Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 17/02
Urteil vom 11. März 2003
III. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Nussbaumer
Parteien
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin,
gegen
G.________, 1955, Beschwerdegegner, vertreten durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
(Entscheid vom 22. November 2001)
Sachverhalt:
A.
G.________ (geboren 1955) meldete sich am 16. Oktober 1997 bei der IV-Stelle Luzern zum Bezug einer Invalidenrente an. Im Abklärungsverfahren holte die IV-Stelle u.a. ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 22. Dezember 1998 ein, wonach der Versicherte ab 28. Oktober 1998 in der bisherigen Tätigkeit wieder zu 80 % arbeitsfähig sei. Mit drei Verfügungen vom 22. Oktober 1999 sprach die IV-Stelle dem Versicherten vom 1. September 1997 bis 31. Januar 1998 eine halbe, vom 1. Februar 1998 bis 31. August 1998 eine ganze und vom 1. September 1998 befristet bis am 31. Januar 1999 wiederum eine ganze Invalidenrente zu.
B.
Hiegegen liess G.________, vertreten durch den Schweizerischen Invalidenverband (nunmehr: Procap) Beschwerde erheben mit dem Antrag, es sei ihm ab 1. September 1997 unbefristet eine ganze Invalidenrente auszurichten. Auf Begehren der IV-Stelle, die eine Nachbegutachtung durch die MEDAS als notwendig erachtete, sistierte das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern das Beschwerdeverfahren. Nach Eingang des Zusatzgutachtens der MEDAS vom 30. Januar 2001 erliess die IV-Stelle am 6. Juli 2001 eine zusätzliche Verfügung, mit der sie dem Versicherten ab 1. Januar 2000 eine ganze Invalidenrente zusprach. Auch hiegegen liess G.________ Beschwerde führen.
Mit Entscheid vom 22. November 2001 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die erste Beschwerde ab, soweit sie nicht durch die Rentenverfügung vom 6. Juli 2001 gegenstandslos geworden ist (Ziff. 1 des Dispositivs). Die zweite Beschwerde wies es ab und verpflichtete die IV-Stelle Luzern in Ziff. 3 des Dispositivs, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1102.45 (Auslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen) auszurichten.
C.
Die IV-Stelle Luzern führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides (Ziff. 1 und 3 des Dispositivs) seien die beiden vorinstanzlichen Beschwerden vollumfänglich und vorbehaltlos abzuweisen mit der Feststellung, dass sie nicht zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet sei.
G.________ und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen einen Entscheid, mit welchem das erstinstanzliche Gericht auf dem Gebiet der AHV/IV eine Parteientschädigung festgesetzt hat, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig (BGE 114 V 85 Erw. 1 mit Hinweisen).
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdegegners auf Parteientschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren. Da es dabei nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
3.
Gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG (jeweils hier anwendbare, bis zum 31. Dezember 2002 [In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG, am 1. Januar 2003] gültig gewesene Bestimmungen; BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b sowie zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil T. vom 23. Januar 2003, H 255/02) hat der obsiegende Beschwerdeführer Anspruch auf Ersatz der Kosten der Prozessführung und Vertretung vor der kantonalen Rekursbehörde nach gerichtlicher Festsetzung. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Parteientschädigung besteht, beurteilt sich somit nach Bundesrecht. Obsiegen im Sinne von Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG liegt vor, wenn das Gericht die angefochtene Verfügung aufhebt und einen für die Beschwerde führende Person günstigeren Entscheid trifft oder die Sache allenfalls zum Erlass einer neuen Verfügung zurückweist (BGE 110 V 57 mit Hinweisen; ZAK 1987 S. 266; SVR 1995 IV Nr. 51 S. 143 Erw. 3a; vgl. auch BGE 117 V 407 Erw. 2c). Dieses in Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG und in der Verwaltungsrechtspflege allgemein zur Anwendung gelangende Unterliegerprinzip (Bernet, Die Parteientschädigung in der Schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1986, S. 134 f.) kommt auch bei Eintritt von Gegenstandslosigkeit zum Tragen, wenn es die Prozessaussichten rechtfertigen. Massgeblich sind die Prozessaussichten, wie sie sich vor Eintritt der Gegenstandslosigkeit darboten (RKUV 2001 Nr. U 411 S. 77 Erw. 4a mit Hinweis auf BGE 110 V 57, 109 V 71, 106 V 124).
4.
Das kantonale Gericht ging in Würdigung der Akten davon aus, dass dem Beschwerdegegner - wie am 22. Oktober 1999 durch die Beschwerdeführerin verfügt - vom 1. September 1997 bis 31. Januar 1998 eine halbe und vom 1. Februar 1998 bis 31. Januar 1999 eine ganze Invalidenrente zustehe. Keinen Rentenanspruch besitze er vom 1. Februar 1999 bis 31. Dezember 1999. Mit Verfügung vom 6. Juli 2001 werde ihm ab 1. Januar 2000 wiederum eine ganze unbefristete Invalidenrente zugesprochen, was einem teilweisen Obsiegen in der ersten Verwaltungsgerichtsbeschwerde gleichkomme.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt das Sozialversicherungsgericht die Gesetzmässigkeit der angefochtenen Verfügungen in der Regel nach dem Sachverhalt, der zur Zeit des Verfügungserlasses (hier 22. Oktober 1999) gegeben war (BGE 127 V 13 Erw. 4a, 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). Tatsachen, die jenen Sachverhalt seither verändert haben, sollen im Normalfall Gegenstand einer neuen Verwaltungsverfügung sein (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis). Das kantonale Gericht hat im Entscheid vom 22. November 2001 sowohl die drei mit der ersten Beschwerde angefochtenen Verfügungen vom 22. Oktober 1999 wie auch die lite pendente ergangene Rentenverfügung vom 6. Juli 2001 bestätigt und insbesondere festgehalten, dass dem Beschwerdegegner in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1999 keine Invalidenrente zusteht. Die geltend gemachte gesundheitliche Verschlechterung, welche durch das Zusatzgutachten der MEDAS vom 30. Januar 2001 für die Zeit ab 1. Januar 2000 erstellt ist, führte gestützt auf Art. 29bis IVV ohne Abwarten einer neuen Wartezeit zu einem Rentenanspruch ab 1. Januar 2000, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer zweiten Rentenverfügung vom 6. Juli 2001 bestimmt hat. Diese Verschlechterung ist damit nach Erlass der ersten drei Verfügungen vom 22. Oktober 1999 eingetreten und hätte anstatt mit Beschwerde gegen die ersten Verfügungen mit einem Gesuch um Rentenrevision gemäss Art. 87 Abs. 1 IVV geltend gemacht werden müssen. Daran ändert nichts, dass sich das Wiederaufleben des Rentenanspruchs per 1. Januar 2000 bei Gelegenheit des Beschwerdeverfahrens gegen die ersten drei Verfügungen ergeben hat. Mit der zweiten Verfügung vom 6. Juli 2001 wurden denn auch die drei Verfügungen vom 22. Oktober 1999 nicht in Wiedererwägung gezogen (vgl. auch ZAK 1989 S. 310 Erw. 2). Der Beschwerdegegner ist demzufolge im erstinstanzlichen Verfahren mit beiden Beschwerden vollumfänglich unterlegen. Zu Unrecht spricht daher das kantonale Gericht in diesem Zusammenhang von Gegenstandslosigkeit. Es besteht indessen kein Anlass, Ziff. 1 des vorinstanzlichen Dispositivs zu ändern, da die Aufhebung von Ziff. 3 des Dispositivs genügt.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig, weil es um den Anspruch auf Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren und damit um eine prozessuale Frage ging (Art. 134 OG e contrario).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Ziff. 3 des Dispositivs des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 22. November 2001 aufgehoben mit der Feststellung, dass der Beschwerdegegner für das erstinstanzliche Verfahren keinen Anspruch auf Parteientschädigung hat.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse EXFOUR und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 11. März 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: