Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 162/02
Urteil vom 29. April 2003
II. Kammer
Besetzung
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Lustenberger und Frésard; Gerichtsschreiber Ackermann
Parteien
Kantonale IV-Stelle Wallis, Bahnhofstrasse 15, 1950 Sitten, Beschwerdeführerin,
gegen
V.________, 1949, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Peter Volken, Englisch-Gruss-Strasse 6, 3900 Brig
Vorinstanz
Kantonales Versicherungsgericht des Wallis, Sitten
(Entscheid vom 11. Februar 2002)
Sachverhalt:
A.
V.________, geboren 1949, meldete sich am 5. Mai 1993 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Vornahme der entsprechenden Abklärungen lehnte die IV-Stelle des Kantons Wallis mit Verfügung vom 5. Oktober 1993 den Anspruch ab, da ein Invaliditätsgrad von nur 31 % vorliege. Diese Verfügung blieb unangefochten.
Mit Schreiben vom 25. März 1998 liess V.________ ein Gesuch um Gewährung einer Rente stellen, wobei sie (erstmals) erwähnte, dass sie ohne Behinderung teilweise einer Erwerbstätigkeit nachgehen würde. Auf Ersuchen der IV-Stelle reichte sie am 22. April 1998 eine Neuanmeldung ein, worauf die Verwaltung diverse Arztberichte einholte und eine Haushaltsabklärung (Bericht vom 21. September 1998) sowie eine Begutachtung durch Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Orthopädie (Gutachten vom 29. Dezember 1998), veranlasste. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 24. August 2000 den Anspruch auf eine Invalidenrente infolge eines Invaliditätsgrades von unter 40 %, und sah mit einer weiteren Verfügung vom 24. August 2000 von einer Wiedererwägung der ursprünglichen Verfügung vom 5. Oktober 1993 ab, da anzunehmen sei, dass V.________ auch ohne Behinderung nur im Haushalt tätig wäre.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde der V.________ wurde vom kantonalen Versicherungsgericht des Wallis mit Entscheid vom 11. Februar 2002 insoweit abgewiesen, als es die Neuanmeldung zum Bezug der Invalidenrente betraf, während die Beschwerde hinsichtlich Wiedererwägung der Verfügung vom 5. Oktober 1993 gutgeheissen und die Sache zur Neuabklärung an die IV-Stelle zurückgewiesen wurde.
C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, den vorinstanzlichen Entscheid, soweit die Wiedererwägung betreffend, aufzuheben; eventualiter sei die Sache unter teilweiser Aufhebung des kantonalen Entscheides an die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen.
V.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 24. August 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
2.
Das kantonale Gericht hat die Voraussetzungen für die Wiedererwägung einer formell rechtskräftigen Verwaltungsverfügung (BGE 126 V 23 Erw. 4b, 46 Erw. 2b, 125 V 389 Erw. 3, je mit Hinweisen) und den Umfang der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BGE 117 V 13 Erw. 2a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
3.1 Streitig ist allein, ob die leistungsverweigernde Verfügung vom 5. Oktober 1993 in Wiedererwägung zu ziehen ist. Unbestritten ist dagegen, dass die IV-Stelle auf das Wiedererwägungsgesuch eingetreten ist und abschlägig darüber entschieden hat. Nicht Streitgegenstand ist die (abgewiesene) Neuanmeldung zum Bezug einer Invalidenrente vom 25. März resp. 22. April 1998; insoweit ist der vorinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen.
Unter Berücksichtigung der bis jetzt vorliegenden Umstände ist dagegen eine so genannte prozessuale Revision nicht möglich, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel entdeckt worden sind, die geeignet wären, zu einer anderen Beurteilung zu führen (BGE 126 V 24 Erw. 4b mit Hinweisen): Die von der Beschwerdegegnerin im Verwaltungsverfahren behauptete Teilerwerbstätigkeit war ihr schon im Jahre 1993 bekannt und hätte bereits damals geltend gemacht werden können (BGE 108 V 168 Erw. 2b).
3.2 Das für eine Wiedererwägung notwendige Erfordernis der Erheblichkeit der Berichtigung der seinerzeitigen Verfügung ist angesichts der zur Diskussion stehenden Dauerleistungen ohne weiteres gegeben (vgl. BGE 119 V 480 Erw. 1c mit Hinweisen). Fragen lässt sich deshalb einzig noch, ob die ursprüngliche Rentenverweigerung vom 5. Oktober 1993 als zweifellos unrichtig qualifiziert werden muss.
3.3 Die zweifellose Unrichtigkeit ist dann zu bejahen, wenn die Verfügung vom 5. Oktober 1993 fälschlicherweise auf einem Betätigungsvergleich gemäss Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 5 IVG und Art. 27 IVV beruhte, obwohl schon damals von einer Teilzeitarbeit hätte ausgegangen und somit auf die gemischte Bemessungsmethode (Art. 27bis IVV) hätte abgestellt werden müssen; die zweifellose Unrichtigkeit würde - falls sie zu bejahen ist - somit schlussendlich auf einem ungenügend abgeklärten Sachverhalt beruhen, der seinerseits zu einer nicht zutreffenden Rechtsanwendung geführt hätte.
Entgegen der Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde besteht trotz Verneinung des Rentenanspruches im Rahmen der Neuanmeldung durch die Vorinstanz ein Interesse an der Wiedererwägung der seinerzeitigen Verfügung, da sich allenfalls im weiteren Verlauf des Verfahrens ergeben kann, dass infolge der Anwendung einer anderen Bemessungsmethode der Invaliditätsgrad im Jahr 1993 höher gewesen wäre. Der damit verbundene allfällige Statuswechsel von einer Hausfrau zu einer Teilerwerbstätigen - resp. der ihm zugrunde liegende Sachverhalt - könnte in der Folge als Revisionsgrund für den rechtskräftig gewordenen Teil des vorinstanzlichen Entscheides dienen (vgl. Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 lit. h AHVG), der den Rentenanspruch ab der Neuanmeldung 1998 infolge eines zu geringen Invaliditätsgrades verneint hat; im Gegensatz zur Sachlage im Jahr 1993 (vgl. Erw. 3.1 in fine hievor) ist diese Tatsache unverschuldet unbewiesen geblieben (BGE 108 V 168 Erw. 2b).
3.4 Das kantonale Gericht hat die Frage der offensichtlichen Unrichtigkeit der Verfügung vom 5. Oktober 1993 - und damit den Status der Versicherten - nicht beantwortet, sondern die ablehnende Wiedererwägungsverfügung vom 24. August 2000 wegen ungenügend resp. unrichtig festgestellten Sachverhalts aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsabklärung und neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen. Damit ist die Vorinstanz davon ausgegangen, es sei unklar, ob die Beschwerdegegnerin als Hausfrau oder Teilerwerbstätige zu gelten habe. Dies steht jedoch in offensichtlichem Widerspruch zum in Rechtskraft erwachsenen Teil des gleichen kantonalen Entscheides, in welchem die Neuanmeldung wegen einer nicht anspruchsbegründenden Einschränkung im Aufgabenbereich abgelehnt worden ist, was nichts anderes bedeutet, als dass die Vorinstanz in diesem Rahmen die Statusfrage entschieden hat, obwohl sie die gleiche Problematik hinsichtlich der Wiedererwägung als nicht genügend abgeklärt erachtet hat. Durch diesen inneren Widerspruch mangelt es dem vorinstanzlichen Entscheid an einer rechtsgenüglichen Begründung (vgl. dazu BGE 124 V 181 Erw. 1a), weshalb er bezüglich des noch nicht rechtskräftig geworden Teils betreffend Wiedererwägung der Verfügung vom 5. Oktober 1993 aufzuheben (vgl. Urteil X. et al. des schweizerischen Bundesgerichts vom 18. März 2002, 4P.305/2001, sowie auch Urteil Z. vom 17. Dezember 2002, C 212/02) und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen ist, auch wenn keine Partei dies explizit so verlangt hat (vgl. Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 114 Abs. 1 in fine OG). Der neue Entscheid wird unter Beachtung des beschränkten Umfangs der gerichtlichen Überprüfung einer ablehnenden Wiedererwägungsverfügung zu fällen sein (BGE 117 V 13 Erw. 2a) und kann unter Umständen - d.h. je nach Ergebnis - als Revisionsgrund für den in Rechtskraft erwachsenen Teil des vorinstanzlichen Entscheides vom 11. Februar 2002 herangezogen werden (vgl. Erw. 3.3 hievor), so dass in jedem Fall ein widerspruchsfreies Ergebnis vorliegen wird.
4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die IV-Stelle als teilweise obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des kantonalen Versicherungsgerichts des Wallis vom 11. Februar 2002, soweit die Wiedererwägung der Verfügung vom 5. Oktober 1993 betreffend, aufgehoben und zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Versicherungsgericht des Wallis, der Ausgleichskasse des Kantons Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 29. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Vorsitzende der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: