Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.451/2003 /kra
Urteil vom 12. März 2004
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Näf.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint,
gegen
B.________, vertreten durch Fürsprecher Peter Saluz,
C.________,
Beschwerdegegner,
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern.
Gegenstand
Mord (Art. 112 StGB); Würdigung eines mitochondrialen DNA-Gutachtens,
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer,
vom 9. August 2002.
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X.________ am 9. August 2002 in Bestätigung des Entscheids des Kreisgerichts VIII Bern-Laupen vom 20. Juni 2001 wegen Mordes (Art. 112 StGB), begangen am 1. Juli 1996 in Oberwangen zum Nachteil von A.________, zu 15 ½ Jahren Zuchthaus.
B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Vorinstanz stützt die Feststellung betreffend die Täterschaft des Beschwerdeführers unter anderem auf das Ergebnis einer mitochondrialen (mt) DNA-Analyse eines Haares, welches auf der Leiche des Getöteten gefunden wurde (angefochtenes Urteil S. 100 ff.). Die mt DNA-Analyse mit bloss zirka 16'000 Bauteilen eignet sich im Gegensatz zur Kern-DNA-Analyse mit zirka 3 Milliarden Bauteilen, die bei Haaren jedoch nur bei Vorhandensein der Haarwurzel durchgeführt werden kann, nicht zur Individualisierung, da alle Personen, die mütterlicherseits verwandt sind, und auch andere Personen dieselben Merkmale aufweisen können (angefochtenes Urteil S. 102). Die Vorinstanz hält unter anderem fest, gemäss Expertise stamme das fragliche Haar mit einer 240-fach grösseren Wahrscheinlichkeit vom Beschwerdeführer oder einer mütterlicherseits mit ihm verwandten Person als von einer anderen Person (angefochtenes Urteil S. 104). Die Vorinstanz stellt zusammenfassend fest, dass die Expertise zwar kein Beweis, aber doch ein recht gewichtiges Indiz für die Anwesenheit des Beschwerdeführers zur Tatzeit am Tatort und damit für dessen Täterschaft sei (angefochtenes Urteil S. 105).
Der Beschwerdeführer macht in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde einzig geltend, bei der Analyse, Präsentation und Interpretation der mt DNA-Analyse des Haares seien von Seiten der gerichtlichen Experten und der Vorinstanz anerkannte wissenschaftlich-technische Regeln verletzt worden. Er vertritt ohne nähere Begründung die Auffassung, die Verletzung solcher Regeln könne nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden.
1.2 Die Verletzung von allgemeinen Erfahrungssätzen kann unter Umständen gleich der Verletzung von Bundesrecht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden (siehe dazu BGE 116 IV 306 E. 2b; 115 IV 189 E. 4b; 103 IV 110 E. 3; Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, N. 649; Gilbert Kolly, Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation pénal du Tribunal fédéral, 2004, S. 43; Schubarth, Nichtigkeitsbeschwerde 2001, N. 171 ff.; Bernhard Sträuli, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunal fédéral, Diss. Genf 1995, N. 406 ff.; Christian Ferber, Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Diss. Zürich 1993, S. 55 ff.: Raphael von Werra, Zu Begriff und Grundlagen der tatsächlichen Feststellung im Sinne von Art. 277bis Abs. 1 Satz 2 BStP, ZStrR 101/1984 S. 264 ff., 273 ff.; vgl. entsprechend für die Berufung an das Bundesgericht BGE 118 II 365; 117 II 256 E. 2b; Poudret/ Sandoz-Monod, COJ, N. 4.2.4 zu Art. 63 OG).
1.3 Der Beschwerdeführer macht in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde - wie übrigens auch (weitgehend wörtlich übereinstimmend) in einer staatsrechtlichen Beschwerde - zusammengefasst im Wesentlichen geltend, dass das vorliegende Gutachten den wissenschaftlichen Anforderungen nicht genüge, dass mt DNA-Analysen im Allgemeinen und die hier vorliegende Analyse im Besonderen aus verschiedenen Gründen nicht den Beweiswert beziehungsweise die Aussagekraft hätten, welche ihnen vom Gutachter und von der Vorinstanz attestiert würden, und dass daher die konkrete Analyse beziehungsweise das konkrete Gutachten - im Rahmen der gesamten Beweiswürdigung - nicht ein so gewichtiges Indiz für seine Täterschaft sei, wie es das Obergericht angenommen habe.
Dies ist Kritik an der Beweiswürdigung, die mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgetragen werden kann. Es ergibt sich im Übrigen nicht zuletzt aus der Beschwerdeschrift selbst, dass keine allgemeinen Erfahrungssätze betreffend die Frage bestehen, unter welchen Umständen im Einzelnen eine mt DNA-Analyse welche Aussagekraft besitzt. Die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde enthält nichts, was mit diesem Rechtsmittel gerügt werden kann.
Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht einzutreten.
2.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Seine finanzielle Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Die Abgrenzung zwischen der Beweiswürdigung und der Anwendung von allgemeinen Erfahrungssätzen kann mitunter schwierig sein. Daher kann nicht gesagt werden, dass die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde von vornherein offensichtlich unzulässig waren. Über die Erfolgsaussichten der diesbezüglichen Rügen in einem Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ist hier nicht zu befinden. Das Gesuch ist deshalb gutzuheissen.
Daher werden keine Kosten erhoben und wird dem Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Sararard Arquint, Zürich, eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Sararard Arquint, Zürich, wird eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. März 2004
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: