Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.37/2003 /zga
Urteil vom 15. April 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli.
Gerichtsschreiber Küng.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Philipp Gressly, Postfach, 4502 Solothurn,
gegen
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Postfach 116, 4501 Solothurn,
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Amthaus I, 4502 Solothurn.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. Januar 2003.
Sachverhalt:
A.
Mit Gesuch vom 13. August 2002 beantragte X.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn Beiträge zur Verbilligung der Prämien der obligatorischen Krankenversicherung für das Jahr 2001. Die Ausgleichskasse trat mit Verfügung vom 31. Oktober 2002 auf das Gesuch nicht ein, weil dieses nicht innert der vorgeschriebenen Frist eingereicht worden sei.
Die von X.________ dagegen gerichtete Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 15. Januar 2003 ab.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 14. Februar 2003 beantragt X.________ dem Bundesgericht, die Verfügung der Ausgleichskasse und das Urteil des Versicherungsgericht aufzuheben. Die Akten seien an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit diese über die Prämienverbilligung materiell entscheide.
Die Ausgleichskasse und das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Kantone gewähren den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Beiträge zur Verbilligung der Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 65 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [KVG; SR 832.10]). Sie erlassen die entsprechenden Ausführungsbestimmungen (Art. 97 Abs. 1 KVG). In der Ausgestaltung der Prämienverbilligung (Kreis der Begünstigten, Verfahren, Auszahlungsmodus etc.) geniessen sie nach dem Willen des Gesetzgebers eine erhebliche Freiheit (Urteil 2P.118/1999 vom 8. Oktober 1999 E. 2a; BGE 124 V 19 E. 2a); sie haben somit nicht nur bezüglich der materiellrechtlichen Anspruchsberechtigung, sondern auch hinsichtlich des Verfahrens einen erheblichen Gestaltungsspielraum (Urteil 2P.196/1996 vom 26. Mai 1997 E. 2a).
1.2 Für den Kanton Solothurn hat der Kantonsrat die entsprechenden Bestimmungen mit der Verordnung vom 3. April 1996 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (VO KVG/SO) erlassen. Diese ermächtigt den Regierungsrat insbesondere, das Anmeldeverfahren zu regeln und die Anmeldeverwirkungsfristen sowie weitere Verfahrensfristen festzusetzen (§ 25 lit.a). Gestützt darauf hat der Regierungsrat des Kantons Solothurn die Verordnung über die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung vom 1. September 1997 (VO PV/SO) erlassen, auf deren § 11 Abs. 3 sich der angefochtene Entscheid stützt.
1.3 Das kantonale Recht, welches in Ausführung von Art. 65 KVG die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung regelt, ist autonomes kantonales Recht. Werden daher durch letztinstanzliche kantonale Entscheide im Bereich der Prämienverbilligung Bestimmungen des Bundesrechts oder verfassungsmässige Rechte verletzt, so kann dies einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (BGE 124 V 19 E. 2a).
1.4 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4 S. 332 ff., mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher insoweit nicht einzutreten, als mehr als die Aufhebung des Entscheides des kantonalen Versicherungsgerichts verlangt wird.
1.5 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Verbotes des überspitzten Formalismus (Art. 8 BV), des Willkürverbotes und des Prinzips von Treu und Glauben (Art. 9 BV).
2.
2.1 Ansprüche auf Prämienverbilligung sind im Kanton Solothurn mit einem Antragsformular geltend zu machen (§ 10 und 11 VO PV/SO). Dieses ist gemäss § 11 Abs. 3 VO PV/SO innert 30 Tagen seit Zustellung unterzeichnet als Antrag der kantonalen Ausgleichskasse einzureichen. Bei Fristversäumnis verwirkt der Anspruch auf Prämienverbilligung.
2.2 Diese Bestimmung wird vom Beschwerdeführer - insbesondere unter Berücksichtigung des den Kantonen auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit und des Willkürverbotes zugebilligten weiten Spielraumes der Gestaltungsfreiheit (Urteil 2P.79/1998 vom 10. Mai 1999 E. 3d) zu Recht - nicht beanstandet. Das Bundesgericht hat denn auch schon in anderen Fällen eine kantonale Regelung, die für die Ausrichtung der Verbilligungsbeiträge das Antragsprinzip vorsieht, als nicht verfassungswidrig erachtet (Urteil 2P.196/1996 vom 26. Mai 1997 E. 2 betreffend den Kanton Aargau, in welchem die Verbilligung zudem mit Formular geltend zu machen ist [vgl. § 14 Abs. 3 EG KVG/AG] ). Dass das Gesuch um Prämienverbilligung auf einem speziellen Antragsformular erfolgen muss, kann verfassungsrechtlich ebenfalls nicht beanstandet werden (vgl. Urteil 2P.118/1999 vom 8. Oktober 1999 E. 3d betreffend den Kanton Schaffhausen, welcher für die Anmeldung des Anspruches ein Anmeldeformular vorschreibt [§ 14 KVD/SH und § 11 KVV/SH]; vgl. auch Urteil 2A.167/1998 vom 18. November 1998 E. 2 und 4, betreffend den Kanton Graubünden, der ebenfalls die Verwendung eines Antragsformulars verlangt [Art. 8 ABzKPVG/GR]). Die zwingende Verwendung von Formularen gewährleistet insbesondere, dass die Gesuche sämtliche gemäss § 11 Abs. 1 und 2 VO PV/SO erforderlichen Angaben vollständig enthalten und damit auch innert angemessener Frist nach den selben (objektiven) Kriterien beurteilt werden können. Sie dient somit der Rechtsgleichheit und -sicherheit und lässt sich mit sachlichen Gründen rechtfertigen.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des Willkürverbotes im Sinne von Art. 9 BV. Diese erblickt er darin, dass das Versicherungsgericht nicht erwähnt habe, dass er bereits am 25. April und erneut am 4. Juni 2002 bei der Ausgleichskasse ein Antragsformular für das Jahr 2001 verlangt habe. Erst am 12. Juni 2002 sei ihm zwar ein Antragsformular, fälschlicherweise aber eines für das Jahr 2002, zugestellt worden. Die Nichterwähnung dieser Umstände sei eine unvollständige Tatsachenfeststellung und zugleich eine willkürliche Beweiswürdigung.
3.2 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 127 I 60 E. 5a S. 70 mit Hinweisen). Willkür in der Tatsachenfeststellung ist nicht nur gegeben, wenn entscheiderhebliche tatsächliche Feststellungen offensichtlich falsch sind. Ebenso unhaltbar ist es, wenn eine Behörde Sachverhaltselementen Rechnung trägt, die keinerlei Bedeutung haben, oder entscheidende Tatsachen ausser Acht lässt (BGE 100 Ia 305 E. 3b S. 307).
3.3 Die Rüge ist unbegründet, denn die vom Beschwerdeführer angeführten Tatsachen sind im vorliegenden Fall - wie nachstehend aufgezeigt wird - nicht entscheidend.
3.4 Der Beschwerdeführer rügt zudem eine Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben, indem er die Konsequenzen der verzögerten Zustellung des Formulars durch die Ausgleichskasse tragen müsse. Der Vertrauensgrundsatz gebiete, die Zustellung wenigstens nicht dann vorzunehmen, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung zahlreiche Familien in den Ferien weilen.
Der Beschwerdeführer war im kantonalen Verfahren betreffend die Prämienverbilligung für das Jahr 2001 durch einen von ihm dazu bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten. Dieser Vertreter verlangte am 25. April 2002 bei der Ausgleichskasse, es sei ihm zu Handen des Beschwerdeführers ein neues Formular für das Jahr 2001 zuzustellen, damit dieser die Prämienverbilligung geltend machen könne. Die Vollmacht war diesem Schreiben beigelegt. Der Beschwerdeführer musste sich damit das Verhalten seines Vertreters wie sein eigenes anrechnen lassen (BGE 114 Ib 67 E. 2 und 3). Der Rechtsvertreter ersuchte mit einem weiteren Schreiben vom 4. Juni 2002 erneut um Zustellung des Formulars. Am 8. Juli 2002 sandte die Ausgleichskasse dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers - nachdem diesem am 12. Juni 2002 zunächst nur ein Formular für das Jahr 2002 zugestellt worden war, welches er am 4. Juli 2002 (offensichtlich ausgefüllt durch den Beschwerdeführer) der Ausgleichskasse zurückschickte - auch noch das Formular für das Jahr 2001 mit dem Ersuchen, dieses zurückzusenden. Das Formular, auf welchem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, es sei innert 30 Tagen der Ausgleichskasse zuzustellen, ging dem Vertreter am 9. Juli 2002 zu, was nicht bestritten ist. Am 24. Juli 2002 teilte er der Ausgleichskasse mit, er habe das Formular 2001 an den Beschwerdeführer weitergeleitet. Dieser sei "momentan - höchstwahrscheinlich aufgrund von Ferienabwesenheit - nicht erreichbar", was man der guten Ordnung halber und auch zur Fristwahrung mitteilen wolle. Er gehe davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Formular für das Jahr 2001 nicht anderes ausfallen würden als im Formular für das Jahr 2002. Der Beschwerdeführer übergab das ausgefüllte Antragsformular erst am 13. August 2002 - und damit nach Ablauf der dreissigtägigen Frist - der Post; dies ist unbestritten. Dass in dem hier in Frage stehenden verwaltungsinternen Verfahren gemäss solothurnischer Gesetzgebung für die Ferienzeit kein Fristenstillstand gilt, hat das Versicherungsgericht zu Recht festgestellt (vgl. dazu Urteil 2P.28/2003 vom 7. Februar 2003 E. 3.2).
Da der Beschwerdeführer somit für das ganze kantonale Verfahren betreffend die Prämienverbilligung für das Jahr 2001 anwaltlich vertreten war, war die Ausgleichskasse verpflichtet, sämtliche Zustellungen an diesen vorzunehmen (vgl. auch Art. 11 Abs. 3 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren; VwVG, SR 172.021). Insbesondere brauchte die Ausgleichskasse aber in Folge dieser anwaltlichen Vertretung des Beschwerdeführers auf dessen allfällige Ferienabwesenheiten keine Rücksicht zu nehmen. Sie konnte vielmehr ohne weiteres davon ausgehen, dass der rechtskundige Vertreter die Verwirkungsfrist von 30 Tagen für die Einreichung des Formulars beachten würde.
Sogar aus dem Formular selber ergibt sich, dass dieses auch durch einen Vertreter unterzeichnet werden kann. Sollte der Vertreter tatsächlich nicht über alle erforderlichen Angaben des Beschwerdeführers verfügt haben, so hätte er, da dieser nicht erreichbar war, als dessen Bevollmächtigter das Antragsformular mit den ihm bekannten Angaben - allenfalls unvollständig, aber fristgerecht - einreichen können. In diesem Fall wäre die Ausgleichskasse in sinngemässer Anwendung von § 33 Abs. 2 des solothurnischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 15. November 1970 (Verwaltungsrechtspflegegesetz) gehalten gewesen, ihm nach der Rückkehr des Beschwerdeführers aus den Ferien Gelegenheit einzuräumen, die allenfalls fehlenden Angaben noch zu ergänzen (vgl. dazu auch BGE 120 V 413). Das Versicherungsgericht hat dazu denn auch festgehalten, selbst ein unvollständiger Antrag hätte nach seiner Rechtsprechung genügt, um die Frist zu wahren; dem Beschwerdeführer wäre diesfalls eine Nachfrist zur Ergänzung des Antrages gewährt worden.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die fristgerechte Rücksendung des Formulars sei durch die verzögerte Zustellung des richtigen Formulars nicht möglich gewesen, erweist sich unter diesen Umständen als verfehlt.
3.5 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, es stelle eine Verletzung des Verbotes des überspitzten Formalismus dar, das Schreiben seines Vertreters vom 24. Juli 2002 nicht als rechtsgenügenden Antrag anzusehen. Dies bedeute eine unzulässige Erschwerung des Rechtsweges.
Auch diese Rüge ist unbegründet. Es ist kein überspitzter Formalismus, für die Anträge auf Prämienverbilligung zu verlangen, dass diese ausschliesslich auf dem dafür vorgesehenen amtlichen Formular eingereicht werden. Darin liegt jedenfalls keine übertriebene Handhabung von formellen Vorschriften. Auch werden damit keine übertriebenen Anforderungen gestellt. Ausserordentliche Gründe, die es hätten gebieten können, ausnahmsweise vom grundsätzlichen Erfordernis des amtlichen Antragsformulars abzusehen, bringt der Beschwerdeführer nicht vor. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer, der selber darlegt, im erwähnten Schreiben sei ausgeführt worden, das Antragsformular für das Jahr 2002 sei bereits eingereicht und es sei davon auszugehen, dass die Angaben für das Jahr 2001 "identisch" seien, nicht sogleich das ihm zugestellte amtliche Formular ausgefüllt und eingereicht hat. Wie sich aus den Akten ergibt, stimmen die - ohnehin wenigen erforderlichen - Angaben denn auch in beiden Anträgen überein. Da das fragliche Schreiben im Übrigen keine der nach § 11 Abs. 1 und 2 VO PV/SO erforderlichen Angaben enthielt, durfte das Versicherungsgericht diesem die Anerkennung als - allenfalls unvollständiges - Gesuch im Sinne von § 11 VO PV/SO verweigern. Ein überspitzter Formalismus ist darin nicht zu erkennen.
3.6 Der angefochtene Entscheid verletzt damit keines der von diesem angerufenen verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers.
4.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Ausgleichskasse und dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. April 2003
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: