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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
P 41/00
Urteil vom 8. Oktober 2002
I. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Rüedi, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiberin Berger Götz
Parteien
T.________, Beschwerdeführer, Erbe des S.________, geboren am 19. August 1948, gestorben am 17. Juni 1996,
gegen
1. Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Amtshaus Helvetiaplatz, 8004 Zürich,
2. Bezirksrat Zürich, Neue Börse, Selnaustrasse 32, 8023 Zürich, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 18. Juli 2000)
Sachverhalt:
A.
Der 1948 geborene S.________ bezog seit 1. April 1994 Zusatzleistungen zur Rente der Invalidenversicherung. Nach seinem Tod (am 17. Juni 1996) meldete die Zürich Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) am 5. August 1996 dem Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich, dass S.________ aus der beruflichen Vorsorge von September 1992 bis Juni 1996 Anspruch auf eine Invalidenrente von insgesamt Fr. 18'474.-- habe. Aus diesem Grund berechnete das Amt den Anspruch auf Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen, kantonale Beihilfen und Gemeindezuschüsse) für die Zeit vom 1. April 1994 bis 30. Juni 1996 neu und forderte von T.________, dem Bruder des Verstorbenen, in dieser Zeitspanne zu Unrecht ausgerichtete Beträge in der Höhe von Fr. 18'474.-- zurück (Verfügung vom 26. September 1997). Auf Einsprache hin bestätigte der Bezirksrat Zürich mit Entscheid vom 22. Juli 1999 die verfügte Rückerstattung.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher T.________ die Aufhebung des Rückerstattungsentscheides beantragt hatte, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 18. Juli 2000).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert T.________ das im vorinstanzlichen Verfahren gestellte Rechtsbegehren.
Das kantonale Amt trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG nur insoweit eingetreten werden, als sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht auf kantonale oder kommunale Beihilfen bezieht (BGE 122 V 222 Erw. 1).
2.
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
Streitgegenstand bildet einzig die in der Verfügung vom 26. September 1997 angeordnete Rückerstattung der in der Zeit vom 1. April 1994 bis 30. Juni 1996 erbrachten Ergänzungsleistungen. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein darüber hinausgehendes Gesuch um Erlass der Rückzahlung (vgl. BGE 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen) gestellt wird und weitere, nicht mit dem Streitgegenstand zusammenhängende Fragen aufgeworfen werden, kann auf die Eingabe mangels Anfechtungsgegenstand nicht eingetreten werden (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit Hinweisen). Ebenfalls nicht vom Eidgenössischen Versicherungsgericht zu prüfen ist der vom Beschwerdeführer an das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich, an den Bezirksrat Zürich sowie an die Vorinstanz gerichtete Vorwurf, ihm nicht alle Akten zur Kenntnis gebracht zu haben. Dass Verwaltung oder kantonales Gericht die vollständige Akteneinsicht unrechtmässig verweigert hätten, wird nicht geltend gemacht. Von der beantragten persönlichen Anhörung der nicht weiter spezifizierten "beteiligten Personen der Ämter I. und II." vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht schliesslich kann abgesehen werden, da davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, welche sich auf das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens auswirken könnten.
3.
Laut Art. 27 Abs. 1 (Satz 1) ELV sind unrechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen vom Bezüger oder seinen Erben zurückzuerstatten.
Mit dem Tod der rückerstattungspflichtigen Person geht die Rückerstattungsschuld - falls die Erbschaft nicht ausgeschlagen wurde - auf die Erben über (BGE 105 V 82 Erw. 3, 96 V 73 f. Erw. 1), und zwar auch dann, wenn die Rückforderung zu Lebzeiten der rückerstattungspflichtigen Person nicht geltend gemacht wurde (ZAK 1959 S. 439 Erw. 2 mit Hinweis).
3.1 Nach der Rechtsprechung ist die Verfügung jedem einzelnen Erben persönlich zu eröffnen, wenn die Rückforderung erst nach dem Tod des Leistungsbezügers geltend gemacht wird (EVGE 1959 S. 141; in BGE 97 V 221 nicht veröffentlichte, aber in ZAK 1972 S. 422 publizierte Erw. 1b mit Hinweisen; nicht veröffentlichte Urteile M. vom 3. Oktober 1996, P 63/95, G. vom 21. März 1987, H 103/87, und K. vom 1. Juni 1987, H 106/86; vgl. auch Widmer, Die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen in den Sozialversicherungen, Diss. Basel 1984, S. 139). Allerdings kann in bestimmten Fällen von der Zustellung der Verfügung an jeden einzelnen Erben abgesehen werden, so wenn es nicht möglich ist, alle Erben zu erreichen, oder wenn sie einen gemeinsamen Stellvertreter haben (ZAK 1972 S. 422 Erw. 1b).
3.2 Gemäss Art. 603 Abs. 1 ZGB haften die Erben für die Schulden des Erblassers solidarisch. Die Solidarhaftung der Erben richtet sich nach Art. 143 ff. OR, woraus folgt, dass jeder einzelne Erbe allein für die Erbschaftsschulden in Anspruch genommen werden kann, und zwar nicht nur für seine Quote, sondern für die ganze Schuld. Die Erbschaftsgläubiger können deshalb nach ihrer Wahl entweder alle Erben zugleich oder einen nach dem andern oder auch nur einen beliebigen Erben in Anspruch nehmen (Peter C. Schaufelberger, Basler Kommentar II, N 2 f. zu Art. 603 ZGB). Sämtliche Erben bleiben so lange verpflichtet, bis die ganze Forderung getilgt ist (Art. 144 OR). Eigenheit der Solidarität ist es, dass sich die Gläubiger nicht um das Innenverhältnis und damit die endgültige Aufteilung eines Forderungsbetrages zwischen den Schuldnern zu kümmern brauchen (vgl. BGE 114 II 344 Erw. 2b).
In Nachachtung dieser rechtlichen Situation hat das Bundesgericht mit nicht veröffentlichtem Urteil vom 16. Mai 1995, B.103/1995, entschieden, dass bei Bestehen einer Erbengemeinschaft nicht notwendigerweise sämtliche Mitglieder derselben betrieben werden müssen. Ein einzelner Erbe kann für das Ganze belangt werden, weshalb nur der belangten Person ein Zahlungsbefehl zuzustellen ist.
3.3 Ein Grund, weshalb eine Verfügung, mit welcher zu Unrecht bezogene Ergänzungsleistungen zurückgefordert werden, jedem Erben persönlich zuzustellen ist, um rechtswirksam zu sein, während es im Unterschied dazu im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht ausreicht, den Zahlungsbefehl einem (beliebigen) Erben persönlich zuzustellen, damit er Rechtswirkungen entfalten kann, ist nicht ersichtlich. Mit Blick darauf, dass die Erben Solidarschuldner sind (Art. 143 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 603 Abs. 1 ZGB) und nach Art. 144 OR von Gläubigern je einzeln für einen Teil oder auch für das Ganze belangt werden können, ist an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine Rückerstattungsverfügung, welche nicht allen Erben persönlich zugestellt wurde, als rechtsunwirksam zu betrachten ist, nicht festzuhalten. Für die Rechtswirksamkeit einer Rückforderungsverfügung muss es genügen, wenn mit dem Verwaltungsakt nur ein einzelner Erbe ins Recht gefasst wird.
3.4 Im vorliegenden Fall hinterliess S.________ als gesetzliche Erben seinen Bruder T.________ sowie seine in Ungarn wohnende Schwester E.________. Die nach seinem Tod erlassene Rückerstattungsverfügung wurde lediglich dem Beschwerdeführer, nicht jedoch dessen Schwester eröffnet. Damit der Verwaltungsakt Rechtswirkungen entfalten konnte, reichte nach dem Gesagten dessen Zustellung an einen der beiden solidarisch haftenden Erben aus.
4.
4.1 Die Rückforderung rechtskräftig verfügter Leistungen durch die Verwaltung ist nur unter den für die Wiedererwägung oder die prozessuale Revision massgebenden Voraussetzungen zulässig (BGE 126 V 23 Erw. 4b, 46 Erw. 2b, je mit Hinweisen).
4.2 In Anbetracht der Tatsache, dass die Zürich S.________ im Jahr 1996 rückwirkend für die Zeit von September 1992 bis Juni 1996 eine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge von insgesamt Fr. 18'474.-- zugesprochen hat, steht fest, dass unter dem Titel der prozessualen Revision die Voraussetzungen für ein Zurückkommen auf die ursprüngliche Gewährung von Ergänzungsleistungen erfüllt sind.
In masslicher Hinsicht kann vollumfänglich auf die Verfügung des kantonalen Amtes vom 26. September 1997 verwiesen werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers fällt die von der Zürich erbrachte Rente nicht unter einen Vermögensfreibetrag, da sie in der Ergänzungsleistungsberechnung als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
5.
5.1 Für die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Ergänzungsleistungen nach Art. 27 Abs. 1 ELV sind die Vorschriften des AHVG sinngemäss anwendbar. Nach Art. 47 Abs. 2 AHVG verjährt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ausgleichskasse (vorliegend sinngemäss: das Amt) davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren seit der einzelnen Rentenzahlung (hier: Ergänzungsleistungszahlung). Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei den Fristen des Art. 47 Abs. 2 AHVG entgegen dem Wortlaut um Verwirkungsfristen (BGE 119 V 433 Erw. 3a mit Hinweisen).
5.2 Vorliegend wurden die Ergänzungsleistungen seit dem 1. April 1994 erbracht. Folglich war die absolute fünfjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, als die Verwaltung mit Verfügung vom 26. September 1997 die Rückerstattung der zu viel bezogenen Leistungen verlangte.
5.3 Damit bleibt zu prüfen, ob das Amt die Rückforderung innerhalb der einjährigen relativen Verjährungsfrist geltend gemacht hat. Es fragt sich also, in welchem Zeitpunkt die Verwaltung unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte feststellen müssen, dass S.________ zu Unrecht Ergänzungsleistungen ausgerichtet worden sind, wie hoch die unrechtmässigen Ergänzungsleistungen waren und an wen die Rückerstattungsverfügung zu richten war.
Um die Voraussetzungen für eine Rückerstattung beurteilen zu können, müssen der Verwaltung alle im konkreten Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich sein, aus deren Kenntnis sich der Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass gegenüber einem oder einer bestimmten Rückerstattungspflichtigen ergibt. Für die Beurteilung des Rückforderungsanspruchs genügt es nicht, dass dem Amt bloss Umstände bekannt werden, die möglicherweise zu einem solchen Anspruch führen können, oder dass dieser Anspruch bloss dem Grundsatz nach, nicht aber in masslicher Hinsicht feststeht. Vor Erlass der Rückerstattungsverfügung muss die Gesamtsumme der unrechtmässig ausbezahlten Leistungen feststellbar sein (BGE 112 V 181 Erw. 4a mit Hinweisen).
Die Verwaltung hat die ihr zumutbare Aufmerksamkeit auch bei den sich allenfalls aufdrängenden Erhebungen anzuwenden, damit ihre noch ungenügende Kenntnis so vervollständigt wird, dass der Rückforderungsanspruch die nötige Bestimmtheit erhält. Wenn die Verwaltung nicht die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, um über ihre noch ungenügend bestimmte Forderung innert absehbarer Zeit ein klares Bild zu erhalten, so darf sich ihre Säumnis nicht zu ihren Gunsten und zu Ungunsten der versicherten Person auswirken. In einem solchen Fall ist der Beginn der Verwirkungsfrist vielmehr auf den Zeitpunkt festzusetzen, in welchem die Verwaltung ihre vollständige Kenntnis mit dem erforderlichen und zumutbaren Einsatz so hätte ergänzen können, dass der Rückforderungsanspruch die nötige Bestimmtheit erhält und der Erlass einer Verfügung möglich wird (BGE 112 V 182 Erw. 4b).
Das kantonale Amt erfuhr durch das Schreiben der Zürich vom 5. August 1996 (Empfangsdatum: 6. August 1996), dass S.________ rückwirkend für die Zeit von September 1992 bis Juni 1996 eine Invalidenrente von insgesamt Fr. 18'474.-- zugesprochen wurde. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz durfte das Amt mit eigenen Abklärungen zu den rückerstattungspflichtigen Personen nicht zuwarten, bis ihm die Zürich am 19. Dezember 1996 mitteilte, es habe seine Forderung bei der Erbschaftsverwaltung geltend zu machen, oder bis die Versicherungsgesellschaft ihm am 27. August 1997 die erbberechtigten Personen des S.________ nannte. Vielmehr wäre die Verwaltung gehalten gewesen, die notwendigen Erhebungen selber zu tätigen. Mit Blick darauf, dass die Eltern von S.________ nicht mehr am Leben waren, seine Schwester im Ausland wohnt und er zu seinem Bruder schon jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, die Ermittlung der Erben somit nicht einfach war, sind dem Amt für die Abklärung der erheblichen Umstände im konkreten Fall zwei Monate ab Kenntnis des zusätzlichen Einkommens in Form einer von der Zürich rückwirkend ausbezahlten Invalidenrente (6. August 1996) zuzugestehen. Die einjährige Verwirkungsfrist hat deshalb in der ersten Hälfte des Monats Oktober 1996 zu laufen begonnen. Im Ergebnis ist dem kantonalen Gericht demzufolge zuzustimmen, dass die Rückforderungsverfügung vom 26. September 1997 rechtzeitig ergangen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 8. Oktober 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: