Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.180/2004 /kil
Urteil vom 8. April 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Uffer,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich, Berninastrasse 45, Postfach, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Fortsetzung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b
Abs. 2 ANAG,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom
8. März 2004.
Sachverhalt:
A.
Die aus Kamerun stammende X.________ (geb. 1985) landete am 30. November 2003 aus Yaounde herkommend auf dem Flughafen Zürich-Kloten. Weil sie sich mit einem verfälschten kamerunischen Reisepass auswies, wurde sie an der Weiterreise nach Frankreich gehindert. Das gleichentags gestellte Asylgesuch wies das Bundesamt für Flüchtlinge am 10. Dezember 2003 ab und wies X.________ aus der Schweiz weg. Auf eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde trat die Schweizerische Asylrekurskommission am 6. Januar 2004 nicht ein.
B.
Am 18. Dezember 2003 wurde X.________ im Transitbereich des Flughafens, wo sie sich seit ihrer Ankunft aufgehalten hatte, festgenommen und in Ausschaffungshaft versetzt, da sie nicht freiwillig zurückreisen wollte und auch eine begleitete Rückführung verweigert hatte. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2003 bewilligte das Bezirksgericht Zürich (Haftrichter) die Ausschaffungshaft bis zum 17. März 2004. Mit Entscheid vom 8. März 2004 genehmigte es eine Haftverlängerung bis zum 17. Juni 2004.
C.
Mit Eingabe vom 24. März 2004 führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, den Entscheid des Bezirksgerichts Zürich (Haftrichter) vom 8. März 2004 aufzuheben und sie aus der Ausschaffungshaft zu entlassen; ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Migrationsamt des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bezirksgericht Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit Eingabe vom 31. März 2004 liess sich das Bundesamt für Flüchtlinge (Abteilung Vollzugsunterstützung) zur Frage der Vollziehbarkeit von Wegweisungen nach Kamerun allgemein sowie in Bezug auf den vorliegenden Fall vernehmen.
Die Beschwerdeführerin hat auf eine zusätzliche Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wurde ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid eröffnet, so kann die zuständige kantonale Behörde (Art. 13c Abs. 1 ANAG) einen Ausländer zur Sicherstellung von dessen Vollzug in Ausschaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG (s. auch Art. 13c Abs. 3 und 5 lit. c ANAG ) erfüllt sind, insbesondere wenn ein gesetzlicher Haftgrund gemäss Art. 13b Abs. 1 ANAG vorliegt. Die Haft darf vorerst für höchstens drei Monate angeordnet werden; stehen dem Vollzug der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung der richterlichen Behörde, welche aufgrund einer mündlichen Verhandlung über deren Rechtmässigkeit und Angemessenheit befindet (vgl. Art. 13c Abs. 2 ANAG), um höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG); die Ausschaffungshaft darf damit maximal neun Monate dauern. Die Haft ist zu beenden, wenn sich erweist, dass der Vollzug der Wegweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar ist (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG), d.h. wenn nicht mehr ernsthaft damit gerechnet werden kann, dass sich die Ausschaffung innert der maximal möglichen Haftdauer bewerkstelligen lässt. Die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehrungen sind umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot).
2.
Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass sie aus der Schweiz weggewiesen worden ist. Der im Asylverfahren ergangene Wegweisungsentscheid erweist sich weder als augenfällig unzulässig noch als offensichtlich falsch, so dass er für den Haftrichter verbindlich ist (BGE 128 II 193 E. 2.2.2 S. 198). Die Beschwerdeführerin erfüllt aufgrund ihres bisherigen Verhaltens (Besitz verfälschter Papiere, erklärter Widerstand gegen eine Ausreise nach Kamerun) sodann nach wie vor den Haftgrund der Untertauchensgefahr nach Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG. Das Beschleunigungsgebot erscheint ebenfalls nicht verletzt, zumal die Beschwerdeführerin noch am 26. Februar 2004 der kamerunischen Vertretung in Genf vorgeführt und dort als Staatsangehörige Kameruns anerkannt worden ist. Weil die kamerunische Vertretung bei dieser Gelegenheit X.________ aber kein "Laissez-Passer" ausstellen und sie (gemäss einem Schreiben der Abteilung Vollzugsunterstützung vom 27. Februar 2004) offenbar erst "in drei Monaten" wieder vorladen wollte, macht die Beschwerdeführerin geltend, der Wegweisungsvollzug könne mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht innert der theoretisch noch verbleibenden Haftdauer realisiert werden" (S. 7 der Beschwerdeschrift).
3.
3.1 Der Umstand allein, dass die Ausreise nur schwer organisiert werden kann und im Rahmen der entsprechenden Bemühungen mit ausländischen Behörden erst noch verhandelt werden muss, was erfahrungsgemäss eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, macht die Ausschaffung nicht bereits undurchführbar. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber die Haftdauer erheblich erhöht und die Möglichkeit der Haftverlängerung geschaffen (BBl 1994 I 305 ff. S. 316; BGE 125 II 217 E. 2 S. 220).
3.2 Wie es sich mit der Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Einzelnen verhält, bildet Gegenstand einer nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmenden Prognose (Andreas Zünd, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996 S. 72 ff., dort S. 90). Massgebend ist, ob die Ausschaffung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innert absehbarer Zeit möglich sein wird oder nicht. Die Haft ist dann unverhältnismässig und damit auch unzulässig, wenn triftige Gründe für die Undurchführbarkeit des Vollzugs sprechen oder praktisch feststeht, dass er sich innert vernünftiger Frist kaum wird realisieren lassen (vgl. zur Publikation vorgesehenes Urteil 2A.611/2003 vom 30. Januar 2004, E. 4.1.3, BGE 127 II 168 E. 2c S. 172; 125 II 217 E. 2; 122 II 148 E. 3 S. 152 f.). Dies ist in der Regel bloss der Fall, wenn die Ausschaffung auch bei gesicherter Kenntnis der Identität oder der Nationalität des Betroffenen bzw. trotz seines Mitwirkens bei der Papierbeschaffung mit grosser Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erscheint. Zu denken ist etwa an eine länger dauernde Transportunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder an eine ausdrückliche oder zumindest klar erkennbare und konsequent gehandhabte Weigerung eines Staates, gewisse Staatsangehörige zurückzunehmen (BGE 125 II 217 E. 2 S. 220; Wurzburger, a.a.O., S. 330 f.). Nur falls keine oder bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung zu vollziehen, ist die Haft aufzuheben, nicht indessen bei einer ernsthaften, wenn auch allenfalls (noch) geringen Aussicht hierauf (BGE 127 II 168 E. 2c S. 172; Urteil 2A.312/2003 [Nigeria] und 2A.328/2003 [Kamerun] vom 17. bzw. 22. Juli 2003, E. 2.1). Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch den Betroffenen vorbehalten, welche die Verhältnismässigkeit der Aufrechterhaltung der Haft wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses in einem anderen Licht erscheinen lassen kann (vgl. Urteile 2A.230/2003 vom 2. Juni 2003, E. 2.1, und 2A.269/1999 vom 10. Juni 1999, E. 2), ist dabei nicht notwendigerweise auf die maximale Haftdauer, sondern vielmehr auf einen den gesamten Umständen des konkreten Falles angemessenen Zeitraum abzustellen (vgl. zur Publikation vorgesehenes Urteil 2A.611/2003, E. 4.1.3 und dort zitierte Hinweise).
3.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf dieses soeben erwähnte Urteil und sieht sich aufgrund des Amtsberichts des Bundesamtes in ihren Ausführungen zur Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs bestätigt.
Im genannten Fall hatte die Bundesbehörde eine Ausschaffung nach Mali als "unwahrscheinlich" erachtet, zumal u.a. aufgrund einer "aggressiven" französischen Sonderflugspolitik in den letzten Monaten "eine sehr hohe Sensibilität der Öffentlichkeit in Mali" bestehe und der amtierende Präsident mehrmals "öffentlich seine Meinung gegen unfreiwillige Rückführungen kund getan" habe. Bis auf weiteres seien daher keine Sonderflüge nach Mali mehr geplant (genanntes Urteil, E. 4.2.2). Das Bundesgericht kam nach Kenntnisnahme dieses Amtsberichts zum Schluss, dass unter solchen Umständen die Fortsetzung einer Ausschaffungshaft unverhältnismässig erscheine (genanntes Urteil, E. 4.3.3).
3.4 Momentan ist auch ein Sonderflug nach Kamerun nicht möglich, zumal Sonderflüge einer ausdrücklichen Bewilligung des kamerunischen Aussenministeriums bedürfen. Die Erteilung einer solchen Bewilligung bildet zur Zeit aber Gegenstand von konkreten Verhandlungen (vgl. Amtsbericht vom 31. März 2004, S. 1). Sodann stösst das Erhältlichmachen von Reisepapieren für nicht rückreisewillige kamerunische Staatsangehörige beim kamerunischen Konsulat zwar auf Schwierigkeiten, ist aber nach den Ausführungen des Bundesamtes nicht generell ausgeschlossen. Auch wenn die Durchführbarkeit einer zwangsweisen Ausschaffung der Beschwerdeführerin heute relativ ungewiss erscheint, so kann - anders als im Fall 2A.611/2003 - nicht von zum Vornherein unüberwindlichen Hindernissen gesprochen werden, die dem Wegweisungsvollzug innert gesetzlicher Frist entgegen stehen.
4.
Die angeordnete Verlängerung der Ausschaffungshaft erweist sich auch nicht als unverhältnismässig. Die Beschwerdeführerin stellt nach der Aktenlage zwar keine Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Sie hat aber - anders als der im mehrfach erwähnten Vergleichsfall 2A.611/2003 Betroffene (geplante Liierung mit einer Schweizer Bürgerin) - keinerlei persönliche Verbindungen zur Schweiz. Ihre persönlichen Interessen vermögen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Haft jedenfalls nicht zu überwiegen.
5.
Die Verlängerung der Ausschaffungshaft um drei Monate erweist sich nach dem Gesagten nicht als bundesrechtswidrig. Es obliegt den zuständigen Behörden, die Vorkehren für den Vollzug der Ausschaffung weiter zu führen. Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung der Haft wird vom Ergebnis dieser Bemühungen abhängen.
6.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin hat um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ersucht. Dem Gesuch ist vorliegend zu entsprechen ( Art. 152 Abs. 1 und 2 OG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Marco Uffer wird als amtlicher Vertreter der Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Migrationsamt des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich (Haftrichter) sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. April 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: