Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 294/01
Urteil vom 13. Februar 2003
IV. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Hadorn
Parteien
J.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Maron, Möhrlistrasse 55, 8006 Zürich,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 29. Juni 2001)
Sachverhalt:
A.
Der 1954 geborene J.________ war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert, als er am 15. September 1998 einen Arbeitsunfall erlitt. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 4. Januar 2000 stellte sie die Heilbehandlung und die Taggeldzahlungen ein und lehnte die Gewährung von Rente und Integritätsentschädigung ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. März 2000 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Juni 2001 ab.
C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die SUVA sei zu den gesetzlichen Leistungen zu verpflichten. Zudem habe sie die Kosten für die Abklärungen in der Klinik X.________ bei Dr. S.________ und Dr. T.________ zu übernehmen. Ferner ersucht J.________ um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die als Mitinteressierte beigeladene SWICA, Krankenkasse von J.________, und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Stellungnahme.
D.
Es wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt. Dabei hielten die Parteien an ihren Rechtsbegehren fest.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat zutreffend erwogen, dass die Leistungspflicht der Unfallversicherung nur gegeben ist, wenn zwischen dem Unfallereignis und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht. Richtig dargelegt ist auch die Rechtsprechung zur Einteilung der Unfälle in leichte, mittelschwere und schwere Ereignisse und zu den für den adäquaten Kausalzusammenhang massgebenden Kriterien von psychischen Leiden bei mittelschweren Unfällen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa+bb). Darauf wird verwiesen.
2.
2.1 SUVA und Vorinstanz kamen zum Schluss, dass spätestens Ende 1999 der status quo sine mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erreicht worden sei und die weiterhin geklagten Rückenschmerzen nicht mehr als unfallkausal bezeichnet werden könnten. Dieses Ergebnis ist, gestützt auf die bis zum Datum des Einspracheentscheides verfügbar gewesenen Akten, nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer kritisiert denn auch einzig, dass SUVA und Vorinstanz zu Unrecht darauf verzichtet hätten abzuklären, ob eine Epiduroskopie angezeigt sei, und bejahendenfalls diese Massnahme durchzuführen. Dazu reicht er neue medizinische Unterlagen ein.
2.2 Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, befürwortet im Bericht vom 19. September 2000 die Vornahme einer Epiduroskopie, schränkt aber ein, die Indikation einer solchen im Einzelfall müsse den auf diesem Gebiet erfahrenen Spezialisten überlassen werden. Laut Bericht von Dr. med. T.________ von der Abteilung für Wirbelsäulenmedizin und Schmerztherapie an der Klinik Y.________ vom 23. August 2001 müsse die Option einer diagnostischen selektiven epiduralen Anästhesie im Bereich L4/L5 und L5/S1 und einer diagnostischen Infiltration der Fazettengelenke L4/L5 und L5/S1 beidseits in Betracht gezogen werden. Die Klinik X.________ führt im Bericht vom 31. August 2001 aus, trotz wenig eindrücklicher radiologischer Befunde scheine es sich vorliegend weitgehend um mechanisch bedingte Schmerzen zu handeln. Zur sauberen Lokalisation der Schmerzgenese, insbesondere um eine coxogene von einer spondylogenen Ursache zu differenzieren, wird eine Etagendiagnostik mit lumbaler Fazetteninfiltration, selektiven Nervenwurzelblockaden bis zur diagnostischen Einlage eines Periduralkatheters mit Epidurographie empfohlen.
2.3 Hiegegen wendet SUVA-Arzt Dr. med. K.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, im Bericht vom 3. Oktober 2001 unter zahlreichen Hinweisen auf die medizinische Fachliteratur ein, Blutungen (Hämatome), postoperative Verwachsungen, Abszesse oder Ansammlung von Fettgewebe seien mittels CT oder MRI problemlos identifizierbar, worauf viele Autoren hingewiesen hätten. Epiduralhämatome entständen nur in weniger als 2 % der Fälle von traumatischen Wirbelsäulenläsionen, dagegen viel häufiger ohne Unfallanamnese. Oft bleibe keine residuelle Vernarbung zurück. Bei Hämatomen träten als charakteristische Symptome plötzliche und schnell zunehmende heftige Schmerzen im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt, lästige Parästhesien, Zeichen der Markkompression, Ausfälle der Sensibilität und fortschreitende Lähmungen entsprechend der Läsionshöhe, ferner Blasen- und Mastdarmstörungen auf. Dies alles sei beim Beschwerdeführer nicht der Fall gewesen. Die Erfahrungen mit der Epiduroskopie seien begrenzt und würden in den gängigen Lehrbüchern nicht diskutiert. Soweit bekannt, sei diese Methode noch nie zur Abklärung eines chronifizierten Rückenschmerzes angewendet worden. Die Hypothese einer posttraumatischen Vernarbung im Spinalkanal lasse sich nicht aufrecht erhalten. Auch die Indikation zur diagnostischen Infiltration der Sakroiliakalgelenke sei fraglich, da eine Funktionsstörung dieser Gelenke laut Bericht der Klinik F.________ vom 4. Juni 1999 ausgeschlossen worden sei und das Sakroiliakalgelenk-(SIG)-Syndrom nicht von allen Ärzten einhellig anerkannt werde. Die Aussagekraft der für die Diagnose eines SIG-Syndroms entwickelten Tests werde ausgesprochen divergierend beurteilt. Nicht eindeutig beantwortet sei ferner die Frage, ob ein Trauma ein SIG-Syndrom verursachen könne. In den wenigen bekannten Fällen von Operationen eines therapieresistenten schmerzhaften SIG seien die Ergebnisse "katastrophal" gewesen. Sollten die Ärzte der Klinik X.________ an ein so genanntes Fazettensyndrom gedacht haben, sei darauf hinzuweisen, dass auch diese Diagnose in der medizinischen Literatur eine Kontroverse auslöse. Sodann sei ein Epidurogramm zur Abklärung einer chronischen Lumbalgie sinnlos, vor allem wenn ein MRI der Lendenwirbelsäule bereits gezeigt habe, dass keine Vernarbungen vorlägen. Zusammenfassend lasse sich keine der von der Klinik X.________ empfohlenen Abklärungsmassnahmen als sinnvoll und indiziert bezeichnen.
Heute werde davon ausgegangen, dass sich die chronische Lumbalgie nicht auf Grund einer unvollständigen Gewebsheilung erklären lasse, sondern eine ungünstige psychosoziale Konstellation sie unterhalte. Dabei löse sich die Chronifizierung "von der initialen Verletzung derart los", dass sie als "eigenständiges Krankheitsbild zu gelten" habe, wobei "das ursprünglich erlittene Verletzungsmuster für das Ausmass der Behinderung bedeutungslos" werde (Literaturzitate).
2.4 Im Nachgang zu diesem Bericht von Dr. K.________ liess der Beschwerdeführer eine Stellungnahme der Klinik X.________ vom 19. November 2001 einreichen, worin dem SUVA-Arzt im Wesentlichen mangelnde Sachkompetenz in Bezug auf die streitige medizinische Problematik vorgeworfen wird. Dazu nahm Dr. K.________ im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels mit einem ergänzenden Bericht vom 20. August 2002 Stellung, worin er mit weiteren Zitaten aus der Fachliteratur seine bisherige Position untermauerte. In einem kurzen Schreiben vom 19. September 2002 führte die Klinik X.________ hiezu aus, theoretische Überlegungen hätten wohl ihren Stellenwert, "doch Empirie und Erfahrung dürften diese aus Patientensicht wohl überstrahlen!"
2.5
2.5.1 Auf Grund der von den Parteien angeführten medizinischen Literatur ist davon auszugehen, dass die von der Klinik X.________ vorgeschlagenen Massnahmen medizinisch-wissenschaftlich kontrovers sind. Es ist nicht Sache des Sozialversicherungsgerichts, derartige Streitigkeiten zu klären; seine Aufgabe beschränkt sich darauf, die Unfallkausalität aufgrund der im konkreten Fall bestehenden Verhältnisse und unter Berücksichtigung der jeweils herrschenden medizinischen Lehrmeinung zu beurteilen (SZIER 2001 S. 346).
2.5.2 Angesichts der von Dr. K.________ zitierten Literatur und der Stellungnahme der Klinik X.________ lässt sich nicht sagen, die von der Klinik vorgeschlagenen Massnahmen seien medizinisch allgemein anerkannt. Aus den vom SUVA-Arzt detailliert und differenziert dargelegten Gründen ist überdies zweifelhaft, ob sich damit die natürliche Unfallkausalität der heute geklagten Rückenschmerzen mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen liesse. Auch wenn Dr. med. O.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, in seinem Bericht vom 29. Januar 2001 keine psychische Störung mit Krankheitswert diagnostizieren konnte, bestehen in den medizinischen Akten viele Anhaltspunkte dafür, dass beim Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auch psychische Komponenten mitwirken. Die von Dr. K.________ als herrschende Lehrmeinung dargelegte Erklärung, wonach eine ungünstige psychosoziale Konstellation die Rückenschmerzen des Versicherten unterhalte, vermag daher angesichts der gesamten Umstände des vorliegenden Falles zu überzeugen. Demzufolge hat die SUVA keine weiteren Abklärungen anzuordnen und die Kosten der vom Versicherten auf eigene Initiative durchgeführten Untersuchungen nicht zu übernehmen.
2.5.3 Wohl hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil F. vom 14. Juli 2000 (I 53/00) gesagt, die Ärzte der Klinik X.________ hätten mit der Epiduroskopie wesentlich genauere Untersuchungsmethoden verwendet. Dies vermag am soeben gewonnenen Ergebnis im vorliegenden Fall jedoch nichts zu ändern. Das Urteil F. setzte sich nämlich nicht näher mit der wissenschaftlichen Umstrittenheit der Epiduroskopie auseinander, insbesondere nicht mit deren Tauglichkeit zum Nachweis der Unfallkausalität eines Rückenleidens. Es ging vielmehr um einen Fall der Invalidenversicherung, welche gesundheitliche Beeinträchtigungen im Gegensatz zur Unfallversicherung unabhängig von ihren Ursachen zu berücksichtigen hat. Aus dem in jenem Urteil Gesagten kann der Beschwerdeführer daher für die vorliegend streitige Frage der Unfallkausalität seiner gegenwärtigen Leiden nichts zu seinen Gunsten ableiten.
3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet, der Gesuchsteller bedürftig und die anwaltliche Vertretung geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4b). Vorliegend bedarf die Bedürftigkeit einer näheren Prüfung. Der Beschwerdeführer gibt an, im Monat zusammen mit dem Verdienst der Ehefrau Einkünfte von Fr. 5542.- zu verzeichnen, denen er einen Bedarf von Fr. 5175.- gegenüber stellt. Dies ergibt bereits einen monatlichen Einnahmenüberschuss von Fr. 367.-. Überdies sind die zwei Beträge von je Fr. 200.- für die Telefonrechnungen bzw. die Unterstützung für die Mutter des Beschwerdeführers nicht belegt. Zumindest beim zweiten Posten ist fraglich, ob er für den Notbedarf berücksichtigt werden kann. Ferner ergibt sich aus der Steuererklärung, dass ein Vermögen von Fr. 21'000.- vorhanden ist. Unter solchen Umständen ist die Bedürftigkeit nicht ausgewiesen, hat doch das Eidgenössische Versicherungsgericht schon bei einem Einnahmenüberschuss von Fr. 272.- die Abweisung eines kantonalen Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung als Rechtens bezeichnet (RKUV 2000 KV Nr. 119 S. 157 Erw. 3 in fine).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der SWICA Gesundheitsorganisation, Winterthur, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 13. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: