Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 424/03
Urteil vom 8. März 2004
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und
Kernen; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
Parteien
Z.________, 1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Alexander Feuz, Spitalgasse 30, 3011 Bern,
gegen
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
(Entscheid vom 8. Mai 2003)
Sachverhalt:
A.
Z.________ (geboren 1960) ist seit Jahren als selbstständigerwerbender Fahrlehrer tätig. Am 15. Februar 1999 zog er sich bei einem Skiunfall unter anderem beidseitige Acetabulumfrakturen, eine Luxation der linken Hüfte, den Bruch verschiedener Wirbelkörper sowie eine Commotio cerebri zu. In der Folge konnte er seine Arbeit nur noch in reduziertem Ausmass aufnehmen und ersuchte um Leistungen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle Bern holte verschiedene ärztliche Berichte ein und liess die berufliche Situation abklären. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2002 sprach sie Z.________ eine halbe Invalidenrente im Härtefall zuzüglich einer halben Zusatzrente für die Ehefrau sowie drei halbe Kinderrenten zu.
B.
Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Bern den Rechtsvertreter von Z.________ zur präzisierenden Begründung aufgefordert hatte, wies es die gegen die Verfügung vom 25. Oktober 2002 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 8. Mai 2003 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Z.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben; eventualiter sei ihm eine ganze Rente auszurichten; subeventualiter sei festzustellen, dass sein Invaliditätsgrad mindestens 50 % betrage und er Anspruch auf eine ordentliche halbe Invalidenrente habe. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) nicht anwendbar, da die streitige Verfügung vom 25. Oktober 2002 vor In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 erlassen wurde (vgl. auch 129 V 4 Erw. 1.2).
2.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz und macht Willkür geltend. Allerdings legt er nicht weiter dar, inwiefern das kantonale Gericht seine verfassungsmässigen Rechte verletzt hätte. Da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die ganze Angelegenheit nach Anhaltspunkten zu Gunsten des Versicherten zu durchforsten, und es sich in seinem Entscheid nicht einlässlich mit jedem einzelnen Einwand auseinander zu setzen hat, sondern sich auf die massgeblichen Belange beschränken kann (BGE 124 V 181 Erw. 1a mit Hinweisen; bestätigt in der nicht publizierten Erw. 3.1 von BGE 129 V 196), ist auf die unsubstanziierten Rügen nicht näher einzugehen.
3.
Der Beschwerdeführer verlangt im Eventualbegehren die Feststellung, dass sein Invaliditätsgrad mindestens 50 % betrage und er Anspruch auf eine ordentliche halbe Invalidenrente habe.
3.1 Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung über den Anspruch auf eine Feststellungsverfügung und das Rechtsschutzinteresse (vgl. Art. 25 Abs. 2 VwVG; BGE 125 V 24 Erw. 1b, 121 V 317 Erw. 4a, je mit Hinweisen), insbesondere die Anfechtbarkeit der Begründung einer Leistungszusprechung (BGE 115 V 417 Erw. 3b/aa, 106 V 91, je mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.2 Zu Unrecht wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptet, ein unmittelbares und aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines Invaliditätsgrades von über 50 % sei allein schon auf Grund der theoretischen Möglichkeit zu bejahen, dass die Härtefallvoraussetzungen nach dem bis 31. Dezember 2003 in Kraft gewesenen Art. 28 Abs. 1bis IVG und somit der Anspruch auf eine halbe Invalidenrente entfallen könnten. Denn bei einem allfälligen Wegfall der finanziellen Härte hat der Beschwerdeführer ohnehin Anspruch auf Überprüfung der Frage, ob ihm die halbe, bis anhin auf der Grundlage des bis 31. Dezember 2003 in Kraft gewesenen Art. 28 Abs. 1bis IVG ausgerichtete Rente nicht auch unter der Voraussetzung eines mindestens hälftigen Invaliditätsgrades (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung) zu gewähren sei. Sollte dannzumal die Frage verneint werden, hat er die Möglichkeit, die Aufhebungsverfügung mit dieser Begründung anzufechten (BGE 106 V 93 Erw. 2; Urteil K. vom 30. April 2001, I 9/01), womit dem Rechtsschutzinteresse vollumfänglich Genüge getan ist. Auch der Einwand, er habe im parallelen Straf- bzw. Zivilverfahren den Schaden zu beziffern, genügt den Anforderungen der Rechtsprechung an das schutzwürdige Interesse an einer Feststellungsverfügung nicht.
4.
Streitig und zu prüfen bleibt somit, ob der Versicherte Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.
4.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine Invalidenrente ( Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung; BGE 128 V 30 Erw. 1 mit Hinweisen) sowie nach der ausserordentlichen Methode (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung; BGE 128 V 30 Erw. 1 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4.2 Die Vorinstanz hat zu Recht festgestellt, dass auf Grund der einfachen Betriebsstruktur (Einmannbetrieb ohne Mithilfe von Familienangehörigen) die invaliditätsfremden Erträge und Aufwendungen feststellbar sind und somit trotz der selbstständigen Erwerbstätigkeit die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs zur Anwendung gelangt.
4.3 Nicht gefolgt werden kann ihr jedoch bezüglich der Ermittlung des Valideneinkommens. Bei (Selbstständig-)Erwerbstätigen, deren Einkommen starken und verhältnismässig kurzen Schwankungen unterliegt, ist gemäss Rechtsprechung bei der Invaliditätsbemessung für das ohne Gesundheitsschaden erzielbare Erwerbseinkommen vom Durchschnittswert während einer längeren Zeitspanne auszugehen (ZAK 1985 S. 464; vgl. auch ZAK 1990 S. 519 Erw. 3c sowie Urteil M. vom 8. November 2001, I 157/00). Für die Feststellung des Valideneinkommens ist somit auf einen Durchschnitt von mehreren Jahren abzustellen. Vorliegend bietet es sich an, dafür die von der IV-Stelle eingeforderten Zahlen der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Gesundheitsschadens heranzuziehen. Zudem ist der Grundsatz zu beachten, wonach beim Valideneinkommen massgebend ist, was die versicherte Person als gesunde verdient hätte; ist das vor Eintritt des Gesundheitsschadens erzielte Einkommen tief, so kann darauf nur abgestellt werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die versicherte Person auch ohne Gesundheitsschaden sich damit begnügt hätte (BGE 125 V 157 Erw. 5c/bb; ZAK 1992 S. 92 Erw. 4a mit Hinweisen; vgl. auch Urteil M. vs. IV-Stelle Bern vom 4. April 2002, I 696/01, und Urteil Z. vs. IV-Stelle Bern vom 29. Januar 2003, I 305/02). Es kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer hätte sich auch in Zukunft mit einem (Validen-)Einkommen von Fr. 38'656.- zufrieden gegeben. Vielmehr muss angenommen werden, dass er - wie in früheren Jahren mit niedrigem Einkommen auch schon (vgl. hiezu die Einträge im individuellen Konto der Jahre 1987 bis 1992) - nebst der Fahrschule noch als angestellter Bus- oder Carchauffeur gearbeitet hätte. Auch aus diesem Grund ist das massgebliche Valideneinkommen auf Grund des Mittels der letzten fünf Jahre vor dem Eintritt des Gesundheitsschadens, d.h. von 1994 bis 1998, zu erheben. Demnach ergibt sich ein durchschnittliches jährliches Einkommen von Fr. 58'494.- ([Fr. 76'084.- + Fr. 71'485.- + Fr. 67'590.- + Fr. 58'155.- + Fr. 19'158.-] : 5).
4.4
4.4.1 Dr. med. L.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, vermag weder in seinem Bericht vom 10. Juli 2000 noch in jenem vom 11. Juli 2000 die zumutbare Erwerbstätigkeit genauer anzugeben. In sämtlichen Berichten der Klinik für Orthopädische Chirurgie, Spital X.________, gehen die Ärzte von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % als Fahrlehrer aus (vgl. die Berichte vom 12. April 2001, 25. April 2001, 6. Juni 2001 und 4. März 2002). Prof. G.________ schreibt in seinem Bericht vom 4. März 2002 gar, für eine Langzeitprognose der Hüften sei eine 50%ige Arbeitsfähigkeit als sinnvoll zu erachten. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass gemäss den behandelnden Ärzten für die Zukunft eine Verschlechterung des Leidens zu erwarten ist; diesfalls könnte der Versicherte im Rahmen einer Revision im Sinne von Art. 17 ATSG (bis 31. Dezember 2002 Art. 41 IVG) eine verminderte Arbeitsfähigkeit geltend machen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durften Vorinstanz und Verwaltung somit bei der Ermittlung des Invalideneinkommens von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % im angestammten Beruf ausgehen.
4.4.2 Bei der beruflichen Abklärung hat die Verwaltung dem Umstand der vorübergehenden grösseren Konkurrenz in der Region Rechnung getragen. Was die vom Versicherten geltend gemachte Unmöglichkeit des Motorrad- und Lastwagenunterrichts betrifft, ist festzuhalten, dass sich die IV-Stelle diesbezüglich nur auf die von ihm in diesen Bereichen auch nach dem Unfall noch tatsächlich erzielten Einnahmen abgestützt hat, der grösste Teil des Umsatzes jedoch mit dem Theorie- und Personenwagenunterricht erzielt wird und vom Versicherten im Rahmen der Schadenminderungspflicht (BGE 123 V 233 Erw. 3c mit Hinweisen) erwartet werden kann, dass er bei Aufgabe des Motorrad- und Lastwagenunterrichts seine Bemühungen in den verbleibenden Sparten entsprechend intensiviert.
4.4.3 Im Übrigen ist das von Verwaltung und Vorinstanz ermittelte Invalideneinkommen von Fr. 20'478.- nicht bestritten. Aus den Akten ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, wonach dieses zu beanstanden wäre.
4.5 Bei einem Vergleich des hypothetischen Valideneinkommens mit dem massgebenden Invalideneinkommen ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 65 %. Der Beschwerdeführer hätte damit Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung. Nachdem ihm aber bereits mit Verfügung vom 25. Oktober 2002 sowie mit Entscheid vom 8. Mai 2003 eine halbe Rente zugesprochen wurde und er kein Rechtsschutzinteresse an einer Feststellungsverfügung hat (vgl. oben Erw. 3), sind der vorinstanzliche Entscheid sowie die Verfügung der IV-Stelle im Ergebnis zu bestätigen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 8. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: