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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A.20/2002 /min
Urteil vom 27. November 2002
II. Zivilabteilung
Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Schett.
T.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Yves Reich, Bahnhofstrasse 4, 2502 Biel/Bienne,
gegen
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 13. August 2002.
Sachverhalt:
A.
T.________ (geb. 1. Januar 1971) reiste am 22. September 1989 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFA) lehnte das Gesuch am 25. Mai 1993 ab; die Ausreisefrist wurde auf den 15. September 1993 festgesetzt. Die von T.________ dagegen eingereichte Beschwerde wurde von der schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) mit Urteil vom 9. Juli 1993 abgewiesen. Am 20. August 1993 heiratete T.________ in X.________ die um 18 Jahre ältere Schweizer Bürgerin R.________. In der Folge erteilte der Kanton Bern ihm eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung.
Am 20. Oktober 1998 erhielt T.________ durch erleichterte Einbürgerung nach Art. 27 BüG das Schweizer Bürgerrecht. In diesem Zusammenhang hatte er am 19. August 1998 eine Erklärung abgegeben, wonach er mit seiner Ehefrau in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse lebe. Er wurde auch darüber belehrt, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt habe oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe.
B.
Das Zivilstandsamt Unterägeri teilte am 21. Juli 1999 dem BFA mit, T.________ sei seit dem 23. Juni 1999 rechtskräftig von seiner Schweizer Ehefrau geschieden. Am 12. August 1999 heiratete T.________ in Y.________ in der Türkei die türkische Staatsangehörige U.________ und beantragte im Hinblick auf den geplanten Familiennachzug die Eintragung dieser Ehe in die hiesigen Zivilstandsregister. Gestützt darauf forderte das BFA am 13. September 1999 T.________ auf, zwecks näherer Prüfung eines allfälligen Verfahrens betreffend Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung die Scheidungsakten beizubringen. Nach weiteren Abklärungen und einer Stellungnahme durch den Rechtsvertreter von T.________ erklärte das BFA mit Verfügung vom 24. Januar 2002 die am 20. Oktober 1998 erfolgte erleichterte Einbürgerung für nichtig. Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am 13. August 2002 ab.
C.
Mit Eingabe vom 13. September 2002 führt T.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des EJPD vom 13. August 2002 sowie die Verfügung des BFA vom 24. Januar 2002 seien aufzuheben, und es sei von einer Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung abzusehen. Eventualiter begehrt er Rückweisung an die Vorinstanz zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung.
Eine Vernehmlassung wurde nicht eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 100 Abs. 1 lit. c OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet des Schweizer Bürgerrechts nur ausgeschlossen, wenn es sich um die Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung für die ordentliche Einbürgerung handelt. Daraus folgt umgekehrt, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, wenn es um die erleichterte Einbürgerung geht und damit auch, wenn der Widerruf einer solchen zur Beurteilung steht (BGE 120 Ib 193, nicht publizierte E. 1). Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt die Formvorschriften von Art. 108 Abs. 2 OG und richtet sich gegen einen anfechtbaren Departementsentscheid (Art. 98 lit. b OG). Auf die fristgerecht (Art. 106 Abs. 1 OG) eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten, soweit nicht die Verfügung des BFA angefochten wird. Das Bundesgericht überprüft den Sachverhalt und das Bundesrecht frei (Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 1 OG).
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zur Begründung ihres Entscheids vorwiegend auf die Scheidungsakten abgestellt, welche jedoch nicht berücksichtigt werden könnten. Die Scheidungsklage vom 12. April 1999 sei auf Französisch verfasst worden, er sei aber dieser Sprache nicht mächtig und nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen.
Mit diesen Einwänden kann nur sinngemäss eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV mit Blick auf die Verfahrenssprache gemeint sein. Der Einwand geht in zweifacher Hinsicht fehl. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich aus dem grundrechtlichen Gehörsanspruch keine allgemeine Pflicht der Behörde, sich in der Sprache des Betroffenen an diesen zu wenden, wenn er die Amtssprache nicht beherrscht (BGE 115 Ia 64 E. 6b; vgl. zum Ganzen Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 342 ff.). Dass das Französische keine Amtssprache sei, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht nicht (vgl. Art. 116 Abs. 2 BV). Im Übrigen erweist sich der Einwand als haltlos, hat doch der Beschwerdeführer im Scheidungsprotokoll erklärt, er habe den Inhalt der Scheidungsklage verstanden.
3.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, gestützt auf Erklärungen seiner geschiedenen Schweizer Ehefrau und anderer Personen hätte die Vorinstanz schliessen müssen, dass seine Ehe im Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung intakt gewesen sei.
3.1 Das EJPD führt dazu aus, es gehe nicht an, je nach dem Zweck des Verfahrens und im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis unterschiedliche Aussagen zu machen. Unter diesem Blickwinkel besehen erweise sich die erstmals im späteren Verlauf des Nichtigkeitsverfahrens vorgebrachte Version, wonach die Ex-Ehefrau eine Affäre mit einem jüngeren türkischen Mann und deshalb auf Scheidung gedrängt habe, als unbehelflich. Demzufolge komme auch der nachgereichten Bestätigung der inzwischen geschiedenen Bekannten W.________ kein relevanter Beweiswert zu. Die Stellungnahme der Ex-Ehefrau vom 30. Mai 2001 enthalte ihrerseits nichts Neues. Die darin erwähnten kulturellen Unterschiede sowie die vermuteten Druckversuche seitens der Familie des Beschwerdeführers seien allesamt Aspekte, welche an den Ereignissen, sowie sie aus den Scheidungsakten hervorgingen, nichts zu ändern vermöchten.
3.2 Die Verwaltungsbehörde darf eine Tatsache erst als bewiesen annehmen, wenn der volle Beweis erbracht ist. Dies ist der Fall, wenn sie von deren Vorhandensein derart überzeugt ist, dass das Gegenteil als unwahrscheinlich erscheint (Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998 S. 105 Rz 289). Aus den Scheidungsakten kann entnommen werden, dass R.________ die von ihrem Anwalt in der Klageschrift wiedergegebene Sachdarstellung mit ihrer Unterschrift bestätigt hat. Ihre erste anders lautende Erklärung erfolgte gut zwei Jahre nach der Scheidung vom 23. Juli 1999. Es ist deshalb verständlich, dass das EJPD die während des Scheidungsverfahrens gemachte Aussage als glaubwürdiger angesehen hat; und das gilt noch viel mehr für ihre der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigelegte Aussage vom 11. September 2002. Daran vermag auch die schriftliche Stellungnahme des Anwalts von R.________ vom 21. März 2000, wonach die Zerrüttung erst Ende 1998 bzw. anfangs 1999 eingetreten sei, nichts zu ändern. Unzulässig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf Bestätigungen von Bekannten des Beschwerdeführers, welche in der Verwaltungsbeschwerde vom 25. Januar 2002 aufgeführt worden seien, denn die Begründung muss in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde selbst enthalten sein (Art. 108 Abs. 2 OG; BGE 123 V 335 E. 1a und b S. 336/337, mit Hinweisen).
3.3 Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung sei im Vergleich mit andern vom Bundesgericht beurteilten Fällen besonders streng, da er nach der Scheidung mit seiner Schweizer Gattin nicht seine erste, türkische Ehefrau wieder geheiratet (BGE 128 II 97) und auch keine parallele Ehe nach muslimischen Recht in seinem Heimatland geführt habe (Urteil 5A.3/2002). Der Einwand geht fehl.
Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, aus den Scheidungsakten ergebe sich, dass die Verpflichtungen der Ehegatten zur Hauptsache von der Ex-Ehefrau wahrgenommen worden seien. Der Beitrag des Beschwerdeführers sei tendenziell gering gewesen. Auch habe er wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner Ehefrau genommen, habe sich diese doch beklagt, dass sie die Gäste ihres Ehemannes zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten habe bewirten müssen. Diese Umstände hätten bereits 1997 zu grösseren ehelichen Schwierigkeiten geführt. Hinzu komme, dass die Streitkultur des Beschwerdeführers offenbar einiges zu wünschen übrig gelassen bzw. dass er seine Ex-Ehefrau verschiedentlich bedroht gehabt habe. Im Jahre 1998 habe sich die Beziehung der Ex-Ehegatten weiter verschlechtert. Davon zeuge einerseits der sechswöchige Ferienaufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei, andererseits aber auch die Aussage der Ex-Ehefrau, der Beschwerdeführer habe ihr gegenüber keine (positiven) Gefühle mehr an den Tag gelegt, worunter sie sehr gelitten habe. Ende September 1998 habe sie den Rechtsvertreter im späteren Scheidungsverfahren aufgesucht, und Ende 1998, also knapp zwei Monate nach der erleichterten Einbürgerung, habe der Beschwerdeführer seiner Ex-Ehefrau eröffnet, dass er sie nicht mehr liebe und sich nunmehr von ihr scheiden lassen wolle.
Nach dem bisher Dargelegten (E. 3.2 hiervor) hat der Beschwerdeführer diese Tatsachen nicht in Frage stellen können. Er wäre deshalb gehalten gewesen, die Einbürgerungsbehörde im Herbst 1998 über die in der Ehe aufgetretenen Schwierigkeiten im Sinne von Art. 41 Abs. 1 BüG zu informieren (vgl. BGE 120 Ib 193 E. 4 S. 198; Urteil 5A.4/2002 des Bundesgerichts vom 26. März 2002 E. 3b S. 7). Die Vorinstanz hat somit weder Art. 27 Abs. 1 noch Art. 41 BüG verletzt, noch ihr Ermessen missbraucht oder überschritten, wenn sie die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung bestätigt hat.
4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde muss nach dem Ausgeführten abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. November 2002
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: