Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.68/2004 /rov
Urteil vom 26. Mai 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
Z.________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Valentin Schumacher,
gegen
Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,
Gegenstand
Ehescheidung,
Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Appellationshof, vom 21. Januar 2004.
Sachverhalt:
A.
Y.________ und Z.________ heirateten am 27. Oktober 2001. Sie sind die Eltern der Tochter X.________, geboren am 30. November 2001.
B.
Am 23. Mai 2002 reichte Y.________ beim Bezirksgericht der Sense die Scheidungsklage ein, in welchem Verfahren der Gerichtspräsident durch das kantonale Jugendamt einen Bericht zur Frage des persönlichen Verkehrs von Z.________ zu seiner Tochter erstellen liess. Nach Anhörung der Parteien und der Zeugin W.________ erging am 27. Februar 2003 das Scheidungsurteil. Dabei wurde insbesondere die elterliche Sorge über die Tochter X.________ der Mutter übertragen und eine Erziehungsbeistandschaft angeordnet. Das Recht auf persönlichen Verkehr mit seinem Kinde wurde dem Vater entzogen. Dessen Kinderunterhaltsbeitrag wurde auf Fr. 500.-- pro Monat festgelegt und indexiert.
C.
Gegen dieses Urteil gelangte Z.________ an das Kantonsgericht Freiburg und verlangte die Abweisung der Scheidungsklage, subsidiär die Einräumung eines grosszügigen Besuchs- und Ferienrechts gegenüber der Tochter X.________. Mit Urteil vom 21. Januar 2004 wurde die Berufung abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
D.
D.a Z.________ ist mit Berufung an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt die Gewährung eines grosszügigen Besuchsrechts. Mangels anderweitiger Abrede wolle er die Tochter X.________ jedes zweite Wochenende, von Samstagmorgen 10 Uhr bis Sonntagabend 19 Uhr auf seine Kosten zu sich nehmen. Im Weitern verlangt er ein Ferienrecht auf seine Kosten von insgesamt vier Wochen pro Jahr. Dieses sei drei Monate im Voraus anzumelden und mindestens zwei Wochen an einem Stück auszuüben. Die Feiertage solle X.________ alternierend bei ihrer Mutter und bei ihrem Vater verbringen.
Zudem stellt er das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
D.b Das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Y.________ schliesst auf Abweisung der Berufung, allenfalls Abweisung, soweit auf das Rechtsmittel eingetreten wird. Sie stellt ebenfalls ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
D.c Mit Entscheid vom heutigen Tag ist die vom Beklagten in gleicher Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen worden, soweit darauf einzutreten war.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Berufung richtet sich gegen den Endentscheid einer oberen kantonalen Instanz hinsichtlich der Anordnungen über den persönlichen Verkehr (Art. 44 lit. d OG), und ist daher zulässig.
2.
Der Beklagte macht die Verletzung von Art. 274 Abs. 2 ZGB sowie Art. 145 ZGB geltend. Seiner Ansicht nach hat die Vorinstanz die massgeblichen Kriterien für die Verweigerung des persönlichen Verkehrs falsch gewürdigt. Die Tatsache, dass er kein Deutsch spreche, sei für den Kontakt zu einem Kleinkind nicht von Belang. Zudem würde die Betrachtungsweise der Vorinstanz alle sprachbehinderten Väter vom Besuchsrecht ausschliessen. Er betont im Weitern, dass das Alter des Kindes einem Besuchsrecht nicht entgegenstehe und bestreitet überdies, im Umgang mit einem Kleinkind überfordert zu sein. Die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht das Besuchsrecht im verlangten Umfang verweigert und in Verletzung der Offizialmaxime nicht einmal ein weniger weitgehendes Besuchsrecht zugestanden.
2.1 Eltern, denen die persönliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das unmündige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr (Art. 273 Abs. 1 ZGB). Er dient in erster Linie dem Interesse des Kindes, ist aber zugleich ein Recht und eine Pflicht der Betroffenen. Oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs ist immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist. In der Entwicklung des Kindes sind seine Beziehungen zu beiden Elternteilen wichtig, da sie bei seiner Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen können. Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Gefährdet ist das Kindeswohl, wenn seine ungestörte körperliche und seelische Entfaltung durch ein auch nur begrenztes Zusammensein mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil bedroht ist. Eine Gefährdung ist im Hinblick auf die vollständige Aufhebung des persönlichen Verkehrs angesichts dessen Bedeutung für das Kind wie für die Eltern nicht leichthin anzunehmen (BGE 127 III 295 E. 4a mit Hinweisen).
2.2 Die Vorinstanz sprach dem Beklagten im jetzigen Zeitpunkt das Besuchsrecht im verlangten Umfang ab, da er seine inzwischen 26 Monate alte Tochter letztmals im Säuglingsalter gesehen hatte und seither jeder Kontakt zu ihr abgebrochen war. Ein Vater, der sich während 1 ½ Jahren nie um sein Kind kümmern konnte und an einen solchen Umgang nicht gewohnt sei, könnte durch das Besuchsrecht rasch überfordert sein, zumal er infolge seiner fehlenden Deutschkenntnisse sich mit seiner Tochter nicht verständigen könne. Der Kontakt zwischen Vater und Tochter sei für beide wichtig und sollte nicht für längere Zeit unterbunden bleiben, da aber zwischen den Eltern eine gespannte Situation herrsche und sich die Klägerin vor dem Beklagten fürchte, werde eine Erziehungsbeistandschaft angeordnet. Auf diesem Wege könne die Verbindung zwischen Vater und Tochter aufrechterhalten bleiben und sobald die Ausübung des Besuchsrechts möglich erscheine, könnten die nötigen Vorkehren in die Wege geleitet werden. Die vom Erziehungsbeistand zu organisierende Kontaktnahme könne durchaus in Form von begleiteten Besuchstagen ihren Anfang nehmen und sich mit der Zeit entwickeln.
Aus dem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Bericht des Kantonalen Jugendamtes vom 11. Februar 2003 ergibt sich zudem, dass die aufenthaltsrechtliche Situation des Beklagten ungeklärt ist, dass er keiner Arbeit nachgeht, keine Wohnung hat und sich seit der Trennung der Ehegatten nie um eine Kontaktaufnahme zu seiner Tochter bemühte. Dies obwohl er die Adresse seiner Schwiegereltern kennt, die wiederum mit der Klägerin in Verbindung stehen. Die Klägerin fühle sich - so der erwähnte Bericht - bedroht. Es bestehe die Gefahr einer Entführung des Kindes nach Afrika, weshalb die Kontakte zum Vater nur unter Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsmassnahmen in Frage kämen. Das Kantonale Jugendamt schlägt daher vor, das Besuchsrecht nur in einem geschützten Rahmen vorzusehen und für dessen Organisation eine vormundschaftliche Massnahme anzuordnen. Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid nicht auf diesen Bericht, schliesst sich aber in der Frage des Besuchsrechts dem erstinstanzlichen Entscheid an, der weitgehend darauf beruht.
2.3 Dass der Beklagte durch das Besuchs- und Ferienrecht im verlangtem Umfang überfordert ist, wie die Vorinstanz festhält, ist nachvollziehbar. Wer im Umgang mit Kindern unerfahren ist und sich auch seit längerem nicht mehr um sein Kleinkind gekümmert hat, kennt demzufolge auch dessen spezifische Bedürfnisse nicht. Damit ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz dem Beklagten nicht ohne weiteres jedes zweite Wochenende ein Besuchsrecht für je eineinhalb Tage (einschliesslich Übernachtung) sowie ein Mal im Jahr ein vierwöchiges Ferienrecht und weitere Feiertage zugestanden hat. Hinzu kommt, dass offenbar die Gefahr einer Entführung des Kindes durch den Vater besteht. In der Verweigerung des Besuchs- und Ferienrechts im beantragten Umfang liegt damit keine Verletzung von Bundesrecht.
2.4 Zu Recht anerkennt die Vorinstanz, dass der Kontakt zwischen Vater und Tochter wichtig ist und daher gefördert werden muss. Um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen und erste Schritte in Form von begleiteten Besuchstagen in die Wege zu leiten, welche eine weitere Entwicklung ermöglichen können, hat sie für das Kind X.________ eine Erziehungsbeistandschaft angeordnet. Diese vormundschaftliche Massnahme ist von den Parteien nicht angefochten worden. Soweit der Beistand den Rahmen für ein künftiges Besuchsrecht zu schaffen versucht und insbesondere den Kontakt der Eltern und des Kindes fördern kann, gehört dies zu seinen allgemeinen Vermittlungsaufgaben und ist zu begrüssen (Biderbost, Die Erziehungsbeistandschaft, Diss. Freiburg 1996, S. 314). Hingegen hat der Richter die weiteren Pflichten des Beistandes selber klar zu umschreiben, und es ist nicht zulässig, wenn er dem Beistand die Anpassung oder gar Festlegung des Besuchsrechts überträgt (BGE 118 II 241 E. 2; bestätigt im nicht publizierten Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. April 1993 [5C.1/1993]). Verbietet das Kindeswohl die Anordnung eines unbegleiteten Besuchsrechts und sind auch die Voraussetzungen für ein begleitetes Besuchsrecht nicht erfüllt, besteht überdies kein Raum für die Errichtung einer Beistandschaft, was indes einer Weiterleitung von Briefen des einen Elternteils an sein Kind durch die Vormundschaftsbehörde nicht entgegensteht (BGE 126 III 219 E. 2c; vgl. dazu Schnyder, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2000, ZBJV 2001, S. 415). Es ist nach dem Gesagten nicht zulässig, einem Elternteil den persönlichen Verkehr mit seinem Kinde zu verweigern und es dem Beistand zu überlassen, begleitete Besuchstage zu organisieren, wie die Vorinstanz dies im vorliegenden Fall getan hat. Aufgrund der im Bereich der persönlichen Beziehungen der Eltern zu ihrem Kind geltenden Untersuchungs- und Offizialmaxime hätte die Vorinstanz prüfen müssen, ob ein bloss zeitlich begrenztes und/oder begleitetes Besuchsrecht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Gegebenenfalls hätte sie dem Beistand alsdann einen entsprechenden Überwachungsauftrag erteilen müssen (BGE 122 III 404 E. 3d S.408; 128 III 411 E. 3; vgl. Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 5. A., Rz. 19.31 ff. S. 138 f., Rz. 27.20 S. 209; Breitschmid, Basler Kommentar, ZGB I, N. 14 ff. zu Art 308; Hausheer, Die drittüberwachte Besuchsrechtsausübung, ZVW 1/1998, S. 17 ff., insbesondere S. 38-39). Indem die Vorinstanz nicht derart vorgegangen ist, hat sie - entgegen der Ansicht der Klägerin - Bundesrecht verletzt. In diesem Punkt erweist sich die Berufung als begründet, was zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Die Vorinstanz wird die notwendigen Abklärungen treffen müssen, um über den Umfang und die Modalitäten des persönlichen Verkehrs des Beklagten zu seiner Tochter neu zu befinden.
3.
Ausgangsgemäss trägt die Klägerin die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Indes haben beide Parteien ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung scheinen auf beiden Seiten gegeben (Art. 152 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Appellationshof, vom 21. Januar 2004 aufgehoben, soweit dem Beklagten jeder persönliche Verkehr mit seiner Tochter verwehrt wird, und die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Die Gesuche beider Parteien um unentgeltliche Rechtspflege werden bewilligt. Rechtsanwalt Schumacher wird mit Fr. 1'000.-- und Rechtsanwalt Gruber mit Fr. 800.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, I. Appellationshof, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Mai 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: