Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.167/2004 /bnm
Urteil vom 3. Juni 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
A.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
gegen
B.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Koller,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, Postfach, 6002 Luzern.
Gegenstand
Art. 9 BV (Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, vom 31. März 2004.
Sachverhalt:
A.
Im Eheschutzverfahren der kinderlosen Eheleute A.________ (Ehefrau) und B.________ (Ehemann) hob die delegierte Richterin des Amtsgerichtspräsidenten II von Luzern-Land am 26. Januar 2004 den gemeinsamen Haushalt für unbestimmte Zeit auf (Ziff. 1), wies die eheliche Wohnung samt Mobiliar und Inventar dem Ehemann zu alleinigem Nutzen und Gebrauch zu und verpflichtete die Ehefrau, die Wohnung bis zum 29. Februar 2004 zu verlassen, wobei sie berechtigt wurde, das zur Einrichtung eines Einpersonenhaushaltes Notwendige sowie ihre persönlichen Effekten mitzunehmen (Ziff. 2). Ferner verpflichtete die Amtsgerichtspräsidentin den Ehemann, der Ehefrau anteilsmässig ab ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung, spätestens ab 1. März 2004, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 7'000.-- zu bezahlen (Ziff. 3); im weiteren wurde per 20. Oktober 2003 Gütertrennung angeordnet (Ziff. 4) und der Bank X.________ befohlen, verschiedene auf den Namen des Ehemannes lautende Konti weiterhin zu sperren (Ziff. 5). Weitergehende Anträge der Parteien wies die Amtsgerichtspräsidentin ab (Ziff. 6). Die Gerichtskosten überband sie den Parteien je zur Hälfte; die Anwaltskosten schlug sie wett (Ziff. 7).
B.
Das Obergericht des Kantons Luzern wies mit Entscheid vom 31. März 2004 den Rekurs der Ehefrau gegen die Ziffern 2, 3 und 7 ab und wies sie an, die eheliche Wohnung bis spätestens 31. Mai 2004 zu verlassen, wobei die Unterhaltsbeiträge ab dem Auszug aus der ehelichen Wohnung, spätestens jedoch ab 1. Juni 2004 geschuldet sind. Mit Bezug auf die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens erkannte das Obergericht, dass jede Partei die Hälfte der Gerichtskosten und ihre eigenen Anwaltskosten zu tragen habe. Die Kosten des Rekursverfahrens überband es der Ehefrau.
C.
Die Ehefrau führt staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und der Beschwerde mit Bezug auf die verfügte Ausweisung aus der ehelichen Wohnung aufschiebende Wirkung zu erteilen. Dem Gesuch wurde nach Anhörung der Gegenpartei und des Obergerichts entsprochen (Verfügung vom 14. Mai 2004).
Obwohl zur Sache selbst keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind, hat sich der Beschwerdegegner unaufgefordert vernehmen lassen. Die Vernehmlassung ist aus dem Recht zu weisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Im vorliegenden Verfahren nach wie vor streitig sind die Zuweisung der ehelichen Wohnung, der Unterhaltsbeitrag an die Beschwerdeführerin sowie die Verlegung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
1.1 Mit Bezug auf die Frage der Zuweisung der ehelichen Wohnung macht die Beschwerdeführerin einmal geltend, das Obergericht habe die eheliche Wohnung dem Beschwerdegegner zur Führung seiner Firma zugewiesen, weil er bei einem Auszug nebst den Umzugsaufwendungen Adressänderungen an das Handelsregisteramt usw. vornehmen müsste. Sie (die Beschwerdeführerin) habe im kantonalen Verfahren stets in Abrede gestellt, dass der Beschwerdegegner auf Büroräumlichkeiten im gleichen Haus angewiesen sei. Zu diesem Punkt weist sie mit der staatsrechtlichen Beschwerde ein undatiertes, im kantonalen Verfahren nicht vorgelegtes Schreiben des Beschwerdegegners an seine Geliebte vor, welches ihren Aussagen zufolge kurz nach Eingang des angefochtenen Entscheids verfasst worden sein soll. Sie ersucht darum, dieses Schreiben als neues Beweismittel zuzulassen, da es sich auf ein erstmals im angefochtenen Entscheid aufgeworfenes Faktum beziehe. Aus diesem Schreiben ergebe sich, dass der Beschwerdegegner die Wohnung einzig deshalb beanspruche, um seine russische Geliebte aufzunehmen. Als unhaltbar erweise sich damit die obergerichtliche Feststellung, dass die untere Etage der ehelichen Wohnung vom Beschwerdegegner ausschliesslich als Büro benutzt werde. Ferner macht die Beschwerdeführerin neu geltend, aufgrund des Protokolls der Sitzung vom 15. März 2004, des Entwurfs der öffentlichen Beurkundung, des Entwurfs der öffentlichen Urkunde der konstituierenden Generalversammlung sowie des Telegramm-Eintrages bei Handelsregisteramt ergebe sich des weiteren, dass der Beschwerdegegner den wichtigsten und wirtschaftlich einträglichsten Betriebszweig der B.________ & Co, die Business-Aviation, in eine eigens gegründete AG eingebracht habe. Gemäss Protokoll vom 15. März 2004 sei die Business & Aviation B.________ AG gegründet worden, womit erstellt sei, dass der Beschwerdegegner die angestammte Firma nicht weiterzuführen gedenke.
Die Frage der Zuweisung der ehelichen Wohnung war seit Beginn des Eheschutzverfahrens streitig. Dass der Beschwerdegegner die Wohnung namentlich zur Führung seines Unternehmens zugewiesen erhalten soll, hatte bereits die erstinstanzliche Richterin festgehalten, womit das fragliche Element nicht erst durch den angefochtenen Entscheid aufgeworfen worden ist. Von Anfang an bekannt war schliesslich auch die angebliche aussereheliche Beziehung des Beschwerdegegners. Die Beschwerdeführerin legt ferner nicht dar, inwiefern die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren ins Recht gelegten Dokumente als Ausnahme zum Novenverbot gegeben sind. Auf die erstmals im vorliegenden Verfahren ins Recht gelegten Beweismittel und die damit begründeten Tatsachenbehauptungen ist folglich nicht einzutreten (BGE 114 Ia 204 E. 1a; 129 I 49 E. 3 S. 57). Im Übrigen hat das Obergericht dem Beschwerdegegner die Wohnung nicht nur zur Führung des Geschäftes zugewiesen. Wesentlicher Grund bildete insbesondere auch der angeschlagene Gesundheitszustand sowie das fortgeschrittene Alter des Beschwerdegegners (70 ½ Jahre), womit sich der Willkürvorwurf als unbegründet erweist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
1.2 Als willkürlich erachtet die Beschwerdeführerin die Zuweisung der ehelichen Wohnung aber auch deshalb, weil das Obergericht den Einwand des ehebrecherischen Verhältnisses des Beschwerdegegners ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des irrelevanten Verschuldens würdige, obwohl sich die Beschwerdeführerin auf das Verursacherprinzip berufen habe. Dass der Beschwerdegegner eine aussereheliche Beziehung unterhalte, sei unbestritten.
Damit ergeht sich die Beschwerdeführerin in Rabulistik. Das Obergericht hat zwar ausgeführt, dass das Verschulden an der Auflösung des gemeinsamen Haushaltes in aller Regel unbeachtlich sei, da nicht über die Hintertür das Verschuldensprinzip des alten Scheidungsrechts wieder eingeführt werden dürfe. Das muss aber selbstredend auch dahin verstanden werden, dass es nicht darauf ankommen könne, wer in schuldhafter Weise die Ursache der Auflösung des Haushaltes gesetzt habe. Das Obergericht hat denn auch ausführlich begründet, weshalb im vorliegenden Fall trotz der ausserehelichen Beziehung keine Ausnahme von der Regel gemacht werden soll. Die Beschwerdeführerin äussert sich zwar zu diesen Ausführungen, beschränkt sich dabei allerdings auf appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, indem sie einfach eine eigene Sicht der Dinge vorträgt. Darauf ist nicht einzutreten (BGE 127 III 279 E. 1c S. 282).
2.
Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages macht die Beschwerdeführerin geltend, das Amtsgericht sei davon ausgegangen, dass sie mit 57 Jahren im ohnehin strapazierten Arbeitsmarkt keine Stelle finden werde und dass in dieser Situation die Beistandspflicht des Beschwerdegegners zu bejahen sei. Das Obergericht habe die Frage ihres eigenen Erwerbseinkommens nicht mehr thematisiert, jedoch festgestellt, dass sie aufgrund ihres Alters angesichts der fehlenden Pensionskasse keine Chance habe, eine Anstellung zu finden. Das Obergericht sei ferner stillschweigend von der grundsätzlichen Beistandspflicht des Beschwerdegegners ausgegangen, habe ihr aber eine monatliche Arbeitslosenentschädigung von Fr. 4'000.-- als Eigeneinkommen angerechnet, obwohl ihr unter den gegebenen Verhältnissen und angesichts ihrer gesellschaftlichen Stellung der Gang zur Stempelkontrolle nicht zugemutet werden könne. Damit sei es in Willkür verfallen. Die Eheleute stünden unter ausgezeichneten finanziellen Verhältnissen, weshalb sie als "Stempelnde" an ihrem Wohnort als "Sozialschmarotzerin" moralisch verurteilt würde. Schliesslich verlangt die Beschwerdeführerin die hälftige Aufteilung des Freibetrages für den Fall, dass ein solcher bei einer Nichtberücksichtigung der Arbeitslosenentschädigung resultieren sollte, und kritisiert die nicht nach Hälften vorgenommene Aufteilung als willkürlich.
Die Beschwerdeführerin lässt vor Bundesgericht zum ersten Mal ausführen, dass der Bezug der Arbeitslosenentschädigung für sie unter den gegebenen Verhältnissen unzumutbar ist. Das Vorbringen ist damit neu und unzulässig (BGE 114 Ia 204 E. 1a; 129 I 49 E. 3 S. 57). Abgesehen davon ist der Anspruch der Beschwerdeführerin als gekündigte Arbeitnehmerin auf eine monatliche Arbeitslosenentschädigung von Fr. 4'000.-- nicht mehr bestritten. Dass jede Art von Ersatzeinkommen der während der Ehe erwerbstätigen Ehefrau, also auch deren Arbeitslosenentschädigung, als Einkommen im familienrechtlichen Sinn anzurechnen ist, entspricht den Regeln von Art. 163 ZGB (Bräm, Zürcher Kommentar, N. 89 zu Art. 163 ZGB), an welche sich das Obergericht gehalten hat. Von Willkür kann daher keine Rede sein. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin die Modalitäten des Bezuges der Arbeitslosenentschädigung als unangenehm empfindet. Schliesslich begründet die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich, inwiefern die vorgenommene Aufteilung des Überschussbetrages auf Seiten des Beschwerdegegners geradezu im Ergebnis willkürlich sein soll (BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a; 127 III 279 E. 1c S. 282, mit Hinweisen; 128 I 295 E. 7a S. 312).
3.
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, das Obergericht habe die amtsgerichtliche Kostenverlegung bestätigt und dabei in willkürlicher Weise dem Veranlassungsprinzip nicht Rechnung getragen. Der Beschwerdegegner habe mit seiner ehebrecherischen Beziehung überhaupt zum Trennungsbegehren Anlass gegeben, was bei einer willkürfreien Kostenverlegung hätte berücksichtigt werden müssen. Soweit die Vorinstanz § 120 Abs. 1 ZPO betreffend Kostenverlegung nach Verursachung nur dahingehend angewandt wissen wolle, dass im Prozess selbst unnötige Prozesskosten verursacht werden, sei dies unhaltbar.
Verursacht eine Partei unter Missachtung der zumutbaren Sorgfalt unnötige Prozesskosten, hat sie dafür aufzukommen. Unnötig sind insbesondere Prozesskosten, die durch versäumte, verspätete oder fehlerhafte Prozesshandlungen entstehen (§ 120 Abs. 1 ZPO/LU). Mit den unnötigen Prozesskosten gemäss dieser Bestimmung sind nach dem klaren Wortlaut in erster Linie Prozesskosten gemeint, welche durch schuldhaftes oder ordnungswidriges Verhalten einer Partei im Verlaufe des Verfahrens entstehen. Nun trifft zwar zu, dass nach dem einschlägigen Kommentar zur Zivilprozessordnung auch Handlungen ausserhalb des Prozesses, wie z.B. eine mangelhafte Buchhaltung, berücksichtigt werden können (Studer/Rüegg/Eiholzer, Der Luzerner Zivilprozess, 1994, N. 1 zu § 120 ZPO). Zu denken ist etwa an den Fall, in dem die Vernachlässigung der Buchführungspflicht durch eine Partei die andere zur Anstrengung eines Verfahrens veranlasst oder dass die nicht ordnungsgemäss geführte Buchhaltung den Prozess erheblich ausweitet oder kompliziert (vgl. dazu: Urteil des Obergerichts, I. Zivilkammer, vom 27. Juni 1951, E. 5, ZR 50/1951 Nr. 215 S. 340). Die dem Beschwerdegegner vorgeworfene ehebrecherische Beziehung fällt nach dem klaren Wortlaut und der zitierten Kommentarstelle bzw. der Rechtsprechung nicht unter die einschlägigen, ausserhalb des Prozesses vorgenommenen Handlungen, die es im Rahmen der Kostenverlegung zu berücksichtigen gilt. Der Willkürvorwurf erweist sich damit als unbegründet. Im Übrigen ist gemäss den obergerichtlichen Ausführungen auch gar nicht dargetan, dass der Beschwerdegegner allein mit seiner Fremdbeziehung Anlass zum Eheschutzverfahren gegeben hat.
4.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da der Beschwerdegegner mit seinem Antrag auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung nicht durchgedrungen ist, hat er keinen Anspruch auf Entschädigung, zumal in der Sache selbst keine Vernehmlassung eingeholt worden ist. Der Beschwerdeführerin ist ein neuer Auszugstermin anzusetzen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Beschwerdeführerin wird angewiesen, die eheliche Wohnung bis spätestens zum 15. Juni 2004 zu verlassen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juni 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: