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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 93/03
Urteil vom 23. März 2004
II. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Frésard; Gerichtsschreiber Grunder
Parteien
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdeführer,
gegen
C.________, 1958, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter T. Isler, Kronenstrasse 9, 8712 Stäfa
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 31. Januar 2003)
Sachverhalt:
A.
Die 1958 geborene C.________ machte ab 1. Juli 1992 Arbeitslosenentschädigung geltend. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich, an welches die Sache vom Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum am 24. Juli 2002 zum Entscheid überwiesen worden war, stellte fest, dass die Versicherte vom 1. Juli bis 31. Juli 2002 im beantragten Umfang von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung vermittlungsfähig gewesen, ab 1. August 2002 die Vermittlungsfähigkeit und damit der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung dagegen zu verneinen sei (Verfügung vom 26. September 2002).
B.
In Gutheissung einer hiegegen eingereichten Beschwerde entschied das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dass C.________ ab 1. August bis 30. September 2002 im Ausmass von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung vermittlungsfähig gewesen sei (Entscheid vom 31. Januar 2003).
C.
Das AWA stellt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
C.________ lässt in der Vernehmlassung beantragen, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdegegnerin macht in der Vernehmlassung vom 23. Mai 2003 vorab geltend, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei wegen verspäteter Eingabe nicht einzutreten. Das kantonale Gericht hat den Entscheid vom 31. Januar 2003 gegen Empfangsschein zustellen lassen. Die Empfangsbestätigung wurde von einem Mitarbeiter des AWA am 10. März 2003 unterzeichnet. Damit steht beweismässig fest, dass der kantonale Entscheid dem AWA am 10. März 2003 eröffnet wurde, weil nicht anzunehmen ist, dass der Zustellungsbeamte die Gerichtsurkunde ohne gleichzeitige Aushändigung des unterzeichneten Empfangsscheins übergeben hat. Es ist nicht massgebend, dass das AWA offensichtlich schon vor der offiziellen Zustellung der Gerichtsurkunde am 7. März 2003 in den Besitz einer Ausfertigung oder Fotokopie des kantonalen Entscheids vom 31. Januar 2003 gelangt ist. Die Frist von 30 Tagen gemäss Art. 106 Abs. 1 OG begann demnach am 11. März 2003 zu laufen und endigte am 9. April 2003. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde am 7. April 2003 der Post übergeben, womit die Frist von 30 Tagen eingehalten worden ist.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin für die Monate August und September 2002 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung als Taggeld im Umfang von 50 % einer Vollbeschäftigung hat. Die Vorinstanz hat ausschliesslich geprüft, ob die Versicherte vermittlungsfähig gewesen sei. Das Beschwerde führende AWA beanstandet, Prozessthema sei nicht die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit, streitig sei vielmehr, ob und in welchem Umfang die Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall gemäss Art. 11 Abs. 1 AVIG erlitten habe.
3.
3.1 Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt u.a. voraus, dass die versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1 lit. a AVIG). Als ganz arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 1 AVIG). Als teilweise arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 2 lit. a AVIG) oder eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG).
3.2 Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt weiter voraus, dass der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG). Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert (Art. 11 Abs. 1 AVIG). Gemäss Art. 4 AVIV gilt als voller Arbeitstag der fünfte Teil der wöchentlichen Arbeitszeit, die der Versicherte normalerweise während seines letzten Arbeitsverhältnisses geleistet hat (Abs. 1). Hatte der Versicherte zuletzt eine Vollzeitbeschäftigung, so gilt als ausgefallener voller Arbeitstag jeder Wochentag von Montag bis Freitag, an dem der Versicherte ganz arbeitslos ist und für den er die Kontrollvorschriften erfüllt hat, einschliesslich der Feiertage, für die ein Entschädigungsanspruch besteht (Abs. 2). Art. 4 Abs. 2 AVIG gelangt entgegen seinem Wortlaut grundsätzlich bei allen unter Art. 11 Abs. 1 AVIG fallenden Versicherten zur Anwendung, also nicht nur bei früherer Vollbeschäftigung (Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Koller/Müller/ Rhinow/Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 121; Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 19 zu Art. 11). Der Arbeitsausfall von teilweise Arbeitslosen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG ist anrechenbar, wenn er innerhalb von zwei Wochen mindestens zwei volle Arbeitstage ausmacht (Art. 5 AVIV).
4.
4.1 Gemäss Arbeitgeberbescheinigung vom 20. Juni 2002 war die Beschwerdegegnerin bis am 30. Juni 2002 bei der W.________ während 21 Stunden wöchentlich erwerbstätig gewesen. Im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 10. Juni 2002 gab sie an, bereit und in der Lage zu sein, ab 1. Juli 2002 eine Teilzeitarbeit im Umfang von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung anzunehmen. Am 11. Juli 2002 kam es zur Unterzeichnung einer "Zusatz zum Agenturvertrag / Starthilfe im Einführungszyklus (2 Monate GWA)" genannten Vereinbarung mit der A.________ AG. Nach deren Inhalt wurde mit Beginn ab 1. August 2002 ein Vertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen, mit welchem sich die Versicherte verpflichtete, zunächst an einem zwei Monate dauernden Vorbereitungskurs ("Grundlagen der Wirtschaftsanalyse GWA"; Ziff. 1.1 des Vertrages) teilzunehmen und danach "hauptberuflich" als Agentin für die A.________ AG erwerbstätig zu sein. Die A.________ AG verpflichtete sich, für die Dauer von vier Monaten ab dem dritten Monat seit Beginn des Vertragsverhältnisses eine Mindestprovision von Fr. 1'000.- zu vergüten sowie für den dritten bis sechsten Vertragsmonat zusätzlich als "Starthilfe" eine Provision von Fr. 2.- pro erwirtschaftete Einheit (EH) zu bezahlen. Sollte der Agenturvertrag nach Ablauf des "Einführungszyklus" weitergeführt werden, hätte der Agent für die in den beiden ersten Monaten vermittelten Geschäfte rückwirkend Anspruch auf eine Vermittlungsprovision von Fr. 4.-/EH bzw. ab dem 3. Monat von Fr. 5.-/EH. Laut Angaben der Beschwerdegegnerin (Protokoll des AWA vom 19. September 2002) hatte sie in den zwei Monaten August und September 2002 wöchentlich regelmässig Schulungen, Gruppensitzungen sowie zwei bis fünf Kunden zu besuchen; zudem hatte sie Schreiben von Analysen zu verfassen sowie eine Kundenkartei zu erstellen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben benötigte sie ungefähr 16 bis 18 Stunden pro Woche, wobei sie für die Zeit der Einführungsphase von August bis September 2002 keine Entschädigung erhielt. Weiter erklärte sich die Versicherte gemäss Protokoll vom 19. September 2002 bereit und in der Lage, jeweils von Montag bis Freitag am Morgen im Umfang von 50 % eines vollen Arbeitspensums arbeiten zu können.
4.2 Das AWA bringt zu Recht vor, dass der vorliegende Sachverhalt zunächst im Rahmen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung des anrechenbaren Arbeitsausfalls zu beurteilen ist. Nur soweit anzunehmen ist, dass die Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat, sind die weiteren Anspruchsvoraussetzungen, namentlich die Vermittlungsfähigkeit, zu prüfen. Auf Grund der konkreten Umstände kann prospektiv betrachtet (BGE 121 V 341 Erw. 3 mit Hinweisen) nicht angenommen werden, dass die Beschwerdegegnerin bestrebt war, im Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2002 den bisherigen Beschäftigungsgrad von 21 Stunden pro Woche auszudehnen. Vielmehr suchte sie ab 1. Juli 2002 unbestrittenermassen eine Arbeitsstelle im Umfang von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung und war daher teilweise arbeitslos im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. a AVIG. Nach Abschluss des Vertrages vom 11. Juli 2002, welcher ein Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 10 AVIG darstellt, war die Beschwerdegegnerin ab 1. August 2002 im Umfang von 16 bis 18 Stunden wöchentlich nicht mehr arbeitslos und erlitt daher in diesem Ausmass keinen Arbeitsausfall. Im Vergleich zum gewünschten Beschäftigungsgrad von 21 Stunden arbeitete sie 3 bis 5 Stunden wöchentlich weniger. Dieser Arbeitsausfall ist nach der hier anwendbaren Regel von Art. 4 Abs. 2 AVIV nicht anrechenbar, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Versicherte im Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2002 an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Tagen vollständig arbeitslos gewesen war (vgl. Erw. 3.2 hievor). Unerheblich ist das Vorbringen in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Versicherte habe in den Monaten August und September 2002 keinen Verdienst erzielt. In den typischen Leistungsbereichen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung, Kurzarbeitsentschädigung, Schlechtwetterentschädigung) wird ein Verdienstausfall nur insoweit entschädigt, als diesem ein entsprechender Arbeitsausfall zugrunde liegt. Ein Verdienstausfall, hinter dem kein entsprechender Arbeitsausfall steht, wie z.B. unentgeltliche Arbeit für den Eigenbedarf oder für einen Dritten, wird nicht entschädigt (Gerhards, a.a.O., N 16 zu Art. 1). Weiter ist auch der Einwand nicht stichhaltig, allfällige vereinnahmte Provisionen in der fraglichen Zeitperiode von August bis September 2002 müssten ohnehin als Zwischenverdienst qualifiziert werden. Auch Art. 24 AVIG, der die Anrechnung von Zwischenverdienst regelt und auf Grund der systematischen Stellung im Gesetz eine Entschädigungsbemessungsnorm ist, setzt einen anrechenbaren Arbeitsausfall voraus (BGE 121 V 399 Erw. 2b mit Hinweisen).
Nach dem Gesagten fehlt es an der Anspruchsvoraussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. b und Art. 11 Abs. 1 AVIG, weshalb kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung im Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2002 besteht.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2003 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Bülach, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 23. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: