[AZA 7]
I 632/01 Bh
II. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Frésard; Gerichtsschreiber Ackermann
Urteil vom 13. September 2002
in Sachen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
gegen
K.________, 1957, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Schmid, Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,
und
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
A.- K.________, geboren 1957 und seit 1984 als Hilfslackierer für die Firma Q.________ AG tätig, meldete sich am 6. Juli 1998 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Vornahme von Abklärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht sowie durchgeführtem Vorbescheidverfahren lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 25. Mai 1999 den Anspruch des K.________ auf berufliche Massnahmen ab, da er für rückengerechte, wechselbelastende Tätigkeiten zu 100 % arbeitsfähig sei.
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde des K.________ hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 23. August 2001 insoweit gut, als es den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejahte; betreffend weiterer beruflicher Massnahmen wurde die Beschwerde abgewiesen.
C.- Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben.
K.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung beantragt.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen und Grundsätze für den Anspruch eines Invaliden auf Arbeitsvermittlung zutreffend dargestellt (Art. 18 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 80). Darauf wird verwiesen.
2.- Streitgegenstand ist einzig der Anspruch auf Arbeitsvermittlung; weitere Eingliederungsmassnahmen oder ein Rentenanspruch sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
a) Das kantonale Gericht hat den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejaht, da die dafür notwendige Invalidität beim Versicherten vorliege, indem er wegen seiner gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen nicht mit den gleichen Chancen wie eine gesunde Person rechnen könne und seine invaliditätsbedingten Schwierigkeiten die Erfolgsaussichten einer Bewerbung verminderten. Dieser Auffassung stimmt der Beschwerdegegner zu. Die IV-Stelle wendet dagegen ein, dass der Versicherte für mittelschwere Arbeiten bis maximal 25 kg vollständig arbeitsfähig sei und dass auf dem tatsächlich vorhandenen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen existierten. Das BSV geht zudem davon aus, dass der Versicherte bei der Stellensuche nicht gesundheitsbedingt eingeschränkt sei.
b) Der Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung nach Art. 18 Abs. 1 IVG ist von der Arbeitsvermittlung Behinderter durch die Arbeitslosenversicherung (Art. 15 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2 AVIG) zu unterscheiden. Die Invalidenversicherung ist für invalide Versicherte hinsichtlich der Arbeitsvermittlung vorrangig zuständig (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 12). Nach der Rechtsprechung wird die Arbeitsvermittlung in der Arbeitslosenversicherung unabhängig von jener durch die Invalidenversicherung beurteilt (BGE 116 V 85 mit Hinweisen, bestätigt durch Urteile F. vom 15. Juli 2002, I 421/01, und Q. vom 12. August 2002, I 403/01).
c) Notwendig für die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitsvermittlung sind die allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen der Invalidenversicherung gemäss Art. 4 ff. und Art. 8 IVG , d.h. insbesondere eine leistungsspezifische Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG), welche im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG schon bei relativ geringen gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten in der Suche nach einer Arbeitsstelle erfüllt ist (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 70 Erw. 1a). Eine für die Arbeitsvermittlung massgebende Invalidität liegt daher vor, wenn der Versicherte bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (BGE 116 V 81 Erw. 6a mit Hinweis; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b), d.h. es muss für die Bejahung einer Invalidität im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zwischen dem Gesundheitsschaden und der Notwendigkeit der Arbeitsvermittlung ein Kausalzusammenhang bestehen (Urteile F. vom 15. Juli 2002, I 421/01, und Q. vom 12. August 2002, I 403/01; vgl. Art. 4 Abs. 1 IVG; in diesem Sinne Jean-Louis Duc, L'assurance-invalidité, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 85).
Gesundheitliche Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b) erfüllen den leistungsspezifischen Invaliditätsbegriff, wenn die Behinderung bleibend oder während voraussichtlich längerer Zeit (Art. 4 Abs. 1 IVG) Probleme bei der - in einem umfassenden Sinn verstandenen - Stellensuche selber verursacht. Das trifft beispielsweise zu, wenn wegen Stummheit oder mangelnder Mobilität kein Bewerbungsgespräch möglich ist oder dem potentiellen Arbeitgeber die besonderen Möglichkeiten und Grenzen des Versicherten erläutert werden müssen (z.B. welche Tätigkeiten trotz Sehbehinderung erledigt werden können), damit der Behinderte überhaupt eine Chance hat, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten.
Zur Arbeitsvermittlung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG ist im Weiteren berechtigt, wer aus invaliditätsbedingten Gründen spezielle Anforderungen an den Arbeitsplatz (z.B.
Sehhilfen) oder den Arbeitgeber (z.B. Toleranz gegenüber invaliditätsbedingt notwendigen Ruhepausen) stellen muss und demzufolge aus invaliditätsbedingten Gründen für das Finden einer Stelle auf das Fachwissen und entsprechende Hilfe der Vermittlungsbehörden angewiesen ist. Bei der Frage der Anspruchsberechtigung nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber invaliditätsfremde Probleme bei der Stellensuche, z.B. Sprachschwierigkeiten (im Sinne fehlender Kenntnisse der Landessprache, anders wiederum bei medizinisch diagnostizierten, somit gesundheitsbedingten Sprachstörungen; Urteile F. vom 15. Juli 2002, I 421/01, und Q. vom 12. August 2002, I 403/01).
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist bei voller Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten der Invaliditätsbegriff im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG nicht erfüllt.
Denn die Suche einer Anstellung, in deren Rahmen leichte Tätigkeiten vollzeitig verrichtet werden können, unterliegt keinen solchen Anforderungen und Einschränkungen im eben umschriebenen Sinne. Es braucht diesfalls für die Bejahung einer Invalidität nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zusätzlich eine gesundheitlich bedingte spezifische Einschränkung in der Stellensuche. Denn die invalidenversicherungsrechtliche Arbeitsvermittlung bezweckt, konkrete eingetretene oder unmittelbar drohende (Art. 8 Abs. 1 IVG) invaliditätsbedingte Einschränkungen bei der Stellensuche durch die Inanspruchnahme spezieller Fachkenntnisse der Versicherungsorgane (oder der von ihr beigezogenen Stellen; vgl. Art. 59 IVG) auszugleichen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, fällt der Anspruch auf Arbeitsvermittlung gegenüber der Invalidenversicherung ausser Betracht (Urteile F. vom 15. Juli 2002, I 421/01, und Q. vom 12. August 2002, I 403/01).
Soweit das - vom Beschwerdegegner erwähnte - Urteil V.
vom 27. April 2001, I 259/00, in einem obiter dictum den Anspruch auf Arbeitsvermittlung als Naturalleistung der Invalidenversicherung bei voller Arbeitsfähigkeit bejahte, ohne dass ein diesfalls notwendiges, den Versicherten zusätzlich in seiner Stellensuche einschränkendes Kriterium im Sinne der obigen Erwägungen ausgewiesen war, kann daran in Bestätigung von BGE 116 V 80 nicht festgehalten werden (Urteil F. vom 15. Juli 2002, I 421/01).
3.- Es fragt sich, ob der Beschwerdegegner wegen seiner Leiden Probleme bei der Stellensuche hat.
Gemäss Bericht der Klinik X.________ vom 6. Juli 1998 ist der Beschwerdegegner für rückengerechte, wechselbelastende
Arbeiten mit einem maximalen Gewicht von 20 bis 25 kg vollständig arbeitsfähig; dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten in dieser Hinsicht geändert haben sollte, wird nicht geltend gemacht und ist aus den Akten auch nicht ersichtlich. Damit liegt eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit vor, ohne dass weitere Einschränkungen ersichtlich wären. Dem Versicherten stehen deshalb auf dem - für alle erwerblich orientierten Leistungen der Invalidenversicherung massgebenden (Ulrich Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 8 unten) - ausgeglichenen hypothetischen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen offen (zu denken ist insbesondere an leichtere Kontroll- und Überwachungstätigkeiten), zu deren Finden die spezifischen Fachkenntnisse der mit der Invalidenversicherung betrauten Behörden nicht notwendig sind. Damit besteht nach dem Gesagten kein Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung.
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die IV-Stelle als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
St. Gallen vom 23. August 2001 aufgehoben.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 13. September 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: