Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8G.129/2003 /pai
Urteil vom 22. März 2004
Anklagekammer
Besetzung
Bundesrichter Karlen, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident,
Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Monn.
Parteien
Galerie X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Ritter,
gegen
Eidgenössische Zollverwaltung, Oberzolldirektion, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern.
Gegenstand
Beschlagnahme ( Art. 46 und 47 VStrR ),
AK-Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung der Eidgenössischen Zollverwaltung, Oberzolldirektion, vom 18. November 2003.
Sachverhalt:
A.
Am 4. Juli 2001 sollte am Flughafen Zürich-Kloten eine für die Galerie X.________ bestimmte Sendung Lithographien und Plakate aus den USA in die Schweiz eingeführt werden. Dabei stellte das Zollamt fest, dass die deklarierten und in den Begleitpapieren vermerkten Werte der Waren nicht mit den effektiven Werten gemäss den vom Zollamt angeforderten Unterlagen übereinstimmten. Zudem wurde für die Lithographien unter Vorlage einer Erklärung des Künstlers die steuerfreie Abfertigung verlangt.
Am 10. Juli 2001 sandte das Zollamt die Akten an die Sektion Untersuchung Zürich. Diese leitete gegen Frau X.________ und einen Mitarbeiter der Galerie X.________ eine Strafuntersuchung ein. Die Beschuldigten werden verdächtigt, den Wert einer steuerpflichtigen Ware falsch deklariert und versucht zu haben, eine unrechtmässige Steuerbefreiung zu erwirken.
B.
Am 18. November 2003 sprachen Inspektoren der Sektion Untersuchung wegen der Angelegenheit bei der Galerie X.________ vor. Im Rahmen des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Galerie, gegen den das Verfahren seinerzeit ebenfalls eröffnet worden war, erklärte dieser, er sei sich der falschen Wertangabe bewusst gewesen, aber es sei bei den Amerikanern üblich, zu tiefe Werte zu deklarieren. In der Zwischenzeit war auch Frau X.________ in der Galerie eingetroffen. Nachdem sie über den Grund der Vorsprache orientiert worden war, beschlagnahmten die Beamten die Buchhaltungsunterlagen der Jahre 2000 bis 2003.
C.
Frau X.________ führt mit rechtzeitiger Eingabe vom 21. November 2003 Beschwerde gegen die Beschlagnahme. Sie beantragt sinngemäss, die Beschlagnahme sei aufzuheben (act. 1).
Die eidgenössische Zollverwaltung beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 27. November 2003, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 3).
Innert der erstreckten Frist hält die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. Dezember 2003 an ihrem Antrag fest. Sie beantragt überdies, bis zum Entscheid über die Beschwerde habe eine Beweisverwertung zu unterbleiben, und die beschlagnahmten Akten seien vorsorglich zu versiegeln und an geeigneter Stelle zu verwahren (act. 8).
Die Zollverwaltung hält im zweiten Schriftenwechsel mit Eingabe vom 12. Januar 2004 an ihrem Antrag fest (act. 10).
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
Im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Beschlagnahme vom 18. November 2003. Eine Versiegelung wurde damals nicht verlangt (vgl. dazu Art. 50 Abs. 3 VStrR). Im Wesentlichen ist heute nur auf die Rügen und Anträge einzugehen, die die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 21. November 2003 erhoben und gestellt hat. Auf die Eingabe vom 23. Dezember 2003 ist insoweit nicht einzutreten, als darin neue Rügen erhoben werden. Diese Vorbringen sind verspätet.
2.
Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die Art und Weise der Beschlagnahme, die im öffentlichen Raum und teilweise im Beisein von Publikum vollzogen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe das Auftreten der Beamten als ungebührlich empfunden. Zudem seien weder eine schriftliche Verfügung noch ein Hausdurchsuchungsbefehl vorgelegt worden (act. 1).
Die erste Rüge ist unbegründet. Wie sich aus der Replik der Beschwerdeführerin ergibt, verfügt die Galerie nicht über getrennte Büroräume (act. 8 S. 6). Es war folglich nicht zu vermeiden, die Beschlagnahme in den eigentlichen Galerieräumlichkeiten durchzuführen. Dass die Massnahme den Geschäftsbetrieb beeinträchtigt haben könnte, ist deshalb möglich. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Beamten gegen Art. 45 Abs. 1 VStrR verstossen hätten und nicht mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung verfahren wären. Die Beschwerdeführerin behauptet z.B., die Beamten hätten die Galerie "durchwühlt" und seien "unter Tische gekrochen" (vgl. act. 8 S. 7). Dem hält die Zollverwaltung entgegen, die beschlagnahmten Ordner hätten sich zum grössten Teil in den Regalen der Eingangstheke befunden, vor welcher jedoch ein Schreibtisch gestanden habe, "so dass die Ordner nur herausgeholt werden konnten, indem man unter den Schreibtisch kroch" (act. 10 S. 2). Von "Wildwest-Methoden" (act. 8 S. 9) kann unter diesem Umständen nicht gesprochen werden.
Auch die zweite Rüge ist unbegründet. Es geht vorliegend um eine Beschlagnahme von Unterlagen. Gemäss Art. 47 Abs. 1 VStrR erhält der von einer Beschlagnahme Betroffene eine Empfangsbescheinigung oder ein Doppel des Beschlagnahmeprotokolls. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie ein Doppel des Beschlagnahmeprotokolls erhalten hat. Dieses ist denn auch unterschrieben worden, ohne dass sich daraus ergäbe, dass jemand gegen die Beschlagnahme protestiert hätte (act. 2). Unter diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben jetzt nachträglich nicht mehr geltend machen, die Beamten hätten vor der Beschlagnahme einen Hausdurchsuchungsbefehl vorweisen müssen (Urteil G.48/1993 vom 21. Oktober 1993 E. 2d).
3.
Voraussetzung für Zwangsmassnahmen gemäss Art. 45 ff. VStrR, zu denen die vorliegende Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen gehört, ist ein hinreichender, objektiv begründeter Tatverdacht gegenüber dem Inhaber der mit Beschlag belegten Unterlagen oder einem Dritten. Dabei sind an die Bestimmtheit der Verdachtsgründe allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (Art. 125 IV 222, unveröffentlichte E. 2c). Im Gegensatz zum erkennenden Richter nimmt die Anklagekammer bei der Überprüfung des Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung der in Betracht fallenden Tat- und Rechtsfragen vor. Sie hebt die Beschlagnahme nur auf, wenn die behauptete Rechtsverletzung offensichtlich ist (BGE 124 IV 313 E. 4).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, zur Eröffnung des Verfahrens habe ein "Versehen" geführt, welches auf Seiten des Versenders entstanden sei. Dieses Versehen sei von Seiten der Beschwerdeführerin eingestanden worden (act. 1).
In Bezug auf den Tatverdacht ist zunächst davon auszugehen, dass am 4. Juli 2001 ein konkreter Verdacht auf strafbare Handlungen im Zusammenhang mit einer Einfuhr bestand. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Eröffnung des Verfahrens im Jahre 2001 auf einem blossen "Versehen" beruht haben könnte.
In der Folge blieb das Verfahren dann allerdings mehr als zwei Jahre lang liegen, ohne dass ersichtlich wäre, was zu dieser ungewöhnlich langen Verzögerung geführt hat. Erst am 18. November 2003 erschienen die Inspektoren bei der Beschwerdeführerin. Sie sprachen den Mitarbeiter auf die Einfuhr vom 4. Juli 2001 an und legten ihm das Settlement of accounts mit den richtigen Werten sowie den Transport Order mit den falschen Werten vor (Untersuchungsbericht vom 18. November 2003 S. 1). Zum Zeitpunkt der Vorsprache der Beamten stellte folglich der Vorfall vom 4. Juli 2001 das einzige gegen die Beschwerdeführerin sprechende Verdachtsmoment dar. Es ist zumindest fraglich, ob dieses Verdachtsmoment allein die Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen der Jahre 2000 bis 2003 gerechtfertigt hätte.
Nun hat der Mitarbeiter der Galerie allerdings im Verlaufe des Gesprächs mit den Beamten selber eingeräumt, dass es bei den Amerikanern "üblich" sei, zu tiefe Werte zu deklarieren, und erst aufgrund dieser Angaben entschieden sich die Beamten dafür, die Ordner mit den Buchhaltungsunterlagen und weitere mit den Einfuhren zusammenhängende Akten zu beschlagnahmen (act. 3 S. 2; act. 10 S. 2). Ob die informelle Art der Befragung des Beschuldigten verfahrensrechtlich korrekt war, kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren offen bleiben, zumal - wie oben in E. 2 schon gesagt - seitens der Beschwerdeführerin kein Protest aktenkundig gemacht worden ist. Die Annahme, es bestehe ein Verdacht auf weitere strafbare Handlungen, ist unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht offensichtlich verfehlt.
4.
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin sinngemäss geltend, die Beschlagnahme sei unverhältnismässig. Es seien bereits im Jahr 2001 alle damals eingeforderten Unterlagen beigebracht worden. Sie benötige die beschlagnahmten Unterlagen, soweit sie für den Jahresabschluss relevant seien, und es solle ihr mitgeteilt werden, bis wann mit der Rückgabe zu rechnen sei (act. 1).
Die Zollverwaltung bringt dagegen nur vor, bei einer ersten Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen hätten sich die Verdachtsmomente bestätigt (act. 3 S. 2). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die am 18. November 2003 vorgenommene Beschlagnahme sämtlicher Buchhaltungsunterlagen der Jahre 2000 bis 2003 verhältnismässig gewesen wäre. Dies erscheint denn auch eher fraglich, weil sich die Zollverwaltung am 18. November 2003 ausschliesslich auf das eher vage Gespräch mit dem Mitarbeiter der Galerie stützen konnte. Auch diese Frage muss jedoch nicht abschliessend geprüft werden. Nach dem in E. 3 Gesagten ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren davon auszugehen, dass jedenfalls ein gewisser Verdacht auf mehrere strafbare Handlungen bestand. Die Zollverwaltung wird nun, wie sie selber ausdrücklich in Aussicht stellt, die beschlagnahmten Akten so rasch wie möglich auswerten und daraufhin die nicht benötigten Unterlagen unverzüglich zurückgeben (act. 3 S. 2). Unter diesen Umständen kann - wenn auch mit gewissen Bedenken - festgestellt werden, dass der Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt worden ist.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Angesichts der besonderen Umstände kann auf eine Kostenauflage verzichtet werden.
Demnach erkennt die Kammer:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und der Eidgenössischen Zollverwaltung, Oberzolldirektion, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. März 2004
Im Namen der Anklagekammer
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: