Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.99/2004 /bnm
Urteil vom 7. Juni 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiberin Scholl.
Parteien
X.________,
Beklagter und Berufungskläger,
gegen
Y.________,
Kläger und Berufungsbeklagten,
handelnd durch Beistand Z.________, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Walter Rechsteiner,
Gegenstand
Vaterschaft; Unterhaltsbeitrag,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh., 1. Abteilung, vom 9. Dezember 2003.
Sachverhalt:
A.
Am 22. September 2001 wurde Y.________ als Sohn der W.________ geboren. In der Folge errichtete die Vormundschaftsbehörde A.________ für das Kind eine Beistandschaft gemäss Art. 308 f. ZGB zum Zweck der Feststellung des Kindesverhältnisses zum Vater und zur Regelung der Unterhaltspflicht. Als einziger in Frage kommender Vater war von der Mutter X.________ bezeichnet worden. W.________ verstarb am 18. Juni 2003.
B.
Mit Eingabe vom 18. Juni 2002 machte die Beiständin von Y.________ gegen X.________ eine Vaterschafts- und Unterhaltsklage anhängig. Mit Urteil vom 17. März 2003 stellte das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden fest, dass X.________ der Vater von Y.________ ist. Zudem verpflichtete es X.________ zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von Fr. 250.-- seit Geburt von Y.________ und längstens bis zu dessen Mündigkeit, sowie eines jährlichen Beitrages aus dem 13. Monatslohn von Fr. 1'572.--.
Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ mit Appellation an das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden. Dieses reduzierte mit Urteil vom 9. Dezember 2003 den jährlich zu leistenden Beitrag auf Fr. 1'330.-- (erstmals fällig per 31. Dezember 2002) und bestätigte im Übrigen das vorinstanzliche Urteil.
C.
X.________ gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des jährlichen Beitrages aus dem 13. Monatslohn. Zudem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auseinandersetzungen über Unterhaltsbeiträge für Kinder sind vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne von Art. 46 OG (BGE 116 II 493 E. 2b S. 495), wobei im vorliegenden Fall der erforderliche Streitwert gegeben ist. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG ).
2.
Strittig im bundesgerichtlichen Verfahren ist einzig noch der jährlich geschuldete Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'330.-- aus dem 13. Monatslohn des Beklagten. Demgegenüber hat bereits das Obergericht Vormerk genommen, dass das Urteil des Kantonsgerichts bezüglich der Vaterschaft und den monatlich geschuldeten Unterhaltsbeiträgen in Rechtskraft erwachsen ist.
Von vornherein nicht eingetreten werden kann auf die Berufung, soweit sie sich gegen einen Massnahmeentscheid der Familienrichterin des Bezirksgerichts Rorschach richtet, wo ein Abänderungsverfahren des Scheidungsurteils zwischen dem Beklagten und seiner ersten Ehefrau hängig ist. Im vorliegenden Berufungsverfahren ist allein das Urteil des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden Verfahrensgegenstand.
3.
Der Beklagte verlangt, dass sein 13. Monatslohn bei der Berechnung des Kinderunterhaltes ausser Acht gelassen werde. Er macht geltend, durch den zusätzlich geschuldeten jährlichen Beitrag werde sein Existenzminimum verletzt. Der 13. Monatslohn müsse ihm vollständig für seine durch die laufenden Lohnzahlungen nicht gedeckten Bedürfnisse verbleiben.
3.1 Bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen ist vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Pflichtigen auszugehen (BGE 127 III 68 E. 2 S. 69). Neben dem Nettoeinkommen ist dabei auch ein allfälliger 13. Monatslohn hinzuzuzählen (Urteil des Bundesgerichts 5P.172/2002 vom 6. Juni 2002, E. 2.2, teilweise publ. in: FamPra 2002 S. 809; Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 1997, N. 01.31). Das Obergericht hat demnach mit der Berücksichtigung des 13. Monatslohnes kein Bundesrecht verletzt.
Soweit der Beklagte in Zusammenhang mit seinem Leistungsvermögen zudem kritisiert, das Obergericht sei von einem höheren Nettoeinkommen als das Kantonsgericht ausgegangen, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden. Die Höhe des Einkommens stellt eine Feststellung über tatsächliche Verhältnisse dar, welche das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht überprüfen kann (Art. 63 Abs. 2 OG). Im Übrigen hat das Obergericht - obwohl es ein leicht gestiegenes Nettoeinkommen festgestellt hat - seinen Berechnungen die Zahlen des Kantonsgerichts zu Grunde gelegt, dies insbesondere bei der Höhe des 13. Monatslohnes.
3.2 Der Beklagte rügt weiter sein vom Obergericht ermitteltes Existenzminimum als zu tief und verlangt die Berücksichtigung weiterer bzw. höherer Auslagen.
Diesbezüglich ist vorab anzumerken, dass das Obergericht dem Beklagten bereits ein erweitertes Existenzminimum zugestanden hat, indem es ihm insbesondere Beträge für Telefon/TV/Radio sowie Hausrats- und Haftpflichtversicherung aufgerechnet hat. Das Bundesgericht gesteht demgegenüber bei sehr knappen finanziellen Verhältnissen einem Unterhaltsschuldner in der Regel bloss das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu (BGE 126 III 353 E. 1a/bb S. 357). Ferner unterliegt der Beklagte der Quellenbesteuerung: Da vom Nettoeinkommen auszugehen ist, welches er tatsächlich ausbezahlt erhält (BGE 90 III 33 E. 2 S. 35), ist damit bei seinem Notbedarf indirekt die Steuerbelastung ebenfalls berücksichtigt.
3.3 Der Beklagte verlangt zunächst die Anrechnung höherer Wohnkosten, da er beabsichtige, seine Familie aus Nigeria in die Schweiz zu holen. Das Obergericht hat indes ausgeführt, der Familiennachzug lasse sich nicht in absehbarer Zeit verwirklichen. Daher ist nicht zu beanstanden, wenn es eine 4-Zimmerwohnung für den Beklagten zur Zeit als nicht notwendig angesehen hat.
Weiter beantragt der Beklagte die Berücksichtigung der Reisekosten, um seine Ehefrau und das gemeinsame Kind in Nigeria zu besuchen bzw. dass diese in die Schweiz reisen können. Ein Zuschlag für solche Auslagen ist in den einschlägigen Richtlinien zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht vorgesehen. Zur Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen dem Beklagten und seiner Familie in Nigeria fallen zweifelsohne Kosten an; angesichts der vorliegend knappen finanziellen Verhältnisse und des Umstandes, dass der Beklagte für mehrere Kinder unterhaltspflichtig ist, verstösst die Nichtberücksichtigung dieser Auslagen indes nicht gegen Bundesrecht.
Damit ist die Bedarfsberechnung des Obergerichts in keiner Weise zu beanstanden. Gemäss dieser wird das (erweiterte) Existenzminimum des Beklagten bereits durch sein monatliches Einkommen gedeckt bzw. es resultiert ein Überschuss. Die vollumfängliche Verwendung des 13. Monatslohnes für den Kinderunterhalt verletzt damit Bundesrecht nicht. Es liegt kein unzulässiger Eingriff in das Existenzminimum des Beklagten vor.
4.
Neben dem Kläger ist der Beklagte für zwei weitere Kinder unterhaltspflichtig: Das eine stammt aus erster Ehe und hält sich in der Schweiz auf. Das andere stammt aus seiner aktuellen Ehe und lebt zusammen mit seiner Mutter, der Ehefrau des Beklagten, in Nigeria. Der Beklagte macht eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Geschwistern geltend und rügt insbesondere eine Schlechterstellung seines nigerianischen Kindes.
Auf dieses Vorbringen kann nur eingetreten werden, soweit es sich auf den Anteil am 13. Monatslohn des Beklagten bezieht, weil der monatliche Unterhaltsbeitrag bereits vor Obergericht nicht mehr angefochten und über diesen daher bereits rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. E. 2 vorangehend).
4.1 Unterhaltsberechtigte Kinder sind vom Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zu ihren objektiven Bedürfnissen finanziell gleich zu behandeln. Den unterschiedlichen Erziehungs-, Gesundheits- und Ausbildungsbedürfnissen darf somit Rechnung getragen werden, weshalb ungleiche Unterhaltsbeiträge nicht von vornherein ausgeschlossen sind, aber einer Rechtfertigung bedürfen. Die Höhe des Unterhaltsbeitrages hängt weiter nicht nur von der Leistungsfähigkeit des in die Unterhaltspflicht genommenen, sondern auch von den finanziellen Umständen des obhuts- bzw. sorgeberechtigten Elternteils ab (BGE 116 II 110 E. 4a S. 114 f.; 126 III 353 E. 2b S. 358 f.).
4.2 Diesen Grundsatz der Gleichbehandlung der drei Kinder des Beklagten haben beide Vorinstanzen ausdrücklich berücksichtigt. Sie haben indes erwogen, das in Nigeria lebende Kind habe einen tieferen Grundbedarf. Das Kantonsgericht ist zum Schluss gelangt, dieser betrage 53,9 % des Niveaus der Schweiz (100 %). Das Obergericht hat diese Zahlen - wenn auch in etwas pauschalisierter Form - auch seiner Aufteilung des 13. Monatslohnes des Beklagten unter den unterhaltsberechtigten Kindern zu Grund gelegt. Die Annahmen über die Lebenshaltungskosten in Nigeria beruhen auf Beweiswürdigung (internationale Vergleichsstudien), so dass sie im Berufungsverfahren nicht überprüft werden können (BGE 117 II 256 E. 2b S. 258; 126 III 10 E. 2b S. 12). Auf die Vorbringen des Beklagten zum Preisniveau in Nigeria kann damit nicht eingetreten werden. Da die Ungleichbehandlung des im Ausland lebenden Kindes auf objektiven Grundlagen beruht, d.h. auf den in Nigeria gegenüber der Schweiz tieferen Lebenshaltungskosten, hält das angefochtene Urteil dem Bundesrecht stand.
Einen allfälligen Bedarf seiner jetzigen Ehefrau hat das Obergericht unter anderem deswegen nicht berücksichtigt, weil der Beklagte in diesem Punkt seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, d.h. keine Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen habe, welche erlauben würden, deren Leistungsfähigkeit zu bestimmen resp. darüber Beweise abzunehmen. Inwiefern die Vorinstanz in diesem Punkt Bundesrecht verletzt haben soll, legt der Beklagte nicht dar (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
5.
Schliesslich verlangt der Beklagte die Aufhebung der Zahlungsverpflichtung, soweit sie rückwirkend für die Jahre 2002 und 2003 angeordnet worden ist. Aus den Berufungsanträgen ergibt sich, dass der Beklagte die Rückwirkung nur bezüglich der jährlich geschuldeten Unterhaltsbeiträge anficht. Zur Begründung führt er aus, Art. 279 Abs. 1 ZGB müsse einschränkend ausgelegt werden. Die rückwirkende Zahlungsverpflichtung sei im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich, da er von der Mutter des Klägers nicht umgehend über die Schwangerschaft informiert worden sei und der Kläger zudem nach Klageeinreichung keine vorsorglichen Massnahmen verlangt habe.
Art. 279 Abs. 1 ZGB bezweckt, dem auf Unterhalt klagenden Kind mit der einjährigen Rückwirkung eine Vorzugsstellung einzuräumen; sie soll ihm ermöglichen, sich vor der Klageerhebung mit dem Unterhaltspflichtigen auf eine vertragliche Einigung zu verständigen, ohne im Falle des Scheiterns der Verhandlungen einen Nachteil gewärtigen zu müssen (BGE 127 III 503 E. 3b/aa S. 505 mit Hinweisen).
Es mag nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass eine rückwirkende Zahlungsverpflichtung im Einzelfall einen Rechtsmissbrauch darstellen kann. Indes reicht dazu der Umstand, dass der Beklagte nicht sofort über die Schwangerschaft informiert worden ist und im Laufe des vorinstanzlichen Verfahrens keine vorsorglichen Massnahmen beantragt worden sind, nicht aus, einen solchen zu begründen. Zudem ist bereits fraglich, ob bezüglich des jährlichen Anteils am 13. Monatslohn überhaupt eine rückwirkende Zahlungsverpflichtung im Sinne von Art. 279 Abs. 1 ZGB erfolgt ist: In Bezug auf den für das Jahr 2003 geschuldeten Beitrag trifft dies offensichtlich nicht zu, wurde die Unterhaltsklage doch bereits im Juni 2002 eingereicht. Auch der Beitrag für das Jahr 2002 - welcher aus dem im Dezember des gleichen Jahres ausbezahlten 13. Monatslohn zu begleichen ist - wurde erst per 31. Dezember 2002 fällig. Die Berufung ist damit auch in diesem Punkt abzuweisen.
6.
Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er schuldet dem Kläger allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Berufungsantwort eingeholt worden ist.
Der Beklagte hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt: Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; 127 I 202 E. 3a und b S. 204, je mit Hinweisen).
Angesichts des einlässlich begründeten Urteils des Obergerichts und der vielen unzulässigen Rügen des Beklagten haben sich im vorliegenden Fall die Gewinnaussichten von vornherein als deutlich geringer als die Verlustgefahren dargestellt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Angesichts der offenkundig knappen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten wird indes eine reduzierte Gerichtsgebühr erhoben (Art. 153a Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege des Beklagten wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh., 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Juni 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: