Tribunale federale
Tribunal federal
5P.219/2003 /bie
{T 0/2}
Urteil vom 9. Juli 2003
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
A.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, Genferstrasse 23, Postfach 249, 8027 Zürich,
gegen
Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, Amthaus I, Amthausplatz, 4500 Solothurn.
Gegenstand
Art. 8 BV (unentgeltliche Rechtspflege im Unterhaltsprozess),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer,
vom 30. April 2003.
Sachverhalt:
A.
Im Unterhaltsverfahren zwischen B.X.________ und C.X.________, Kläger, einerseits und ihrem Vater A.X.________, Beklagter, anderseits vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen ersuchte A.X.________ (nachfolgend: Gesuchsteller) um unentgeltliche Rechtspflege. Die Amtsgerichtspräsidentin gab dem Gesuch mit Verfügung vom 17. Februar 2003 nicht statt (Ziffer 3), gestattete dem Gesuchsteller aber, den Kostenvorschuss von Fr. 5'500.-- in 5 Raten zu je Fr. 1'100.-- zu bezahlen, wobei die erste Rate bis Ende Februar 2003, die anderen jeweils per Ende des nachfolgenden Monats zu begleichen waren (Ziffer 4).
B.
Der Gesuchsteller rekurrierte an das Obergericht des Kantons Solothurn mit dem Antrag, die Ziffern 3 und 4 der erstinstanzlichen Verfügung aufzuheben. Das Obergericht wies am 30. April 2003 den Rekurs mit der Begründung ab, der Gesuchsteller verfüge über einen monatlichen Überschuss von Fr. 926.50 und sei damit in der Lage, den Prozess innert nützlicher Frist zu finanzieren.
C.
Der Gesuchsteller führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Das Obergericht beantragt unter Hinweis auf die Motive des Urteils, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist von vornherein nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer darin den vom Obergericht errechneten Zwangsbedarf als willkürlich qualifiziert und zur Begründung einfach andere Zahlen berücksichtigt wissen will. Damit legt er nicht Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechend dar, inwiefern das Obergericht bei der Bestimmung des Zwangsbedarfs in Willkür verfallen sein soll (BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a S. 373; 123 I 1 E. 4a S. 5; 127 III 279 E. 1c S. 282; 128 I 295 E. 7a S. 312).
2.
Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, das Obergericht habe seine Bedürftigkeit zu Unrecht verneint; mit dem errechneten Überschuss sei er nicht in der Lage, die Raten des von der erstinstanzlichen Richterin festgesetzten Kostenvorschusses von Fr. 5'500.-- (Fr. 1'100.-- pro Rate) zu bezahlen, geschweige denn Vorschüsse für die Anwaltskosten zu leisten. Die Rüge ist begründet.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege ausschliesslich im Lichte der Bundesverfassung, weshalb die Beschwerde einzig unter dem Gesichtswinkel von Art. 29 Abs. 3 BV zu behandeln ist. Dabei prüft das Bundesgericht frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind, während seine Kognition in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde auf Willkür beschränkt ist (vgl. dazu BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12 mit Hinweisen, Art. 4 aBV betreffend).
2.2 Nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV, die sich ohne weiteres auf Art. 29 Abs. 3 BV übertragen lässt, gilt als bedürftig, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Dabei sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Betracht zu ziehen. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf des Gesuchstellers ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.). So sollte die ein Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage sein, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 8/9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.).
2.3 Das Obergericht stellte dem monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von Fr. 3'758.-- (gerundet) den Notbedarf von Fr. 2'831.50 gegenüber und ermittelte so eine verfügbare Quote von Fr. 926.50. Mit diesem Betrag ist der Beschwerdeführer nicht einmal in der Lage, die 5 Raten von je Fr. 1'100.-- (Gesamtkostenvorschuss: Fr. 5'500.--) zu bezahlen. Wie er unter diesen Umständen innert nützlicher Frist auch noch einen allfälligen Anwaltskostenvorschuss leisten könnte, bleibt unerfindlich. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Das Obergericht wird nun erneut über die Frage der Bedürftigkeit zu befinden und dabei insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen haben, dass ein allfälliger, den prozessualen Zwangsbedarf übersteigender Betrag dem Beschwerdeführer erlauben muss, innert nützlicher Frist sowohl Gerichts- als auch Anwaltskostenvorschüsse zu leisten.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist keine Gerichtsgebühr zu erheben. Sodann hat der Kanton Solothurn den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 30. April 2003 wird aufgehoben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Solothurn hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Juli 2003
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: