war; Ungewissheit herrschte namentlich auch darüber, ob der Versicherte überhaupt einer Umschulung auf einen andern Tätigkeitsbereich zugeführt werden konnte (Bericht des Berufsberaters vom 22. November 1996). Unter diesen Umständen hat das kantonale Gericht den in Frage stehenden Vorkehren den Eingliederungscharakter zu Recht abgesprochen und den vorgesehenen Aufenthalt im Betrieb X.________ richtigerweise als blosse Abklärungsmassnahme eingestuft, die zwar einen Taggeld-, aber keinen Wartetaggeldanspruch auslöst (AHI 1996, S. 194 Erw. 4d; ZAK 1991, S. 178). Wenn der Zweck des Aufenthalts unter anderem auch dahingehend umschrieben worden war, der Versicherte "solle es lernen können, dass er arbeiten kann" (Protokoll des Bewerbungsgesprächs vom 22. November 1996), spricht dies entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht für eine Eingliederungs- anstelle einer blossen Abklärungsmassnahme. Die Aussage lässt lediglich darauf schliessen, dass der Aufenthalt im Zentrum X.________ unter anderem auch darauf ausgerichtet war, das gebrochene berufliche Selbstvertrauen mit Blick auf künftig allenfalls in Frage kommende Eingliederungsmassnahmen wieder aufzubauen und die noch labile subjektive Eingliederungsbereitschaft schrittweise zu stärken.
Scheitert der Anspruch auf Wartetaggelder nach dem Gesagten am Fehlen einer "Eingliederungsmassnahme" im Sinne von Art. 18 Abs. 1 IVV, stellt sich die Frage nach dem Anspruchsbeginn, welchen die Beschwerdeführer auf spätestens 3. November 1996 festzulegen beantragen, nicht.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Hotela und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 3. September 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: