Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 165/02
Urteil vom 5. November 2002
II. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Signorell
Parteien
C.________, 1962, Beschwerdeführer,
gegen
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zentralverwaltung, Werdstrasse 62, 8004 Zürich, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 17. Juni 2002)
Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 15. März 2002 forderte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie (GBI) von C.________, geb. 1962, die ab 15. September 1997 ausbezahlte Arbeitslosenentschädigung im Betrage von Fr. 75 237.05 zurück.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 17. Juni 2002 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt C.________ die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Feststellung der Anspruchsberechtigung ab 15. September 1997.
Die Kasse, die Vorinstanz und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf Stellungnahmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegenstand des vorinstanzlichen Entscheides ist die Verfügung der Kasse vom 15. März 2002. Darin wird über die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen befunden. Soweit der Beschwerdeführer mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überdies die Feststellung seiner Anspruchsberechtigung ab 15. September 1997 verlangt, ist mangels anfechtbarem Entscheid auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
2.
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG muss die Kasse Leistungen der Versicherung zurückfordern, auf welche der Empfänger keinen Anspruch hatte. Eine auf Grund einer formell rechtskräftigen Verfügung ausgerichtete Leistung ist in der Sozialversicherung nur zurückzuerstatten, wenn entweder die für die Wiedererwägung oder die prozessuale Revision erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 122 V 21 Erw. 3a).
3.
3.1 Auf Grund von im Rahmen der Prüfung eines Gesuchs des Beschwerdeführers um Ausrichtung besonderer Taggelder zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gewonnen Erkenntnissen überprüfte das AWA seine Anspruchberechtigung auf bereits bezogene Leistungen und verneinte diese gestützt auf Art. 31 Abs. 1 AVIG ab 15. September 1997 (Verfügung vom 28. Juli 2000). Im anschliessenden Rechtsmittelverfahren hat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die nachträglich festgestellte fehlende Anspruchsberechtigung mit Entscheid vom 26. März 2001 bestätigt. Im Zeitpunkt, als die Kasse die hier angefochtene Rückforderungsverfügung erliess, war dieser Entscheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Damit ist die erste Rückforderungsvoraussetzung nach Art. 95 Abs. 1 AVIG nicht erfüllt.
3.2 Doch auch bei rechtskräftiger Feststellung der Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen, denn nach der Rechtsprechung (BGE 126 V 399) wäre damit über die Zulässigkeit der Rückforderung noch nicht abschliessend entschieden. Die kantonale Amtsstelle hat im Rahmen ihrer Zuständigkeiten lediglich die materiellen Anspruchvoraussetzungen zu prüfen (Art. 85 Abs. 1 AVIG). Zwar ist die Kasse, die das Rückforderungsverfahren durchzuführen hat, an diese Feststellungsverfügung gebunden, hat aber ihrerseits selbstständig zu prüfen, ob die Wiedererwägungsvoraussetzungen, insbesondere jene der offensichtlichen Unrichtigkeit, erfüllt sind (a.a.O., S. 401 Erw. 2b/cc).
3.3 Aus dem Gesagten ergibt sich für den vorliegenden Rückforderungsprozess Folgendes: Da die Verfügung des AWA über die Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ist schon die erste Voraussetzung einer Rückforderung nach Art. 95 Abs. 1 AVIG nicht erfüllt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wäre indessen auch im gegenteiligen Falle gutzuheissen, da es beide Instanzen unterlassen haben, den Rückkommenstitel (prozessuale Revision oder Wiedererwägung), namentlich die Rückkommensvoraussetzung der offensichtlichen Unrichtigkeit, zu beurteilen. Daran ändert nichts, dass der streitige Betrag von mehr als Fr. 75 000.- das Kriterium der erheblichen Bedeutung zweifellos erfüllt.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Juni 2002 und die Verfügung der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie vom 15. März 2002 aufgehoben werden und die Sache an die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Rückforderung neu verfüge.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 5. November 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: