Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 49/03
Urteil vom 16. März 2004
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Traub
Parteien
M._______, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Markus Schmid, Steinenschanze 6, 4051 Basel,
gegen
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General-Guisan-Strasse 40, 8401 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
(Entscheid vom 15. Januar 2003)
Sachverhalt:
A.
Die 1956 geborene M._______ war seit 1991 als Hauswirtschaftslehrerin bei der Erziehungsdirektion X.________ angestellt und in dieser Eigenschaft durch die Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden: Winterthur Versicherungen) obligatorisch unfallversichert. Sie erlitt am 3. Oktober 1992 bei einem Sturz vom Fahrrad eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Diskusläsion der Segmente C4 bis C6.
Nach Abschluss der Leistungen für Heilbehandlung und der Taggelder sprach die Winterthur Versicherungen der Versicherten eine Integritätsentschädigung von 30 % zu und richtete ihr mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1997, in Ergänzung zu einer ganzen, auf einem Invaliditätsgrad von 100 % beruhenden Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung eine monatliche Komplementärrente von Fr. 4724.- aus; dies ebenfalls auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100 % (Verfügung vom 22. März 1999). Nachdem die Versicherte im April 1997 geheiratet und am 20. August 1999 ein Kind geboren hatte, gewährte die Invalidenversicherung mit Verfügungen vom 14. Dezember 1999 zusätzlich zur laufenden ganzen Invalidenrente mit Wirkung ab dem 1. April 1997 eine Zusatzrente für den Ehegatten von monatlich Fr. 501.- und mit Wirkung ab dem 1. August 1999 eine Kinderrente von Fr. 675.-. Im Rahmen einer Rentenrevision teilte die Invalidenversicherung M._______ am 19. Dezember 2000 mit, den veränderten Lebensumständen (hypothetische Reduktion der Erwerbstätigkeit zugunsten der Tätigkeit im Haushalt) sei nunmehr mit einem Wechsel der Invaliditätsbemessungsmethode Rechnung zu tragen. Das ohne Gesundheitsschaden anzunehmende Erwerbspensum - mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit - reduziere sich auf 25 %. Die Leistungseinbusse im Aufgabenbereich Haushalt betrage 61 %. Der Übergang von der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs zur so genannten gemischten Methode beeinflusse die Höhe des Rentenanspruchs indes nicht (neuer Invaliditätsgrad: 71 %).
Mit Verfügung vom 29. März 2001 teilte die Winterthur Versicherungen M._______ mit, die Komplementärrenten-Berechnung sei rückwirkend den geänderten Verhältnissen anzupassen. Per 1. Oktober 1997 verringere sich die Komplementärrente um den Betrag der Zusatzrente für den Ehemann und betrage daher richtigerweise noch Fr. 4223.-. Ab dem 1. August 1999 sei - unter zusätzlicher Berücksichtigung der Kinderrente - noch eine Komplementärrente von Fr. 3548.- geschuldet. Bis zum 28. Februar 2001 seien zu viel erhaltene Rentenleistungen von insgesamt Fr. 33'558.- aufgelaufen; der Rückforderungsbetrag werde verrechnungsweise zu tilgen sein.
Diese Verfügung wurde mit Einspracheentscheid vom 19. Dezember 2001 bestätigt. Dem Antrag der Versicherten, die auf der gemischten Bemessungsmethode beruhende Rente der Invalidenversicherung sei nur noch anteilig anzurechnen, wurde nicht gefolgt.
B.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 15. Januar 2003).
C.
M._______ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid und der Einspracheentscheid seien aufzuheben und die Winterthur sei zu verpflichten, der Beschwerdeführerin mit Wirkung ab dem 1. August 1999 eine jährliche Komplementärrente von Fr. 64'718.- "zuzüglich seither zu gewährender Teuerungszulagen" auszurichten.
Die Winterthur Versicherungen lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde antragen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), Abteilung Unfallversicherung (seit dem 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit [BAG]), verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Bemessung der Komplementärrente der Unfallversicherung beim Zusammentreffen mit Rentenleistungen der AHV/IV (Art. 20 Abs. 2 UVG), über die Herstellung sachlicher Kongruenz hinsichtlich der durch die Invaliden- und Unfallversicherung versicherten Invaliditäten (Art. 32 Abs. 1 UVV) und über die Anpassung der Komplementärrenten an veränderte Verhältnisse (Art. 33 Abs. 2 UVV) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
Art. 32 Abs. 1 UVV in der Fassung der Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996 (AS 1996 3456), in Kraft seit 1. Januar 1997, ist in Fällen anwendbar, in welchen der Anspruch auf eine Komplementärrente nach dem 31. Dezember 1996 entstanden ist (hier: 1. Oktober 1997; Urteil B. vom 15. März 2002, U 283/00).
1.2 Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 (in Kraft seit dem 1. Januar 2003) findet vorliegend keine Anwendung; massgebend sind vielmehr die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des streitigen Einspracheentscheids vom 19. Dezember 2001 (BGE 129 V 4 Erw. 1.2; vgl. BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
2.
Streitig ist, ob die Komplementärrente nicht nur aufgrund der neu hinzugekommenen Kinder- und Ehegattenrente der Invalidenversicherung anzupassen (Art. 33 Abs. 2 lit. a UVV), sondern auch gemäss Art. 32 Abs. 1 UVV ab dem Zeitpunkt und in dem Umfang neu zu berechnen sei, in welchem durch einen Wechsel der Bemessungsmethode in der Invalidenversicherung neu eine in der Unfallversicherung nicht obligatorisch versicherte Tätigkeit (hier im Haushalt) abgegolten wird.
2.1 Die IV-Stelle Basel-Stadt ist revisionsweise davon ausgegangen, die Versicherte wäre als Gesunde nach der Geburt ihres Kindes fortan noch in einem Teilpensum von 25 % erwerbstätig, also zu 75 % im Haushalt tätig. Im Haushalt bestehe eine Einschränkung von 61 %, im erwerblichen Bereich nach wie vor eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. In Anwendung der gemischten Methode ergebe sich aus der Addition beider Teilinvaliditäten (46 und 25 %) eine Gesamtinvalidität von 71 % (vgl. Art. 27bis IVV; BGE 125 V 146; ZAK 1992 S. 128 Erw. 1b mit Hinweisen).
2.2 Der Unfallversicherer rechnete die revidierte Invalidenrente der Invalidenversicherung bei der Neuberechnung seiner Komplementärrente vollumfänglich an. Im Einspracheentscheid machte er deutlich, aus der Sicht der Unfallversicherung werde unverändert eine volle Invalidität auf der Basis des versicherten Verdienstes einer Vollzeitbeschäftigung entschädigt. Hätte die Versicherte schon im Unfallzeitpunkt zufolge Kinderbetreuung nur eine Teilerwerbstätigkeit ausgeübt, wäre die Invalidenrente der Unfallversicherung auch auf dieser Grundlage zu berechnen gewesen. Es gehe nicht an, als Folge einer hypothetischen Senkung des Arbeitspensums nur noch einen geringen Teil der Invalidenrente anzurechnen, währenddem eine Anpassung der UV-Rente an die geänderten Verhältnisse nicht möglich sei. Das kantonale Gericht hat erwogen, die in Art. 33 Abs. 2 UVV enthaltenen Gründe für eine Anpassung der Komplementärrente seien abschliessend. Die Herstellung "sachlicher Kongruenz" im Sinne von Art. 32 Abs. 1 UVV auch im Rahmen einer Änderung der Komplementärrente erscheine nach der gesetzlichen Systematik von Art. 20 Abs. 2 UVG ausgeschlossen; diese Bestimmung verleihe dem Anliegen der "Rentenkontinuität" Ausdruck.
Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Rente der Invalidenversicherung sei bloss in dem Umfang anzurechnen, als sie die Erwerbstätigkeit abgelte, somit - aufgrund des erwerblichen Anteils am Gesamtpensum von 25 % und des gesamten Invaliditätsgrades von 71 % - zu 25/71.
3.
3.1 Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 UVG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Bemessung der Komplementärrente nach den Verhältnissen beim erstmaligen Zusammentreffen der Renten festgesetzt werden soll. Der in Art. 20 Abs. 3 UVG zum Erlass von Vorschriften über die Berechnung der Komplementärrenten in "Sonderfällen" ermächtigte Bundesrat hat die Fälle, in denen eine nachträgliche Anpassung möglich sein soll, in Art. 33 Abs. 2 UVV abschliessend festgelegt. Ein solcher Vorbehalt besteht unter anderem hinsichtlich späterer Änderungen der für Familienangehörige bestimmten Teile der AHV/IV-Rente. Dagegen erfolgt eine Festsetzung nach Art. 32 Abs. 1 UVV - der dort vorgesehene Grundsatz der sachlichen Kongruenz besagt, dass nur solche Leistungen in die Überentschädigungsrechnung einzubeziehen sind, die für das gleiche versicherte Ereignis ausgerichtet werden und dem gleichen Zweck dienen (BGE 126 V 509 Erw. 2b) - einzig aufgrund der Verhältnisse bei der erstmaligen Festlegung der Komplementärrente. Im Rahmen laufender Leistungen verbleibt daher kein Raum für eine Berücksichtigung von Änderungen der Bemessungsmethode des Invaliditätsgrades gemäss IVG (vgl. BGE 127 V 452 Erw. 2b). Im Gegensatz zur in RKUV 2001 Nr. U 443 S. 547, 551 behandelten Konstellation liegt kein Versehen des Verordnungsgebers vor. Denn ein allgemeiner Grundsatz der sachlichen Kongruenz lässt sich Art. 20 Abs. 2 UVG nicht entnehmen. Der Grundsatz gilt, soweit der Verordnungsgeber es vorsieht (BGE 130 V 44 Erw. 4.1 in fine).
Die Beschwerdeführerin kann denn auch aus BGE 124 V 279 nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dieser Entscheid betrifft die Konkurrenz zwischen einer nach der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung berechneten Rente der Invalidenversicherung und einer Invalidenrente der beruflichen Vorsorge. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat Art. 24 Abs. 2 BVV 2 im Sinne des Kongruenzgrundsatzes ausgelegt (BGE 124 V 281 f. Erw. 2a). Damit hat es im Verhältnis zusammentreffender Invalidenrenten gemäss IVG und BVG dieselbe rechtliche Ausgangslage geschaffen, wie sie in dem seit 1. Januar 1997 in Kraft stehenden Art. 32 Abs. 1 UVV für die Unfallversicherung verwirklicht wurde (Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996, AS 1996 3456; vgl. dazu die Erläuterungen des BSV in RKUV 1997 S. 48 ff.). Eine Aussage des Inhalts, dass entsprechende Kongruenz nicht nur bei der originären Berechnung der Rente der beruflichen Vorsorge, sondern auch anlässlich einer nachträglichen Modifizierung der für die Invalidenrente massgebenden Anspruchsgrundlagen herzustellen sei, ist nicht ersichtlich.
3.2 Soweit die Versicherte auf den Grundsatz der materiellen Revision im Bereich von formell rechtskräftig zugesprochenen Dauerleistungen verweisen lässt, ist ihr entgegenzuhalten, dass unter diesem Rückkommenstitel Änderungen der unmittelbaren Anspruchsgrundlagen Berücksichtigung finden. Dagegen geht es im hier massgebenden Zusammenhang allein um koordinationsrechtliche, mithin indirekte Folgen geänderter Verhältnisse. Die reflexweise Anpassung der einen Leistung an eine veränderte Anspruchsgrundlage der andern Leistung, die nur für diese letztere relevant ist, kann selbstredend nicht mit dem Fall gleichgesetzt werden, in welchem sich der "eigene" leistungserhebliche Sachverhalt ändert. Die Beschwerdegegnerin macht daher zu Recht geltend, die von der Versicherten anbegehrte reduzierte Anrechnung der Invalidenrente zufolge hypothetischer Senkung des Arbeitspensums sei nicht mit dem Umstand vereinbar, dass sie weiterhin eine Invalidenrente auf der Grundlage des versicherten Verdienstes einer Vollzeitbeschäftigung auszurichten habe.
4.
4.1 Zusammenfassend bleibt es dabei, dass auf die Berechnungsgrundlagen abzustellen ist, wie sie beim erstmaligen Zusammentreffen von Renten der Unfallversicherung und der Invalidenversicherung bestanden haben. Eine nachträgliche Anpassung der Komplementärrente erfolgt nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 UVV gegeben sind. Hingegen führt der Umstand, dass die Invalidenversicherung für die Bemessung der - unverändert ganzen - Rente geburtsbedingt auf die gemischte Methode umstellte, nicht dazu, die Invalidenrente im Sinne des Art. 32 Abs. 1 UVV bloss noch anteilig anzurechnen.
4.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, die Invalidenversicherung habe die gemischte Methode zu Unrecht angewandt, nicht geprüft zu werden.
5.
Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht der Schweizerischen Unfallversicherung (SUVA) und den privaten UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 126 V 150 Erw. 4a mit Hinweis).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 16. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: