BGer H 101/2002
 
BGer H 101/2002 vom 05.09.2002
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
H 101/02
Urteil vom 5. September 2002
IV. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ursprung; Gerichtsschreiberin Schüpfer
Parteien
F.________, Beschwerdeführer,
gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 30. Januar 2002)
Sachverhalt:
A.
F.________ und Z.________ waren Mitglieder des Verwaltungsrates der Firma B.________. Am 21. Juli 1998 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und am 24. August 1998 mangels Aktiven wieder eingestellt.
Mit Verfügungen vom 19. Mai 1999 forderte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich von Z.________ und F.________ in solidarischer Haftbarkeit Schadenersatz für entgangene AHV/IV/ALV/FAK-Beiträge, einschliesslich Mahngebühren, Verwaltungs- und Betreibungskosten, im Gesamtbetrag von Fr. 14'542.20. Dagegen erhoben die Betroffenen Einspruch.
B.
Die von der Ausgleichskasse mit Datum vom 7. Juli 1999 gegen Z.________ und F.________ eingereichten Klagen hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. Januar 2002 gut und verpflichtete beide unter solidarischer Haftbarkeit zur Bezahlung von Schadenersatz im verfügten Umfange.
C.
F.________ führt dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei, in solidarischer Haftung mit Z.________ der Ausgleichskasse Fr. 14'542.20 zu bezahlen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung, während Z.________ als Mitbeteiligter auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde "unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers" schliesst.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).
2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
3.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und Rechtsprechung die Voraussetzungen der subsidiären Haftbarkeit der Organe juristischer Personen für den der Ausgleichskasse wegen schuldhafter Missachtung der Vorschriften über die Beitragsabrechnung und -zahlung entstandenen Schaden zutreffend dargelegt (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b, 121 V 244 Erw. 4b und 5, 114 V 214 Erw. 3, 108 V 186 Erw. 1b; ZAK 1985 S. 576 Erw. 2, 619 Erw. 3a). Darauf wird verwiesen.
4.
Fest steht, dass die Firma B.________ ihrer Beitragszahlungspflicht für die Monate April bis Juli 1998 nicht nachgekommen und der Ausgleichskasse daraus ein Schaden entstanden ist. Damit hat die Firma - was nicht bestritten wird - zumindest grobfahrlässig gegen die Vorschriften von Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV verstossen, was grundsätzlich die volle Schadenersatzpflicht der verantwortlichen Organe gemäss Art. 52 AHVG nach sich zieht (BGE 118 V 195 Erw. 2a mit Hinweisen).
Nicht streitig ist zudem der Umfang des eingetretenen Schadens. Auch hat die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügungen unbestrittenermassen rechtzeitig erlassen (Art. 82 Abs. 1 AHVV) und innert Frist Klage erhoben (Art. 81 Abs. 3 AHVV). Zu prüfen ist, inwieweit das Verschulden der Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer als grobfahrlässiges Verhalten anzurechnen ist.
5.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG oder die rechtliche Würdigung als bundesrechtswidrig erscheinen liesse.
5.1 Die Berufung auf die interne Aufgabenverteilung - der Beschwerdeführer habe nur für die Sicherstellung der künftigen Finanzierung und den Betriebsübergang zu sorgen gehabt, wogegen die Geschäftsführung Z.________ bzw. dem weiteren Verwaltungsrat, S.________, oblegen habe - entlastet ihn nicht. Als grobfahrlässig gilt gerade auch die Passivität faktisch von der Geschäftsführung ausgeschlossener Verwaltungsräte, welche sich umso nachhaltiger um Einblick in die Geschäftsbücher zu bemühen haben. Gerade beim Beitragswesen geht es um Geschäfte, mit denen sich ein Verwaltungsrat ihrer Bedeutung wegen zu befassen hat. Mit dem Einwand, er habe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt, kann sich der Beschwerdeführer deshalb nicht exkulpieren (BGE 109 V 88 Erw. 6; ZAK 1992 S. 254 Erw. 7b, 1989 S. 104 Erw. 4).
5.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Weiteren angeführt, die Vorinstanz begründe ihren Vorwurf der Grobfahrlässigkeit ausschliesslich damit, dass der Beschwerdeführer sich nicht persönlich um die Zahlung der AHV-Beiträge gekümmert habe.
Entgegen diesen Ausführungen besteht kein Anlass zu einer grundsätzlichen Abkehr von dieser Praxis. Es ist festzustellen, dass es sich bei der Haftung nach Art. 52 AHVG nicht um eine Kausalhaftung handelt und die Schadenersatzpflicht der Organe ein qualifiziertes Verschulden voraussetzt (BGE 108 V 187 Erw. 1b; SVR 2001 AHV Nr. 15 S. 52 Erw. 5). Der Beschwerdeführer hatte Kenntnis von der finanziell angespannten Situation der Firma. Durch deren beabsichtigten aber immer wieder verschobenen Verkauf an S.________ befand sie sich zusätzlich in einer ungewissen Lage. Angesichts dieser Tatsachen hätte der Beschwerdeführer umso mehr darauf bedacht sein müssen, dass nur soviel massgebender Lohn (Art. 5 Abs. 2 AHVG) zur Auszahlung gelangt, als die darauf unmittelbar ex lege (Art. 14 Abs. 1 AHVG i.V.m. Art. 34 ff. AHVV) entstandenen Beitragsforderungen gedeckt gewesen wären (SVR 1995 AHV Nr. 70 S. 214 Erw. 5). Mit dieser Pflichtversäumnis hat er eben nicht "das Bestmögliche zur Schadensvermeidung unternommen", wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird. Für die Beurteilung der Verschuldensfrage ist nicht entscheidend, was die verantwortlichen Organe zur Aufrechterhaltung des Betriebes oder der Vermeidung eines Konkurses allenfalls unternommen haben, sondern ob sie der Pflicht, für eine ordnungsgemässe Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu sorgen, nachgekommen sind. Der Beschwerdeführer hatte angesichts der finanziellen Situation der Firma B.________ und dem unsicheren, wiederholt sehr kurzfristig verschobenen Verkauf an einen ausländischen Käufer bzw. dessen Firma, der gemäss den vom Beschwerdeführer selbst eingeholten Auskünften eine "Kreditwürdigkeit von Fr. 5'000.-" hatte, keinen hinreichend begründeten Anlass zur Annahme, die Firma werde durch die Nichtbezahlung der Sozialversicherungsbeiträge gerettet und die Beiträge könnten innert nützlicher Frist nachbezahlt werden (vgl. BGE 108 V 188).
5.3 Der Beschwerdeführer bringt im Weiteren vor, es bestehe zwischen seinem Verhalten und dem eingetretenen Schaden kein Kausalzusammenhang. Selbst wenn er in die Tagesgeschäfte eingegriffen und versucht hätte, die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge auszulösen, wäre dies nicht erfolgt, weil dazu die Mittel gefehlt hätten.
Die Arbeitgeberhaftung im Sinne von Art. 52 AHVG setzt voraus, dass zwischen der absichtlichen oder grobfahrlässigen Verletzung von Vorschriften und dem Eintritt des Schadens ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (BGE 119 V 406 Erw. 4a mit Hinweisen). Der adäquate Kausalzusammenhang wäre infolge Insolvenz der Firma nur dann und ohnehin nur in Bezug auf den vor dem Eintritt in den Verwaltungsrat entstandenen Schaden unterbrochen worden, wenn die Firma bereits zur Zeit des Eintritts des Beschwerdeführers in den Verwaltungsrat zahlungsunfähig gewesen wäre und er daran nichts hätte ändern können (BGE 119 V 401; AHI 1996 S. 292 Erw. 4; Knus, Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers in der AHV, Diss. Zürich 1989, S. 18 und FN 43). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Wie die Vorinstanz in für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlicher Weise (vgl. Erw. 2) festgestellt hat, hätte die Firma im Zeitpunkt der Konkursanmeldung vom Betriebskredit noch Fr. 100'000.- beanspruchen können. Damit hätten die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge bezahlt und wäre ein Schaden zu vermeiden gewesen.
6.
6.1 Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Erw. 2 hiervor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses gehen die Gerichtskosten zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 156 Abs. 1 OG).
6.2 Der Mitbeteiligte Z.________ verlangt für das Verfahren vor dem Eidgenössischem Versicherungsgericht eine Parteientschädigung. Dieses Begehren beurteilt sich in analoger Anwendung von Art. 159 f. OG in Verbindung mit den Tarifen über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht vom 16. November 1992 bzw. dem Bundesgericht vom 9. November 1978.
Z.________ ist nicht vertreten, weshalb eine Entschädigung im Sinne des Art. 2 des Tarifs des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (Anwaltshonorar) entfällt. Gemäss Art. 2 Abs. 1 des Bundesgerichtstarifs umfasst die Parteientschädigung den Ersatz der Auslagen. Er wird einer Partei ohne Vertreter in der Regel praxisgemäss nur zugesprochen, wenn die Aufwendungen erheblich und nachgewiesen sind. Letzteres trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Ferner ist nach der Rechtsprechung für persönlichen Arbeitsaufwand und Umtriebe (vgl. Art. 2 Abs. 2 des Bundesgerichtstarifs) einer unvertretenen Partei grundsätzlich keine Parteientschädigung zu gewähren, ausser wenn besondere Verhältnisse vorliegen. Hiezu ist u.a. vorausgesetzt, dass die Interessenwahrung einen Arbeitsaufwand erfordert, welcher die normale (z.B. erwerbliche) Betätigung während einiger Zeit erheblich beeinträchtigt (BGE 110 V 81 Erw. 7, 134 Erw. 4d). Diese Voraussetzung kann beim Mitbeteiligten ebenfalls nicht als erfüllt betrachtet werden. Da zudem keine erheblichen Auslagen ausgewiesen sind, besteht auch kein Anspruch auf Auslagenersatz (BGE 110 V 82).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'300.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dem Mitbeteiligten Z.________ wird keine Umtriebsentschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und Z.________ zugestellt.
Luzern, 5. September 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: