Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 61/00
Urteil vom 24. Dezember 2003
II. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Widmer
Parteien
D.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Dörflinger, Teufener Strasse 8, 9001 St. Gallen,
gegen
Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern, Hallwilerweg 5, 6003 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
(Entscheid vom 21. Januar 2000)
Sachverhalt:
A.
Der 1940 geborene D.________ war ab 1. Februar bis 31. Dezember 1996 im Umfang von 60 % und ab 1. Januar 1997 vollzeitlich als Projektleiter in der Firma seiner Ehefrau, der D.________, tätig, wobei er laut Handelsregisterauszug vom 12. Februar 1996 über die Einzelzeichnungsberechtigung verfügte. Auf den 30. April 1997 kündigte H.________ den Anstellungsvertrag wegen Aufgabe eines Projekts durch einen Kunden und Einstellung der Aktivitäten der Arbeitgeberfirma, worauf D.________ am 23. Mai 1997 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Mai 1997 stellte und in der Folge die Stempelkontrolle besuchte. Mit Verfügung vom 1. September 1997 bewilligte ihm das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) den Besuch des vom 29. August bis 20. Dezember 1997 dauernden Kurses Netzwerk-Koordinator bei der X.________. Am 18. Mai 1998 nahm D.________ eine Tätigkeit als Supporter-Informatik bei der L.________ AG auf. Die Arbeitslosenversicherung gewährte gemäss Verfügung des RAV vom 29. Mai 1998 für die Dauer von sechs Monaten Einarbeitungszuschüsse. Auf den 28. Februar 1999 wurde dieses Anstellungsverhältnis von der L.________ AG beendet.
Am 26. Februar 1999 schloss D.________ mit seiner Ehefrau einen neuen Vertrag über eine Aushilfsanstellung im EDV-Support zu einem Stundenlohn von Fr. 30.- und einer Arbeitszeit nach Einsatzbedarf. Die damit erzielten Einkommen rechnete die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern als Zwischenverdienst ab. Mit Verfügung vom 3. Mai 1999 wies das RAV D.________ an, vom 3. Mai bis 3. Juli 1999 einen Englischkurs zu besuchen. Ab 17. Mai 1999 arbeitete der Versicherte als PC-Supporter für die P.________ AG kündigte dieses Anstellungsverhältnis jedoch auf den 27. Mai 1999, dies im Hinblick auf eine erneute Arbeitsaufnahme in der Firma seiner Ehefrau H.________ ab 1. Juni 1999.
Mit Verfügung vom 13. August 1999 stellte die Arbeitslosenkasse D.________ ab 27. Mai 1999 für die Dauer von 28 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein, weil er durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der P.________ AG die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet habe.
B.
D.________ liess diese Verfügung beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern beschwerdeweise anfechten mit dem Antrag auf deren Aufhebung. Mit Verfügung vom 20. Oktober 1999 lehnte die Arbeitslosenkasse die Anspruchsberechtigung von D.________ auf Arbeitslosenentschädigung unter sinngemässer Aufhebung der Einstellungsverfügung vom 13. August 1999 rückwirkend ab 1. Mai 1997 ab und forderte die ausbezahlten Leistungen im Gesamtbetrag von Fr. 14'814.90 zurück mit der Begründung, dass er im Betrieb seiner Ehefrau eine arbeitgeberähnliche Stellung habe. Auch nach Auflösung des Anstellungsverhältnisses habe er den Betrieb jederzeit reaktivieren und sich bei Bedarf als Arbeitnehmer wieder einstellen können, was denn auch ab März 1999 eingetreten sei. Das gewählte Vorgehen laufe auf eine Umgehung der Regelung der Kurzarbeitsentschädigung hinaus. D.________ liess auch gegen diese Verfügung Beschwerde führen und deren Aufhebung beantragen. Mit Entscheid vom 21. Januar 2000 schrieb das Verwaltungsgericht das Verfahren betreffend die Einstellungsverfügung vom 13. August 1999 als erledigt ab, während es die Beschwerde gegen die Verfügung vom 20. Oktober 1999 abwies.
C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Begehren, der vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung vom 20. Oktober 1999 seien aufzuheben.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften über die Personen, die als mitarbeitender Ehegatte des Arbeitgebers, aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung oder ihrer Stellung im Betrieb vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgeschlossen sind ( Art. 31 Abs. 3 lit. b und c AVIG ) und Rechtsprechung zum Anspruch arbeitgeberähnlicher Personen im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG auf Arbeitslosenentschädigung bei Ganzarbeitslosigkeit (BGE 123 V 234 ff.), namentlich zu den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlicher Stellung vom Entschädigungsanspruch ausgeschlossen sind (S. 237 Erw. 7b), zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden. Wie das kantonale Gericht des Weiteren richtig festgehalten hat, gilt diese Rechtsprechung analog für den in einer Einzelfirma mitarbeitenden Ehegatten des Arbeitgebers gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. b AVIG (unveröffentlichtes Urteil M. vom 26. Juli 1999, C 123/99).
1.2 Zu verdeutlichen ist, dass mit dem Ausschluss von Arbeitnehmern mit arbeitgeberähnlicher Stellung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Entschädigungsanspruch gemäss BGE 123 V 237 ff. Erw. 7b/bb der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung entgegengetreten werden soll. Von einer solchen kann nicht gesprochen werden, wenn der Betrieb geschlossen wird, das Ausscheiden des betroffenen Arbeitnehmers mithin definitiv ist. Ebenso wenig liegt eine Gesetzesumgehung vor, wenn das Unternehmen zwar weiter besteht, der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig auch jene Eigenschaft verliert, deretwegen er bei Kurzarbeit vom Entschädigungsanspruch ausgenommen wäre. Als rechtsmissbräuchliche Gesetzesumgehung zu qualifizieren ist hingegen der Bezug von Arbeitslosenentschädigung, wenn der Arbeitnehmer nach der Entlassung seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehält und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen oder massgeblich beeinflussen kann.
1.3 Zu ergänzen ist sodann, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
2.
Im vorliegenden Fall wurde das ab 1. Januar 1996 bestehende Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers durch die Kündigung seitens seiner Ehefrau auf den 30. April 1997 beendet. Die Einzelfirma D.________ bestand in der Folge wohl weiter, und der Beschwerdeführer behielt formell seine Stellung als deren einzelzeichnungsberechtigtes Organ bei. Anhaltspunkte dafür, dass er in den folgenden knapp zwei Jahren nach Auflösung des Anstellungsverhältnisses von seinen ihm laut Handelsregisterauszug vom 18. Juni 1999 weiterhin zustehenden Befugnissen Gebrauch gemacht und Dispositionen im Hinblick auf seine eigene Wiedereinstellung als Arbeitnehmer getroffen hätte, finden sich in den Akten nicht. Vielmehr besuchte der Beschwerdeführer zunächst einen Kurs als Netzwerk-Koordinator, für dessen Kosten die Arbeitslosenversicherung aufkam, und trat anschliessend im Mai 1998 eine Stelle als Supporter-Informatik bei der L.________ AG, Littau, an. Diese Anstellung wurde von der Arbeitgeberfirma auf Ende Februar 1999 gekündigt. Für diese Tätigkeit hatte die Arbeitslosenversicherung Einarbeitungszuschüsse gewährt. Erst am 26. Februar 1999 schloss der Beschwerdeführer wiederum einen Arbeitsvertrag mit seiner Ehefrau, wobei die mit stundenweiser Aushilfsarbeit im EDV-Support erzielten Entgelte von der Arbeitslosenkasse als Zwischenverdienst abgerechnet wurden. Neue Arbeitsverträge mit seiner Ehefrau H.________ ging er sodann am 24. Mai und 24. Juni 1999 ein. Auch die daraus fliessenden Einkünfte wurden als Zwischenverdienst abgerechnet. Die dargelegten Umstände lassen keine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG erkennen, weshalb entgegen Arbeitslosenkasse und Vorinstanz kein Grund besteht, den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Mai 1997 zu verneinen und die ausgerichteten Leistungen zurückzufordern. Der Beschwerdeführer traf vielmehr verschiedene Vorkehren (Kursbesuch, Arbeitsbemühungen, Stellenantritt), die darauf schliessen lassen, dass er trotz fortgeschrittenen Alters und erschwerter Vermittelbarkeit ernsthaft gewillt war, nach Auflösung des Arbeitsvertrages mit seiner Ehefrau ausserhalb ihres Betriebes auf dem Arbeitsmarkt eine zumutbare Anstellung zu finden. Dass er auch nach seinem Ausscheiden aus der Firma einzelzeichnungsberechtigt blieb, ist unter den erwähnten besonderen Umständen dieses Falles nicht entscheidend. Eine Würdigung der gesamten Umstände zeigt, dass sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von demjenigen unterscheidet, der BGE 123 V 234 zugrunde lag. In jenem Fall war der Entschädigungsanspruch des Alleinaktionärs und einzigen Verwaltungsrates einer Gesellschaft zu prüfen, der nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses, über die er selber entschieden hatte, die unternehmerische Dispositionsfreiheit, den Betrieb jederzeit zu reaktivieren und sich bei Bedarf erneut als Arbeitnehmer einzustellen, beibehielt (S. 239).
3.
Die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verfügung vom 20. Oktober 1999 wegen im Grundsatz gegebener Bezugsberechtigung hat zur Folge, dass das kantonale Gericht im Beschwerdeverfahren betreffend die Einstellungsverfügung vom 13. August 1999 zu entscheiden haben wird, welches es zu Unrecht als erledigt abgeschrieben hat.
4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). Weil auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung kein bundesrechtlicher Anspruch auf Parteientschädigung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren besteht (vgl. Art. 103 AVIG), ist davon abzusehen, die Akten zur allfälligen Festsetzung einer Parteientschädigung der Vorinstanz zuzustellen. Hingegen ist es dem letztinstanzlich obsiegenden Beschwerdeführer unbenommen, mit Blick auf den Ausgang des Prozesses vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht bei der Vorinstanz einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 21. Januar 2000 und die Verfügung der Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern vom 20. Oktober 1999 aufgehoben.
2.
Mit Bezug auf die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wird die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen, damit es über die Beschwerde gegen die Kassenverfügung vom 13. August 1999 materiell entscheide.
3.
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Kantonalen Arbeitsamt Luzern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 24. Dezember 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: