Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.42/2003 /bnm
Urteil vom 24. Februar 2003
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
A.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Tim Walker, Hinterdorf 27, 9043 Trogen,
gegen
B.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Bischofberger, Mellingerstrasse 6, Postfach 2028,
5402 Baden,
Obergericht von Appenzell A.Rh., Justizaufsichts-
kommission, Postfach, 9043 Trogen.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts von Appenzell A.Rh., Justizaufsichtskommission, vom 14. November 2002.
Sachverhalt:
A.
Der Kantonsgerichts-Präsident von Appenzell A.Rh. wies für die Dauer des von B.________ am 2. März 2001 anhängig gemachten Scheidungsverfahrens das Gesuch von A.________ um einen Unterhaltsbeitrag mit Entscheid vom 29. Mai 2002 ab. Das Obergericht von Appenzell A.Rh. wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde am 14. November 2002 ab.
B.
A.________ hat gegen den Entscheid des Obergerichts mit Eingabe vom 27. Januar 2003 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie beantragt im Wesentlichen, den obergerichtlichen Entscheid und denjenigen des Kantonsgerichtspräsidiums aufzuheben und den Kantonsgerichts-Präsidenten anzuweisen, angemessene Unterhaltsbeiträge festzulegen. Ferner stellt sie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden, womit sich ein zweiter Schriftenwechsel erübrigt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der im vorsorglichen Massnahmeverfahren ergangene Entscheid der oberen kantonalen Instanz gilt nicht als Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG und ist daher nicht mit Berufung anfechtbar. Hingegen ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte in einem solchen Falle gegeben (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; BGE 126 III 261 E. 1).
2.
Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, bei denen die verfassungsmässige Ordnung nicht schon durch Aufhebung des angefochtenen Entscheids oder Erlasses wiederhergestellt werden kann, ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a S. 332; 118 Ia 64 E. 1e, je mit Hinweisen). Der Antrag, angemessene Unterhaltsbeiträge festzusetzen, ist unzulässig.
3.
3.1 Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat sich der Beschwerdeführer mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinander zu setzen und im Einzelnen darzustellen, worin die Verletzung der angerufenen Verfassungsrechte bestehen soll. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und einlässlich erhobene Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 127 III 279 E. 1c S. 282; 125 I 492 E. 1b S. 495, je mit Hinweisen). Rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV), so reicht es - anders als bei einem appellatorischen Rechtsmittel - nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen darzustellen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11/12). Diese Anforderungen an die Begründungspflicht gelten auch für Rügen mit Bezug auf die Verweigerung des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV.
Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5; 128 I 275 E. 2.1).
3.2 Diesem Begründungsgebot genügen zum Vornherein die folgenden Vorwürfe nicht:
3.2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid sei ungenügend begründet (siehe dazu: BGE 126 I 97 E. 2b; 112 Ia 109 E. 2b, mit Hinweisen; vgl. auch BGE 114 Ia 233 E. 2d S. 242). Weshalb dem so sein sollte, wird nicht substantiiert und trifft überdies auch nicht zu. Darauf ist nicht einzutreten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Obergericht hinsichtlich des Kernpunktes des Rechtsmittelverfahrens - rechtsmissbräuchliches Begehren um Unterhaltsbeiträge (vgl. E. 5.2 hiernach) - ausführt, die Beschwerdeführerin setze sich mit dem Entscheid des Kantonsgerichts-Präsidenten nicht auseinander. Dass dieser Vorwurf unberechtigt war, wird von der Beschwerdeführerin nicht erörtert.
3.2.2 Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei verletzt worden, weil das Obergericht von ihr beantragte Beweise nicht abgenommen habe. Welche Beweise angeboten wurden, wird überhaupt nicht näher dargelegt. Unter Berufung auf dieselbe Konventionsnorm bemängelt die Beschwerdeführerin, es habe keine öffentliche Verhandlung stattgefunden, ohne jedoch anzuführen, dass bzw. wann eine solche verlangt worden ist, weshalb auch darauf nicht eingetreten werden kann.
3.2.3 Ebenfalls unzulässig mangels hinreichender Begründung ist der Vorwurf, die Auffassung des Obergerichts sei willkürlich, dass unter dem Titel Rechtsverweigerung Verfassungs- und EMRK-Verletzungen nicht geltend gemacht werden könnten. Das Obergericht führt dazu aus, Beschwerdegründe seien nach Art. 280 Abs. 1 ZPO/AR Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung und Willkür. In Ziff. 10 und 11 der Beschwerdebegründung werde die Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 30 BV und Art. 20 Abs. 4 KV behauptet, ohne indessen darzulegen, inwiefern dadurch einer der in Art. 280 Abs. 1 ZPO/AR genannten Beschwerdegründe erfüllt sein sollte. Inwiefern die zuletzt genannte Bestimmung willkürlich angewendet worden sein soll, wird von der Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht in keiner Weise dargetan.
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin rügt sodann, in der Beschwerdeergänzung vom 29. August 2002 habe sie den ausdrücklichen Zusatzantrag auf einen zweiten Schriftenwechsel nach Zustellung der Beschwerdeantwort gestellt. Da dem nicht stattgegeben worden sei, habe das Obergericht gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK verstossen, worin das Recht auf Replik ausdrücklich gewährleistet werde.
4.2 Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin hat das Obergericht ihr Gesuch nicht einfach übergangen, sondern sie unter Zustellung der Beschwerdeantwort ausdrücklich darüber informiert, dass keine Replik vorgesehen sei. Insoweit erfolgt der Vorwurf wider besseres Wissen. Es fragt sich, ob die Beschwerdeführerin auf das Schreiben des Obergerichts nicht hätte reagieren müssen, immerhin wurde ihr Gesuch klar abgelehnt.
Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 115 Ia 11 E. 2b mit Hinweisen; 116 Ia 99 E. 3b; 118 Ia 17 E. 1c; 127 I 54 E. 2b S. 56). Der gleiche Anspruch ergibt sich auch aus dem in Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantierten Anspruch auf ein faires Verfahren (Urteil 1P.360/2000 vom 3. Oktober 2000 E. 2b).
Die Beschwerdeführerin trägt zur Begründung ihrer Rüge jedoch bloss vor, die Stellungnahme des Gegenanwaltes habe 11 Seiten umfasst und zahlreiche Ausführungen enthalten, auf welche in einem fairen Gerichtsverfahren hätte repliziert werden müssen. Sie führt nun in keiner Weise näher aus, auf welche für den Entscheid erhebliche Vorbringen (vgl. dazu Urteil 5A.18/2001 vom 21. Dezember 2001) sie hätte replizieren wollen, weshalb auf den Vorwurf der Gehörsverweigerung nicht eingetreten werden kann.
5.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht in verschiedener Hinsicht Willkür vor, wobei vorauszuschicken ist, dass sich die Beschwerdeschrift mit der Eingabe ans Obergericht über weite Strecken deckt, eine echte Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid mithin gar nicht vorgenommen wird.
5.1 Insoweit die Beschwerdeführerin sich für die Begründung ihrer Beschwerde mit einem generellen Verweis auf ihre Eingabe im kantonalen Verfahren abstützen will, ist sie nicht zu hören. Denn inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte verletzt, ist in der Beschwerdeschrift selbst darzulegen (BGE 109 Ia 81 E. 1 mit Hinweisen).
5.2 Die Beschwerdeführerin rügt, das Obergericht habe Art. 125 Abs. 2, Art. 137 und namentlich Art. 163 ZGB willkürlich übergangen, indem es ihr im Massnahmeverfahren keinen und auch nicht einen wegen der Straftat reduzierten Unterhaltsbeitrag zugesprochen habe.
Vorab nicht eingetreten werden kann auf den Vorwurf, das Obergericht habe willkürlich die Unterhaltsvereinbarungen nicht berücksichtigt. Im angefochtenen Entscheid wird diesbezüglich ausgeführt, wegen der kassatorischen Natur der Beschwerde könnten neue Vorbringen und Beweismittel nicht gehört werden. Weshalb ein Nichteintreten gleichwohl willkürlich sein soll, wird von der Beschwerdeführerin bloss damit begründet, die Vereinbarungen hätten von Amtes wegen berücksichtigt werden müssen. Diese Begründung genügt den Anforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann (E. 3.1 hiervor).
5.3 Zur Verweigerung der Zusprechung von Unterhaltsbeiträgen verweist das Obergericht auf den Entscheid des Kantonsgerichtspräsidenten, welcher das Begehren als rechtsmissbräuchlich qualifiziert habe, womit sich die Beschwerde nicht auseinandersetze. Es gehe nicht um die Frage, ob die Beschwerdeführerin ein Verschulden treffe oder nicht, sondern darum, dass sie Vorkehren zur Tötung ihres Ehemannes in die Wege geleitet habe; damit habe sie ein Verhalten an den Tag gelegt, das zeige, dass ihr an der ehelichen Beistandspflicht nicht gelegen gewesen sei. Sich nach missglücktem Vorhaben auf eben diese Beistandspflicht zu berufen sei offensichtlicher Rechtsmissbrauch.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen diese Erwägungen sind praktisch eine Wiederholung der kantonalen Beschwerdeergänzung vom 29. August 2002, mit der sogar das Strafurteil in Zweifel gezogen wird und vor Bundesgericht in unzulässiger Weise weitere Beweise beantragt werden (zu Letzterem: BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 124 I 208 E. 4b S. 212). Derartige Vorbringen genügen der gesetzlichen Begründungspflicht in keiner Weise (E. 3.1 hiervor). Das Gleiche gilt auch für die Einwände der Beschwerdeführerin zu den Bemerkungen des Obergerichts betreffend den von ihr angeführten und in der fampra. 4/2002 S. 774 veröffentlichten Entscheid des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft; denn die Stellungnahme der kantonalen Richter zu diesem Präjudiz wird lediglich in appellatorischer Weise als willkürlich kritisiert (E. 3.1 hiervor).
6.
Nach dem Ausgeführten kann auf die staatsrechtliche Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). So wie die Beschwerde begründet worden ist, nämlich nicht rechtsgenüglich und an der Grenze von Mutwilligkeit, hat sie sich von Vornherein als aussichtslos erwiesen. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann somit nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG).
Dem Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt wurde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht von Appenzell A.Rh., Justizaufsichtskommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Februar 2003
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: