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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 1/2}
1E.9/2002 /kra
Urteil vom 17. Oktober 2002
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiberin Tophinke.
Staat Wallis, 1950 Sitten,
Beschwerdeführer, vertreten durch das Departement für Verkehr, Bau und Umwelt des Kantons Wallis, Dienstelle für Strassen und Flussbau, Abteilung Nationalstrassen, avenue de France, 1951 Sitten,
gegen
Camping et Plage (Swiss Plage) de Sierre et Salquenen S.A., Beschwerdegegnerin, vertreten durch Herrn Josef Zimmermann, Rechtskonsulent, Rue des Condémines 37, 1950 Sitten,
Burgschaft Salgesch, 3970 Salgesch,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Stefan Escher, Sonnenstrasse 8, 3900 Brig,
Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 4, handelnd durch Präsident Karl Providoli, case postale 606, 3960 Sierre.
Enteignungsverfahren; Kompensationsmassnahmen A9/T9 ; Teilstrecke Siders Ost-Leuk-Susten West; Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 69 EntG im vorliegenden Schätzungsverfahren,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, vom 12. Juli 2002.
Sachverhalt:
A.
Die Camping et Plage de Sierre et Salquenen S.A. (Swiss Plage) betreibt seit 1968 auf den Parzellen Nrn. 7016 und 7017 der Burgergemeinde Salgesch als Baurechtsinhaberin den Campingplatz "Swiss Plage". Die ökologischen Kompensationsmassnahmen (unter anderem Revitalisierung eines Gewässers) für den Bau der rechtskräftig genehmigten Nationalstrasse A9 (Rhoneautobahn) und der damit verbundenen Verlegung der Kantonsstrasse T9 sehen die Enteignung eines Teils des Campings vor. Im laufenden Enteignungsverfahren sind die Höhe der Entschädigung an die Grundeigentümerin sowie an die Baurechtsnehmerin umstritten.
Gemäss einem Burgerratsbeschluss vom 21. März 1967 und gestützt auf eine Verfügung des damaligen Kreisforstamtes IV Susten vom 25. Juli 1967 liess die Burgergemeinde Salgesch am 1. September 1967 auf Teilen ihrer Parzellen Nrn. 7016 und 7017 eine Waldservitut (Pflicht zur Ersatzaufforstung verbunden mit einem Nebennutzungsverbot) im Grundbuch eintragen. Die Ersatzaufforstungsflächen wurden im Grundbuch als Waldparzellen angemerkt. Ein grosser Teil des Campingareals besteht heute aus Wald bzw. Auenwald.
Am 9. September 1968 schloss die Burgergemeinde Salgesch zwecks Betriebs des genannten Campings mit der Swiss Plage einen Baurechtsvertrag ab, der einen entsprechenden Vertrag aus dem Jahre 1965 mit Rechtsvorgängern der Swiss Plage ablöste. Der Staatsrat des Kantons Wallis genehmigte den Baurechtsvertrag unter dem Vorbehalt, dass die Ausbeutung der Waldparzellen vom Forstamt bewilligt wird.
B.
Im Enteignungsverfahren vertritt der Staat Wallis als Enteigner die Auffassung, bei der Festlegung der Entschädigung an die Baurechtsinhaberin müsse in Anwendung von Art. 25 EntG berücksichtigt werden, dass diese verschiedentlich gegen die Forstgesetzgebung verstossen habe (widerrechtliche Rodungen und Aufschüttungen), wofür auch Bussen ausgesprochen und bezahlt worden seien. Die Swiss Plage stellt sich auf den Standpunkt, die Waldservitut von 1967 sei ungültig. Mit Eingabe vom 27. September 2001 ersuchte sie die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 4, die Frage der Rechtmässigkeit der Waldservitut im Sinne von Art. 69 EntG mit dem Einverständnis der Parteien vorfrageweise zu entscheiden. Mit Verfügung vom 12. Juli 2002 forderte der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, die Burgergemeinde Salgesch, die Swiss Plage sowie das Departement für Verkehr, Bau und Umwelt des Kantons Wallis auf, der Schätzungskommission je eine Erklärung im Sinne von Art. 69 Abs. 2 EntG bis zum 16. September 2002 zukommen zu lassen, ansonsten nach Ablauf der Frist das Schätzungsverfahren ausgesetzt und dem Enteigner unter Androhung der Rechtsfolgen gemäss Art. 69 Abs. 1 EntG eine Frist bis zum 16. Oktober 2002 zur Klageanhebung gewährt werde.
C.
Gegen die Verfügung der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, hat der Staat Wallis, vertreten durch das Departement für Verkehr, Bau und Umwelt, mit Eingabe vom 20. August 2002 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Zur Begründung macht er geltend, es liege kein Anwendungsfall von Art. 69 EntG vor.
Die Swiss Plage beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 4, und die Burgergemeinde Salgesch verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind erfüllt (Art. 77 EntG und Art. 115 Abs. 1 und 2 OG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Umstritten ist vorliegend einzig die Frage, ob die Gültigkeit der Waldservitut von 1967 im Verfahren nach Art. 69 EntG geklärt werden muss oder ob hierfür von vornherein die Schätzungskommission zuständig ist. Art. 69 EntG hat folgenden Wortlaut:
"1Wird der Bestand des Rechtes, für das eine Entschädigung verlangt wird, bestritten, so wird das Verfahren ausgesetzt und dem Enteigner eine Frist zur Klageerhebung beim ordentlichen Richter angesetzt, mit der Androhung, dass bei Nichtbeachtung der Frist das Recht als bestehend betrachtet wird. Auf Begehren einer Partei kann eine vorsorgliche Schätzung stattfinden.
2Die Parteien können jedoch durch ausdrückliche Erklärung den Entscheid auch über den Bestand des Rechtes der Schätzungskommission anheimstellen; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bleibt auch insofern vorbehalten."
Soweit die Parzellen Nrn. 7016 und 7017 der Burgergemeinde Salgesch betroffen sind, bilden Gegenstand der Enteignung im laufenden Expropriationsverfahren einzig das Eigentum sowie das Baurecht an den genannten Grundstücken. Der Bestand dieser Rechte wird vom enteignenden Staat Wallis nicht bestritten. Hingegen bezweifelt die enteignete Baurechtsnehmerin die Gültigkeit der 1967 im Grundbuch auf den Parzellen Nrn. 7016 und 7017 eingetragenen Waldservitut. Diese Waldservitut ist indessen nicht Gegenstand der Enteignung. Ihr Bestand ist allenfalls von Bedeutung für die Frage, ob und wieweit das Baurecht rechtmässig ausgeübt worden ist und damit für die weitere Frage, ob und wieweit die der Campingbetreiberin entzogene Grundstücksnutzung entschädigt werden muss (vgl. auch Art. 25 EntG). Die Frage der Rechtmässigkeit der Waldservitut ist folglich vorfrageweise vom Enteignungsrichter und nicht vom Zivilrichter zu beantworten. Art. 69 EntG findet keine Anwendung.
3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als begründet. Sie ist demnach gutzuheissen und der angefochtene Entscheid der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, aufzuheben. Die Umstände rechtfertigen, keine Kosten zu erheben und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (vgl. Art. 116 EntG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, vom 12. Juli 2002 aufgehoben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Oktober 2002
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: