Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8G.117/2003 /kra
Urteil vom 9. Februar 2004
Anklagekammer
Besetzung
Bundesrichter Karlen, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident,
Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Forster.
Parteien
X._________,
Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Wiebecke,
gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft,
Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Eidgenössische Untersuchungsrichterin, Effingerstrasse 43, Postfach 5959, 3001 Bern.
Gegenstand
Revision des Bundesgerichtsurteils vom
9. September 2003 (8G.122/2002).
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil vom 9. September 2003 verpflichtete das Schweizerische Bundesgericht (Anklagekammer) die Schweizerische Bundesanwaltschaft, X._________ eine Genugtuungssumme von CHF 30'000.-- sowie Schadenersatz von CHF 15'000.-- auszurichten. Im Mehrbetrag wurde das Entschädigungsbegehren von X._________ abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (Verfahren 8G.122/2002).
B.
Am 27. Oktober 2003 stellte X._________ beim Bundesgericht ein Revisionsgesuch. Er beantragt die Aufhebung des bundesgerichtlichen Urteils vom 9. September 2003 und die Zusprechung einer "Entschädigung von CHF 505'000.-- nebst Zins zu 5 % seit dem 15. Oktober 1994".
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
Ein Urteil, das formell und materiell rechtskräftig ist und daher anders nicht mehr abgeändert werden kann, muss im Interesse der Wahrheitsfindung mit dem ausserordentlichen Rechtsmittel der Revision korrigiert werden können, wenn sich nachträglich herausstellt, dass es auf einer falschen tatsächlichen Grundlage bzw. auf schweren Verfahrensfehlern beruht (BGE 127 I 133 E. 6 S. 137 mit Hinweisen; vgl. auch Elisabeth Escher, Revision und Erläuterung, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel 1998, Rz. 8.1). Die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides ist namentlich zulässig, wenn das Gericht einzelne Anträge nicht beurteilt oder in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat ( Art. 136 lit. c-d OG ; vgl. dazu Escher, a.a.O., Rz. 8.15-16).
Im Revisionsgesuch ist mit Angabe der Beweismittel der Revisionsgrund und dessen rechtzeitige Geltendmachung darzulegen und anzugeben, welche Abänderung des früheren Entscheides und welche Rückleistung verlangt wird (Art. 140 OG). Revisionsgründe gemäss Art. 136 OG sind binnen 30 Tagen (vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an) geltend zu machen (Art. 141 Abs. 1 lit. a OG). Wird das Revisionsgesuch einstimmig als unzulässig oder unbegründet befunden, so kann es ohne öffentliche Beratung erledigt werden (Art. 143 Abs. 1 OG). Diesfalls ist auch auf eine Stellungnahme der Gegenpartei zu verzichten (Art. 143 Abs. 2 OG).
2.
Der Gesuchsteller macht zunächst geltend, das Bundesgericht habe einen erhobenen Antrag "offensichtlich unbeurteilt gelassen". Darin liege ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 136 lit. c OG. Beim angeblich nicht beurteilten Antrag handle es sich "um die Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft". Lediglich für die beantragte "Genugtuung für die erlittene Untersuchungshaft" habe "die Anklagekammer dem Gesuchsteller einen Betrag von CHF 30'000.-- zugesprochen".
2.1 Die Vorbringen des Gesuchstellers finden im Urteil des Bundesgerichtes vom 9. September 2003 keine Stütze. Die Anklagekammer hat dem Gesuchsteller (neben einer Entschädigung für Verteidigungskosten in der Höhe von CHF 15'000.--) eine Genugtuung von CHF 30'000.-- wegen immaterieller Unbill zugesprochen. Darin wurden sämtliche immateriellen Nachteile des Strafverfahrens, inklusive Untersuchungshaft, abgegolten (vgl. ausdrücklich Urteil, E. 6.1, S. 13 ff., insbesondere E. 6.1.9, S. 16). Hingegen hat das Bundesgericht die Schadenersatzforderungen wegen erlittener Untersuchungshaft abgewiesen. Dabei wurden die gestellten Forderungen als nicht ausgewiesen beurteilt bzw. der Kausalzusammenhang zwischen der erlittenen Haft und dem geltend gemachten Vermögensschaden verneint (vgl. ausführlich Urteil, E. 6.2 sowie E. 6.3.1-6.3.3, S. 16-18).
2.2 Die Vorbringen des Gesuchstellers sind denn auch in sich widersprüchlich. Einerseits stellt er sich auf den Standpunkt, das Bundesgericht habe seinen Antrag (auf Zusprechung von Schadenersatz wegen erlittener Untersuchungshaft) aus Versehen nicht behandelt. Anderseits beanstandet er namentlich, die Anklagekammer habe ihm "mangels Nachweises des Bezugs eines Einkommens aus unselbstständiger Tätigkeit während der Haftdauer" die beantragte Entschädigung "abgesprochen". In der Folge legt der Gesuchsteller ausführlich dar, dass die Anklagekammer den von ihm geltend gemachten Schadenersatzanspruch wegen erlittener Untersuchungshaft seiner Ansicht nach zu Unrecht abgewiesen habe.
Der Revisionsgrund von Art. 136 lit. c OG ist nach dem Gesagten offensichtlich nicht gegeben. Soweit der Gesuchsteller im genannten Zusammenhang die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Urteils in appellatorischer Weise kritisiert, liegt ebenfalls kein gesetzlicher Revisionsgrund vor (vgl. auch nachfolgend, E. 3.1).
3.
Der Gesuchsteller bringt weiter vor, es lägen im Sinne von Art. 136 lit. d OG erhebliche Tatsachen vor, die das Bundesgericht "aus Versehen nicht berücksichtigt" habe. Im Urteil der Anklagekammer werde "dem Gesuchsteller unterstellt, Anwaltskosten zweimal geltend zu machen bzw. die Verteidigungskosten nochmals als Schaden in Rechnung zu stellen". Beides sei "falsch" und bedürfe der "Richtigstellung".
3.1 Das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision nach Art. 136 ff. OG dient nicht der appellatorischen Wiedererwägung einer bereits rechtskräftig erledigten Streitsache, indem der Gesuchsteller seinen vom Gericht bereits beurteilten Standpunkt ein weiteres Mal (bzw. in präzisierter oder ergänzter Form) darlegen könnte. Der blosse Umstand, dass das Gericht dem Parteistandpunkt des Gesuchstellers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht oder nur teilweise gefolgt ist, begründet daher keinen Revisionsgrund (vgl. BGE 127 I 133 E. 6 S. 137 f.; 122 II 17 E. 3 S. 18 f., je mit Hinweisen). Namentlich liegt ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 136 lit. d OG nicht schon dann vor, wenn das erkennende Gericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt hat, als der Gesuchsteller dies wünscht bzw. wenn das Gericht Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat, die von den tatsächlichen Vorbringen des Gesuchstellers abweichen (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; vgl. auch BGE 122 IV 66 E. 2b S. 68). Der besondere Revisionsgrund von Art. 136 lit. d OG ist nur erfüllt, wenn das Gericht eine im Urteilszeitpunkt bei den Akten liegende erhebliche Tatsache aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Der Gesuchsteller hat Gründe darzulegen, die ein solches prozessuales Versehen als wahrscheinlich erscheinen lassen. Der blosse Umstand, dass gewisse Aktenbestandteile im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt werden oder dass ihre beweisrechtliche Tragweite nicht im Detail erörtert wird, begründet keinen ausreichenden Anhaltspunkt für ein richterliches Versehen (BGE 122 IV 66 E. 2b S. 68). Kein prozessuales Versehen liegt sodann vor, wenn das Gericht eine aus den Akten ersichtliche Tatsache im Rahmen der Beweiswürdigung als nicht entscheiderheblich erachtet hat (BGE 122 II 17 E. 4-6 S. 19; vgl. Escher, a.a.O., Rz. 8.16).
3.2 Der Gesuchsteller bringt vor, die Erwägung des Bundesgerichtes, wonach er die Anwaltskosten seiner beiden Firmen zwei Mal geltend gemacht habe, nämlich sowohl unter dem Titel "VI. Anwaltskosten der Gesellschaften", als auch unter dem Titel "XI. weitere Anwaltskosten des Klägers", sei "offensichtlich falsch" bzw. "klar aktenwidrig". Zwar würden gewisse Honorarnoten "zweimal als Beweismittel aufgeführt, "nämlich zunächst unter dem Titel 'X. Anwaltskosten im Strafverfahren' und sodann unter dem Titel 'XI. weitere Anwaltskosten des Klägers'". Im Entschädigungsgesuch werde dies jedoch "erklärt". "Entsprechend" seien die Honorarnoten "aufgeteilt" worden, was die Anklagekammer in ihrem Urteil (E. 6.3.5.3) auch "richtig berücksichtigt" habe.
3.3 Damit kritisiert der Gesuchsteller in appellatorischer Weise die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes. Hingegen sind keine in den Akten liegenden erheblichen Tatsachen ersichtlich, die das Bundesgericht aus Versehen unberücksichtigt gelassen hätte.
In ihrem Urteil vom 9. September 2003 hat die Anklagekammer in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt. Der Gesuchsteller habe nicht nur seine "Anwaltskosten im Strafverfahren" in Rechnung gestellt, sondern auch noch die Anwaltskosten der C.________AG und der D.________AG. Letztere würden sogar zwei Mal geltend gemacht, nämlich sowohl unter dem Titel "VI. Anwaltskosten der Gesellschaften", als auch unter dem Titel "XI. weitere Anwaltskosten des Klägers". Der Gesuchsteller vertrete den Standpunkt, da er die Anwaltskosten dieser Firmen als Schulden übernommen habe, seien ihm diese als Schaden zu ersetzen (vgl. Urteil, E. 6.3.5, S. 19).
Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Gesuchsteller auf den Seiten 107 ff. seines Entschädigungsbegehrens vom 18. September 2002 (unter Ziff. VI) "Anwaltskosten der Gesellschaften C.________AG und D.________AG" in Rechnung gestellt. Auf den Seiten 118 ff. (unter Ziff. XI) des Begehrens stellte er "weitere Anwaltskosten des Klägers" in Rechnung. Der Gesuchsteller führte dazu (auf Seite 118, Randziffer 406) selbst aus: "So sind zunächst die für die Unterstützung der beiden Gesellschaften C.________AG und D.________AG getätigten Bemühungen durch das Strafverfahren verursacht worden. Die betreffenden Anteile betragen (...)". Weitere Honorarnoten (unter Randziffern 407 ff.) betrafen ebenfalls anwaltliche Leistungen für die beiden Gesellschaften. Insofern steht fest, dass der Beschwerdeführer die fraglichen Anwaltskosten unter verschiedenen Titeln geltend gemacht hat. Das Bundesgericht hat weder die fraglichen Aktenstellen übersehen, noch stehen die genannten Erwägungen des Bundesgerichtes in Widerspruch mit den Akten. Darüber hinaus hat die Anklagekammer erwogen, es könne "offen bleiben, ob privat übernommene Schulden von konkursiten Firmen überhaupt einen entschädigungspflichtigen Schaden darstellen können", da ohnehin "kein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen dem Firmenkonkurs und den von den Bundesbehörden angeordneten Zwangsmassnahmen" bestehe (Urteil, E. 6.3.5.1, S. 19). Von einem richterlichen Übersehen erheblicher Tatsachen kann somit keine Rede sein.
3.4 Beiläufig kritisiert der Gesuchsteller auch noch die Erwägung 6.3.5.2 des Urteils als "klar aktenwidrig". Diese lautet wie folgt:
"Soweit die kantonalen Instanzen bereits über die Kosten der Offizialverteidigung rechtskräftig entschieden haben, können auch die Verteidigungskosten des Gesuchstellers nicht (nochmals) als Schaden in Rechnung gestellt werden. Wie der Gesuchsteller selbst darlegt, hat das Obergericht (im Verfahren A.________) bereits über die Kosten- und Entschädigungsfragen des Untersuchungs- und Gerichtsverfahrens (inklusive Kosten der Offizialverteidigung) rechtskräftig entschieden. Diese bilden nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Staatshaftungsverfahrens. Anders sieht es bei den Verteidigungskosten aus, die noch vor der Bewilligung der Offizialverteidigung unter der Verfahrenshoheit des Bundes angefallen sind. In seinem Urteil 8G.38/2000 vom 8. November 2000 (Erwägung 3) hat die Anklagekammer des Bundesgerichtes denn auch erwogen, dass für die betreffenden entschädigungspflichtigen Verfahrenskosten der Bund verantwortlich sei."
Dementsprechend werden im Urteil (E. 6.3.5.3) die Verteidigungskosten zwischen 30. August 1994 (Inhaftierung des Gesuchstellers) und 4.November 1994 (Bewilligung der Offizialverteidigung ) als entschädigungspflichtig bezeichnet. Da aufgrund der eingereichten Honorarnoten nicht eruiert werden konnte, welcher Anteil auf Verteidigungskosten entfiel, wurde die Entschädigung nach richterlichem Ermessen auf CHF 15'000.-- festgelegt. Was daran aktenwidrig sein sollte, wird vom Gesuchsteller nicht dargelegt. Auf Seite 13 (Rz. 48) des Revisionsgesuches räumt er sogar ausdrücklich ein, die von der Anklagekammer vorgenommene Aufteilung sei "richtig". Das Bundesgericht hat auch in diesem Zusammenhang allen entscheiderheblichen Tatsachen ausführlich Rechnung getragen. Im blossen Umstand, dass das Bundesgericht dem Parteistandpunkt des Gesuchstellers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht bzw. nur teilweise gefolgt ist, liegt kein Revisionsgrund.
4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Revisionsgesuch als unbegründet abzuweisen ist.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, sind die Gerichtskosten dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG)
Demnach erkennt die Kammer:
1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Gesuchsteller auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Februar 2004
Im Namen der Anklagekammer
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: