Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 306/02
Urteil vom 26. Juni 2003
III. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Arnold
Parteien
M.________, 1958, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
(Entscheid vom 26. März 2002)
Sachverhalt:
A.
A.a M.________, geb. 1958, verheiratet und Mutter von sechs (1981, 1983, 1984, 1986, 1992 und 1994 geborenen) Kindern war vom 15. März 1996 bis 17. Januar 1997 bei X.________ und vom 1. März bis 30. September 1997 bei der Firma Y.________ AG stundenweise als Raumpflegerin beschäftigt. Im Hinblick darauf, dass sie ab dem 18. Dezember 1996 Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezog, kam die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für die Folgen eines am 31. Januar 1998 erlittenen Verkehrsunfalles auf. Laut Bericht des Dr. med. K.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, vom 31. März 1998 zog sich M.________ als Mitfahrerin bei einer Frontalkollision eine Kopfprellung mit Rissquetschwunde, eine Distorsion des linken oberen Sprunggelenks sowie Blutergüsse an beiden Unterschenkeln und insbesondere am rechten Knie zu. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeldern. Mit Verfügung vom 9. Oktober 1998, bestätigt durch den Einspracheentscheid vom 10. August 1999, lehnte sie es ab, über den bereits zugesprochenen Betrag von Fr. 400.- hinaus Rechnungen für eine Haushaltshilfe rückzuvergüten. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die hiegegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 22. November 2000). Die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Eidgenössische Versicherungsgericht ab, soweit es darauf eintrat (Urteil vom 24. April 2002).
Zwischenzeitlich hatte M.________ am 11. April 2000 wegen Kniebeschwerden einen Rückfall melden lassen. Im Anschluss an die diagnostische Arthroskopie war das mediale Meniskushinterhorn rechts subtotal reseziert worden (Operationsbericht des Dr. med. A.________, Oberarzt am Spital B.________, vom 28. März 2000). Wegen rezidivierenden Schmerzen im Bereich des rechten Knies wurde am 15. März 2001 eine zweite Arthroskopie mit Nachresektion des Meniskushinterhorns rechts vorgenommen (Bericht des Dr. med. A.________ vom 15. März 2001). Anlässlich der kreisärztlichen Untersuchung vom 26. April 2001 gelangte Dr. med. W.________ zur Auffassung, der (Rück-)Fall sei abzuschliessen, da das rechte Kniegelenk mobil, stabil und reizlos sei (Bericht vom 26. April 2001)
A.b Auf die Anmeldung (vom 18. Juni 1999) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug hin klärte die IV-Stelle des Kantons Aargau die Verhältnisse in medizinischer, beruflicher sowie haushaltlicher Hinsicht ab. Sie zog u.a. Akten der SUVA bei, holte Arbeitgeberauskünfte sowie einen Bericht des Hausarztes Dr. med. C.________, FMH Innere Medizin, vom 14. September 2000 ein und führte eine Haushaltsabklärung durch (Berichte vom 7. August und 21. September 2001). Mit Verfügung vom 28. November 2001 verneinte die IV-Stelle in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode bei einem Erwerbsanteil von 12 % und einem Haushaltsanteil von 88 % mangels rentenbegründender Invalidität einen Anspruch auf eine Invalidenrente; sie bezifferte die Behinderung (gewichtet) im Haushalt mit 23.76 %, jene im erwerblichen Bereich mit 12%, woraus ein Invaliditätsgrad von 36 % resultierte.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die hiegegen erhoben Beschwerde ab (Entscheid vom 26. März 2002).
C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren:
" 1. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und das Verfahren an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
2. Es sei Frau Hoti zu befragen und die Haushalthilfe zu be-
willigen.
3. Eventualiter: Meiner Mandantin sei eine Rente zuzusprechen.
4. Der Beschwerdeführerin sei ein unentgeltlicher Rechtsbeistand in der Person des Unterzeichneten beizugeben.
5. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin."
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs ( Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG ) sowie über die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs bei Erwerbstätigen (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b; siehe nun auch BGE 128 V 30 Erw. 1; vgl. zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit auch BGE 121 V 331 Erw. 3b), der spezifischen Methode bei nichterwerbstätigen, insbesondere im Haushalt tätigen Versicherten (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV; siehe auch BGE 125 V 149 Erw. 2a, 104 V 136 Erw. 2a) sowie der gemischten Methode bei Teilerwerbstätigen (Art. 27bis IVV; BGE 104 V 136 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 128 Erw. 1b; siehe auch SVR 1996 IV Nr. 76 S. 222 Erw. 1) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 28. November 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
2.
Streitig und zu prüfen ist der vorinstanzlich (wie bereits durch die Verwaltung) verneinte Anspruch auf eine Invalidenrente nach IVG. Insofern die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag, die Haushaltshilfe sei zu "bewilligen", andere Leistungen beansprucht, kann darauf mangels weiterziehbaren Anfechtungsgegenstandes und damit fehlender Sachurteilsvoraussetzung nicht eingetreten werden (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
3.
Nach Lage der Akten sind die Verwaltung (vgl. u.a. den Abklärungsbericht vom 7. August 2001) und die Vorinstanz gestützt auf den Bericht des Hausarztes Dr. med. C.________ (vom 14. September 2000) davon ausgegangen, dass die Beschwerden im rechten Knie die erwerbliche Arbeit als Raumpflegerin verunmöglichten und die übliche Tätigkeit im Haushalt beeinträchtigten. Gegen das Vorliegen eines die Arbeitsfähigkeit einschränkenden und die Tätigkeit im Haushalt behindernden Gesundheitsschadens spricht, dass sich die Beschwerdeführerin wegen rezidivierenden Schmerzen am 15. März 2001, mithin nach der eben genannten Berichterstattung durch den Hausarzt, einer zweiten Arthroskopie mit Nachresektion des Meniskushinterhorns rechts (Bericht des Dr. med. A.________ vom 15. März 2001) unterzog und dass Dr. med. W.________ anlässlich der kreisärztlichen Untersuchung vom 26. April 2001 den Standpunkt einnahm, der (Rück-)Fall sei abzuschliessen, da das rechte Kniegelenk mobil, stabil und reizlos sei (Bericht vom 26. April 2001). Die Frage braucht indes nicht abschliessend beurteilt zu werden, da, wie nachfolgend (vgl. Erw. 4) zu zeigen sein wird, der Rentenanspruch selbst dann zu verneinen ist, wenn mit Vorinstanz und Verwaltung ein die Arbeitsfähigkeit einschränkender und die Tätigkeit im Haushalt behindernder Gesundheitsschaden angenommen wird.
4.
4.1 Mit der Vorinstanz ist gestützt auf den Abklärungsbericht Haushalt vom 7. August 2001 davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der üblichen Tätigkeiten im Haushalt zu insgesamt 27 % invalid ist. Die von der Beschwerdeführerin hiegegen letztinstanzlich erhobenen Einwendungen vermögen, soweit sie nicht bereits durch das kantonale Gericht einlässlich und überzeugend widerlegt wurden, zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
4.1.1 Die Akten enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Kompetenz und Unbefangenheit der Abklärungsperson der IV-Stelle in Frage zu stellen. Die Behauptung, die Abklärungsperson habe wiederholt "überspitzt" gehandelt, entbehrt ebenso jedweder Grundlage, wie jene, es sei davon auszugehen, dass sie die Familie der Beschwerdeführerin nicht "möge". Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge der Befangenheit ist unbegründet.
4.1.2 Die Pflicht zur Schadenminderung stellt einen allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts dar. Er beansprucht rechtsprechungsgemäss auch bei der Bestimmung der relevanten Einschränkung im häuslichen Tätigkeitsbereich Geltung, indem die versicherte Person die übliche Mithilfe der anderen Familienangehörigen in Anspruch zu nehmen hat (Urteil H. vom 22. Februar 2001, I 511/00, mit Hinweisen). Adressat der Obliegenheit zur Schadenminderung ist, entgegen der offenbaren Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, die versicherte Person, die eine Invalidenrente beansprucht, und nicht ihre Familienangehörigen.
4.1.3 Die Schlüssigkeit und die Überzeugungskraft des Abklärungsberichts Haushalt vom 7. August 2001 werden nicht dadurch erschüttert, dass eine erwerbliche Tätigkeit als Raumpflegerin nach Einschätzung von Dr. med. C.________ (Bericht vom 14. September 2000) zu 100 % ausser Betracht fällt. Im Abklärungsbericht (vom 7. August 2001) wird die Leistungseinbusse im Bereich Wohnungspflege (Gewichtung: 10 %) mit einlässlicher Begründung in adäquater Weise auf 40 % veranschlagt, wobei einerseits auf die Mitwirkungspflichten der älteren Kinder verwiesen und andererseits ausgeführt wird, die versicherte Person sei mit Ausnahme jener Tage, an denen sie sich nicht wohl fühle, in der Lage, den "täglichen Kleinkehr" selber zu besorgen. Hinzu kommt, dass die Erwerbsarbeit als Raumpflegerin mit Reinigungsarbeiten in der eigenen Wohnung nur beschränkt vergleichbar ist, was etwa der Umstand verdeutlicht, dass der Zeitdruck bei Erwerbsarbeit in der Regel grösser ist und die Möglichkeit, die Arbeit frei einzuteilen und Pausen einzulegen im erwerblichen Bereich nur beschränkt besteht.
4.2 Gegenüber der Abklärungsperson der IV-Stelle hat die Beschwerdeführerin im Rahmen der Haushaltsabklärung vom 7. August 2001 erklärt, dass sie als Mutter von sechs Kindern auch ohne gesundheitliche Beschwerden nicht erwerbstätig sein würde. Dies indiziert für sich allein betrachtet, die Invaliditätsbemessung nach der spezifischen Methode vorzunehmen. Der Umstand, dass die zuletzt ausgeübten teilzeitlichen Erwerbstätigkeiten als Raumpflegerin in die Jahre 1996 und 1997 zurückreichen, die Beschwerdeführerin somit mehrere Jahre über die Geburt des am 9. Mai 1994 auf die Welt gekommenen jüngsten Kindes hinaus erwerbstätig war, spricht seinerseits dafür, sie als Teilerwerbstätige zu qualifizieren. Mit der Vorinstanz wäre dabei gestützt auf die Angaben der letzten beiden Arbeitgeber, ausgehend von einem (ausserhäuslichen) Arbeitspensum von drei Stunden wöchentlich, auf einen Erwerbsanteil von 7.16 % und einen Haushaltsanteil von 92.84 % zu erkennen. Mit Blick darauf, dass bei Anwendung der gemischten Methode ein Invaliditätsgrad von 32.23 %, unter Zugrundelegung der spezifischen Methode ein entsprechender Wert von 27 % resultiert, mithin so oder anders der Anspruch auf eine Invalidenrente durch Verwaltung und Vorinstanz zu Recht verneint wurde, braucht über die Frage nach dem Status der Beschwerdeführerin nicht abschliessend befunden zu werden.
5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), weil die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos und die anwaltliche Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6 mit Hinweisen; AHI 1999 S. 85 Erw. 3). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten.
3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1200.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 26. Juni 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: