BGer 1A.171/2003
 
BGer 1A.171/2003 vom 08.06.2004
Tribunale federale
{T 1/2}
1A.171/2003
1A.197/2003
1P.489/2003/ gij
Urteil vom 8. Juni 2004
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Fonjallaz, Eusebio,
Ersatzrichter Loretan,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Parteien
1A.171/2003, 1P.489/2003
Munizipalgemeinde Lalden, 3931 Lalden,
vertreten durch den Gemeindepräsidenten Walter Kuonen und den Gemeindeschreiber René Gasser,
1A.197/2003
WWF Schweiz, vertreten durch Carsten Schmidt und David Häne,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Urban Carlen,
gegen
Staatsrat des Kantons Wallis, Regierungsgebäude, 1950 Sitten,
Gemeinde Baltschieder, Gemeindeverwaltung, 3937 Baltschieder,
Gemeinde Visp, Gemeindeverwaltung, St. Martiniplatz 1, Postfach 376, 3930 Visp,
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, Justizgebäude, 1950 Sitten.
Gegenstand
provisorische Entlastungsstrasse Visp (Plangenehmigung: Ausführung/Rodung/Eingriff in Fischereigewässer),
Verwaltungsgerichtsbeschwerden und staatsrechtliche Beschwerde gegen die Urteile des Kantonsgerichts Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 17. Juli 2003.
Sachverhalt:
A.
Der Staatsrat des Kantons Wallis genehmigte in einem koordinierten Entscheid vom 18. Dezember 2002 das Projekt einer provisorischen Entlastungsstrasse als Nordumfahrung von Visp und wies die gegen das Projekt erhobenen Einsprachen überwiegend ab. Gleichzeitig erteilte er die Bewilligung für die Rodung von 4'232 m2 Wald und von 799 m2 Ufervegetation sowie eine Bewilligung für technische Eingriffe in ein Fischgewässer und eine Ausnahmebewilligung für die Überdeckung des Laldnerkanals.
Das Projekt soll provisorisch, bis zur Inbetriebnahme der Nationalstrasse A9, Südumfahrung Visp, die Kantonsstrasse zwischen Visp und Brig entlasten. Dort staut sich der Feierabendverkehr regelmässig und in erheblichem Ausmass.
Die Gesamtlänge der Entlastungsstrasse beträgt etwa 7.25 km; sie umfasst eine ca. 1.5 km lange Neubaustrecke und die Verbreiterung bestehender Strassen auf ca. 1.6 km Länge. Bei Überlastung soll der nach Westen strebende Leichtverkehr (bis 3.5 t) die Kantonsstrasse über die "blaue Brücke" bei Brigerbad oder über die Laldnerbrücke bei Eyholz verlassen und auf die Nordseite des Rotten ausweichen können. Ab der "blauen Brücke" kann die bestehende Dammstrasse benützt werden. Die Neubaustrecke beginnt bei der Laldnerbrücke. Sie verläuft zunächst westwärts entlang dem Rotten - auf der Nordseite unmittelbar am Fuss des Flussdammes - und durchquert anschliessend auf der Ostseite des Lonzaareals den Laldnergrund nordwärts bis zum Laldnerkanal. Bis zur Kreuzung mit der bestehenden Gemeindestrasse südlich des Laldnerkanals soll sie als einspurige Strecke von 3.5 m Breite errichtet und nur im Einbahnverkehr von Osten nach Westen befahren werden. Eine neue Brücke über den Laldnerkanal verbindet den hier inzwischen zweispurigen, 5.5 m breiten Neubauteil mit der dort vorhandenen Strasse. Diese soll bis zur Baltschiederbrücke auf 5.5 m Breite, d.h. für Gegenverkehr, ausgebaut werden. Bei der Baltschiederbrücke wird die bestehende Fussgängerbrücke durch eine Autobrücke ersetzt, so dass dann für jede Fahrtrichtung eine eigene Brücke besteht. Ab hier soll der Verkehr über bestehende, nicht anpassungsbedürftige Strassen wieder zur Kantonsstrasse gelangen.
B.
Gegen den Entscheid des Staatsrates erhoben unter anderen die Munizipal- und Bürgergemeinde Lalden sowie der WWF Schweiz Beschwerde an das Kantonsgericht. Dieses wies die Beschwerden mit separaten Urteilen je vom 17. Juli 2003 ab.
C.
Gegen diese Urteile erhoben die Munizipalgemeinde Lalden am 22. August 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde und der WWF Schweiz am 12. September 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Beide Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Die Munizipalgemeinde Lalden verlangt die Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung an die erste Instanz; der WWF beantragt, das Bundesgericht solle selbst in der Sache entscheiden und festhalten, dass die Genehmigung einer Entlastungsstrasse von Visp bis zur Inbetriebnahme der A9, Südumfahrung von Visp, unverhältnismässig sei und dem öffentlichen Interesse widerspreche.
Der Staatsrat, der Gemeinderat Visp und das Verwaltungsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerden.
Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) nahm am 8. Dezember 2003 zur Angelegenheit Stellung. Die Eingabe wurde den Parteien zur Vernehmlassung zugestellt. Die Beschwerdeführer und der Staatsrat hielten an ihren Positionen unverändert fest.
D.
Mit Präsidialverfügung vom 13. Oktober 2003 erkannte das Bundesgericht den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde des WWF und diejenigen der Munizipalgemeinde Lalden betreffen das selbe Vorhaben und werfen zumindest teilweise die gleichen Rechtsfragen auf. Dies rechtfertigt es, sie in einem Entscheid zu behandeln.
2.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 128 I 177 E. 1 S. 179; 128 II 13 E. 1a S. 16, je mit Hinweisen). Entsprechend der subsidiären Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG) ist zunächst zu prüfen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht.
2.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen (Art. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 97 OG), sofern diese von einer in Art. 98 OG genannten Vorinstanz erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe greift. Sodann unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemischt-rechtliche Verfügungen bzw. (auch) auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen sowie auf übrigem kantonalen Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 128 I 46 E. 1b/aa S. 49; 123 II 359 E. 1a/aa S. 361, je mit Hinweisen).
Im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer auch geltend machen, der angefochtene Entscheid verletze Bundesverfassungsrecht, weil dieses zum Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG gehört (BGE 126 II 300 E. lb S. 302; 121 II 39 E. 2d/bb S. 47, je mit Hinweisen).
2.2 Der angefochtenen Plangenehmigungsentscheid hat Verfügungscharakter und stützt sich unter anderem auf das Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01). Zudem ist er formell und materiell mit Ausnahmebewilligungen für eine Rodung gemäss Art. 5 des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 (WaG, SR 921.0) sowie für die Beseitigung von Ufervegetation im Sinne von Art. 22 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG, SR 451) und mit weiteren auf Bundesverwaltungsrecht gestützten Bewilligungen verbunden. Das kantonale Recht, auf welches sich die Beschwerdeführer berufen, steht mit dem erwähnten Bundesrecht in engem sachlichem Zusammenhang. Somit ist hinsichtlich dieser Rügen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben. Die Kognition des Bundesgerichts richtet sich bei der Überprüfung von selbstständigem kantonalen Recht allerdings nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (BGE 121 II 235 E. 1 S. 238 mit Hinweisen).
Die verfassungsrechtlichen Rügen, der angefochtene Entscheid verletze die Eigentumsgarantie und den Anspruch auf rechtliches Gehör, können ebenfalls im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt werden.
2.3 Der WWF Schweiz ist schon gestützt auf Art. 12 Abs. 1 NHG und Art. 46 Abs. 3 WaG zur Beschwerde legitimiert, weshalb in diesem Zusammenhang offen bleiben kann, ob die Entlastungsstrasse eine UVP-pflichtige Anlage ist, gegen welche die Verbandsbeschwerde gemäss Art. 55 USG offen steht. Am kantonalen Verfahren hat sich der WWF Schweiz von Anfang an ordnungsgemäss beteiligt. Auf seine rechtzeitig und formrichtig erhobene Beschwerde ist einzutreten.
2.4 Die Munizipalgemeinde Lalden ist als Eigentümerin von Grundstücken, die für das Strassenprojekt enteignet werden sollen, wie ein Privater betroffen und daher gemäss Art. 103 lit. a OG zur Beschwerde legitimiert. Zudem ist sie auch gestützt auf Art. 46 Abs. 3 WaG und Art. 12 Abs. 1 NHG zur Beschwerde befugt. Auf ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten. Weil ihre Rügen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt werden können, bleibt für die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde kein Raum. Auf diese ist daher nicht einzutreten.
3.
3.1 Östlich der Baltschiederbrücke soll die Strasse auf einer Strecke von ungefähr 800 m, bis zur Querung des Laldnerkanals, durch eine flussseitige Aufschüttung des Dammes entlang dem Rotten verbreitert werden. Dies bedingt gemäss den Projektunterlagen die Rodung von am Flussufer stockenden 1846 m2 Wald und 658 m2 Ufervegetation. Die Vegetation ist gemäss dem für das Projekt erarbeiteten Umweltverträglichkeitsbericht vom 24. September 2002 (im Folgenden: UVB) als sehr wertvoll zu taxieren. Es handelt sich hauptsächlich um einen seit der letzten Rottenkorrektion entstandenen Purpurweidengürtel, eine im Oberwallis seltene flussbegleitende Laubwaldgesellschaft. Dieser Abschnitt ist gemäss dem UVB auch faunistisch sehr wertvoll, da er als trockener und heisser Standort stark gefährdeten Tierarten Lebens-, namentlich auch Vermehrungsraum, bietet. Soweit die Rodungsflächen als Wald bezeichnet werden, handelt es sich meist um Schwarzpappel, Birke, Esche, Grau-Erle und verschiedene Weiden.
3.2 Während die Beschwerdeführer in erster Linie bestreiten, dass die Voraussetzungen für eine Rodung von Wald erfüllt sind, bezweifelt das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) in seiner Vernehmlassung auch, dass die Voraussetzungen für die Rodung bzw. Entfernung der Ufervegetation gegeben seien.
Die kantonalen Instanzen haben mit den Verfassern des UVB offenbar angenommen, dass die vom Projekt betroffene Vegetation am Rottenufer entweder als Wald oder als Ufervegetation im Sinne von Art. 21 NHG zu qualifizieren sei. Indessen gilt Wald, der die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, gleichzeitig auch als Ufervegetation im Sinne von Art. 21 NHG. Das hat zur Folge, dass für seine Entfernung sowohl eine Rodungsbewilligung nach Waldgesetz als auch eine naturschutzrechtliche Bewilligung nach Art. 22 Abs. 2 NHG erforderlich sind, und dass - wenn die Rodungsbewilligung erteilt werden kann - Massnahmen gemäss Art. 18 Abs. 1ter NHG zu treffen sind (BGE 115 Ib 224 E. 5c/ca S. 228).
Die als Wald bezeichnete Bestockung entlang dem Rottenufer besteht aus Bäumen, wie sie häufig entlang Gewässern anzutreffen sind. Dies gilt namentlich für die Grau-Erlen und Weiden. Dieser Umstand sowie die Entstehung und die Lebensbedingungen dieser nach der letzten Rottenkorrektion entstandenen Bestockung legen die Vermutung nahe, dass auch der Wald als Ufervegetation im Sinne von Art. 21 NHG anzusehen ist. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben, da neben der Rodung von Wald so oder so auch klarerweise als Ufervegetation zu klassierende Vegetation entfernt werden soll.
3.3 Bis Oktober 1991 hatte Art. 22 Abs. 2 NHG folgenden Wortlaut (AS 1966 1637):
"Sie [die zuständige kantonale Behörde] kann die Beseitigung der Ufervegetation bewilligen, wenn es das öffentliche Interesse erfordert. [...]"
Diese Bestimmung wurde durch Art. 75 Ziff. 2 des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991 (GSchG, SR 814.20; AS 1992 1860, 1883) neu wie folgt gefasst:
"Sie kann die Beseitigung der Ufervegetation in den durch die Wasserbaupolizei- oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen für standortgebundene Vorhaben bewilligen."
3.3.1 Nach dem Wortlaut ist die Beseitigung von Ufervegetation damit nur noch bewilligungsfähig, wenn sie für ein Vorhaben erfolgt, welches entweder durch das Bundesgesetz über die Wasserbaupolizei vom 22. Juni 1877 (WBPG; SR 721.10), das Bundesgesetz über den Wasserbau vom 21. Juni 1991 (WBG, SR 721.100) und das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 (Wasserrechtsgesetz; WRG, SR 721.80) oder durch das Gewässerschutzgesetz erlaubt und zudem standortgebunden ist. Während die Standortgebundenheit nach den im Raumplanungsrecht und Waldrecht entwickelten Kriterien beurteilt werden kann, was hier hinsichtlich der Auslegung weiter keine Fragen aufwirft, ist näher zu prüfen, was mit "durch die Wasserbaupolizei- oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen" gemeint ist.
Der Ausdruck "erlaubt" ist nach dem Wortlaut so zu verstehen, dass es sich um in diesen Erlassen vorgesehene bzw. zugelassene Eingriffe handeln muss. Nicht ganz ausgeschlossen erscheint indessen auch, ihn so aufzufassen, dass es sich um Projekte handeln muss, die der erwähnten Gesetzgebung nicht widersprechen bzw. davon nicht ausdrücklich untersagt sind.
Die Materialien erhellen die Frage kaum. In der Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1987 (BBl 1987 II 1061 ff.) wird zur Anpassung des NHG auf die häufigen Zerstörungen von Ufervegetation hingewiesen und festgehalten, dass dieser Zustand verbessert werden solle. In der deutsch- und italienischsprachigen Botschaft bezieht sich dieser Hinweis auf den gleichzeitig revidierten Art. 21 Abs. 2 NHG; zur hier interessierenden Bestimmung wird nichts ausgeführt (a.a.0. S. 1167; italienisch: FF 1987 II 972). In der französischsprachigen Botschaft finden sich inhaltlich die gleichen Erläuterungen; sie beziehen sich dort indessen generell auf das NHG, ohne Bezug auf bestimmte Artikel bzw. Teile davon (FF 1987 II 1190). Das rechtfertigt den Schluss, dass die Teilrevision ganz generell den Schutz der Ufervegetation verstärken sollte. Die Räte stimmten der Änderung diskussionslos zu (AB S 1988 664-666, AB N 1989 1088-1090).
Im Schrifttum war zur Revisionsvorlage ausgeführt worden, es sei vorgesehen, den relativ offenen Begriff des öffentlichen Interesses durch eine engere und präzisere Umschreibung zu ersetzen (Hans-Peter Jenni, Rechtsfragen zum Schutzobjekt Biotope und insbesondere Ufervegetation gemäss NHG und angrenzenden Gesetzen, Schriftenreihe Umwelt Nr. 126, Hrsg. BUWAL, Bern 1990, S. 17).
3.3.2 In der französischen Fassung lautet Art. 22 Abs. 2 NHG wie folgt:
"Elle peut autoriser la suppression de la végétation existant sur des rives dans le cas de projets qui ne peuvent être réalisés ailleurs et qui ne contreviennent pas à la legislation en matière de police des eaux et de protection des eaux."
Dieser Wortlaut spricht bei erster Betrachtung für die zweite der zuvor erwähnten Auslegungsvarianten. Indessen entspricht er nicht dem im bundesrätlichen Gesetzesentwurf (FF 1987 II 1228) enthaltenen Text, der wie folgt lautete:
"Elle peut autoriser la suppression de la végétation existant sur des rives dans les cas admis par les législations sur la police ou la protection des eaux pour les projets imposés par leur destination."
Diese Fassung, die für die striktere Auslegung des deutschen Textes spricht, wurde wie erwähnt vom Parlament kommentarlos genehmigt. Die nachträglich vorgenommenen Änderungen erfolgten offenbar aus sprachlichen Gründen und erst, nachdem die Redaktionskommission den Text verabschiedet hatte (vgl. die Erklärung von Nationalrat Rebeaud, Berichterstatter, vor der Schlussabstimmung über die Vorlage, AB N 1991 192). Der französische Gesetzestext gibt nach dem Gesagten den vom Parlament genehmigten Sinn nur unzureichend wieder.
Dies bestätigt der italienische Gesetzestext: Er entspricht der ursprünglichen französischsprachigen Fassung der Botschaft:
"Essa può autorizzare, per progetti che non possono essere realizzati altrove, la rimozione della vegetazione ripuale nei casi ammessi dalla legislazione sulla polizia delle opere idrauliche o da quella sulla protezione delle acque."
3.4 In der Lehre (Hans-Peter Jenni, Kommentar NHG, Zürich 1997, Art. 22 N. 13; Heribert Rausch/Arnold Marti/Alain Griffel, Umweltrecht: Ein Lehrbuch, Zürich 2004, S. 203 Rz. 6) wie auch vom BUWAL wird die Auffassung vertreten, Art. 22 Abs. 2 NHG lasse nur noch Ausnahmebewilligungen für Eingriffe zu, die nach Wasserbau- und Gewässerschutzrecht zugelassen bzw. vorgesehen seien. Auch das Waadtländer Verwaltungsgericht vertritt grundsätzlich diese Auffassung (vgl. Entscheid vom 14. Februar 2000, RDAF 2000 I S. 234 E. 5b S. 241 ff., allerdings mit einer unten, E. 3.6 behandelten Einschränkung). Ursula Brunner (Bauen im Uferbereich - schützen die Schutznormen? URP 1996 S. 744 ff., insbes. S. 757 f.) versteht die Bestimmung dahingehend, dass eine Ausnahmebewilligung für ausschliesslich landseitig an Seen geplante Bauvorhaben nicht mehr möglich sei.
Für diese Auslegung spricht nicht nur der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte, sondern auch der Gesetzeszweck: Es ist nicht einzusehen, welchen Sinn es haben sollte, in einer auf die Verstärkung des Schutzes der Ufervegetation gerichteten Revision auf die Voraussetzung des öffentlichen Interesses zu verzichten, wenn nicht an deren Stelle eine Regelung tritt, welche den erwünschten Schutz mindestens ebenso gut gewährleistet wie die bisherige. Die Auslegung, nach welcher ein Vorhaben von der Wasserbaupolizei- und der Gewässerschutzgesetzgebung nicht geradezu verboten sein darf, würde diesen Schutz auch in Verbindung mit dem Kriterium der Standortgebundenheit nicht sicherstellen. Dies kann nicht die Absicht der Revision gewesen sein. Durch die Beschränkung auf Eingriffe, die durch die fraglichen Gesetze ausdrücklich zugelassen werden, wird demgegenüber die Zahl der möglichen Eingriffe wie auch der Entscheidungsspielraum der zuständigen Behörde begrenzt, die neben den Minimalbestimmungen von Art. 18 und 21 NHG auch die - u.U. strengeren - Voraussetzungen nach den anwendbaren Spezialgesetzen berücksichtigen muss (Jenni, Rechtsfragen zum Schutzobjekt Biotope, S. 28 f.).
3.5 Bei den von der Wasserbaupolizei- und der Gewässerschutzgesetzgebung ausdrücklich vorgesehenen Fällen handelt es sich um Massnahmen des Hochwasserschutzes, wo es um den Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten geht (vgl. die Art. 1, 3 und 4 WBG), sowie um Massnahmen im Zusammenhang mit der Nutzung der Wasserkraft (vgl. insbesondere Art. 2 ff. WRG und Art. 29 ff. GSchG). Das Gewässerschutzgesetz erlaubt unter näher geregelten Voraussetzungen die Entnahme von Wasser über den Gemeingebrauch hinaus (Art. 29 ff.), die Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern (Art. 37), das ausnahmsweise Überdecken und Eindolen von Fliessgewässern (Art. 38), ausnahmsweise die Schüttung von Feststoffen in Seen (Art. 39), die Spülung und Entleerung von Stauräumen (Art. 40), die Entnahme und Einleitung von Wasser oder Abwasser (Art. 42) sowie die Ausbeutung von Kies, Sand und anderem Material (Art. 44).
Im vorliegenden Fall wird der Uferbereich eines Fliessgewässers für den Bau einer Strasse beansprucht. Dies fällt klarerweise nicht unter die durch die Wasserbaupolizei- oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fälle.
3.6 Das Waadtländer Verwaltungsgericht vertritt allerdings in einem Entscheid vom 14. Februar 2000 (RDAF 2000 I S. 234 E. 5b S. 241 ff.) die Auffassung, dass die Ufervegetation nicht stärker geschützt sein könne als das Gewässer selbst: Dürfe ein Vorhaben beispielsweise durch Aufschüttung eines Sees realisiert werden, so müsse es auch zulässig sein, stattdessen Ufervegetation zu beseitigen. Dies setze voraus, dass die Voraussetzungen von Art 39 Abs. 2 lit. a GSchG erfüllt seien, d.h. es müsse sich um eine standortgebundene Baute in einem überbauten Gebiet handeln, die vom überwiegenden öffentlichen Interesse gefordert werde; zudem dürfe sich der angestrebte Zweck nicht anders erreichen lassen. Unter diesen - sehr restriktiven - Voraussetzungen könnten auch andere im öffentlichen Interesse liegende Projekte, wie z.B. Uferwege, ausnahmsweise bewilligt werden, wenn sie zwar keinen Eingriff in ein Gewässer bewirken, aber Ufervegetation in Anspruch nehmen.
Überträgt man diese Argumentation auf den vorliegenden Fall, in dem es um das Ufer eines Flusses und nicht eines Sees geht, könnte die Rodung der Ufervegetation für den Strassenbau bewilligt werden, wenn hierfür auch das Fliessgewässer (hier: der Rotten) selbst in Anspruch genommen werden könnte, beispielsweise durch dessen Verbauung und Korrektur (Art. 37 GSchG) oder dessen Überdeckung und Eindolung (Art. 38 GSchG).
Im vorliegenden Fall kann jedoch offen bleiben, ob der Argumentation des Waadtländer Verwaltungsgerichts grundsätzlich zu folgen ist und wenn ja, welche Norm im vorliegenden Fall heranzuziehen wäre, da weder die Voraussetzungen für eine Schüttung (Art. 39 GSchG) noch für Eingriffe in ein Fliessgewässer gemäss Art. 37 f. GSchG vorliegen:
Eine Schüttung kann nur in einem überbauten Gebiet bewilligt werden (Art. 39 Abs. 2 lit. a GSchG), d.h. in Fällen, in denen das Vorhaben nicht auch landseitig realisiert werden könnte (Botschaft zum Gewässerschutzgesetz, BBl 1987 II 1144 f. zu Art. 39). Das Gebiet zwischen dem Lonza-Areal und der Baltschiederbrücke nördlich des Rotten ist jedoch nicht überbaut.
Art. 38 Abs. 2 lit. b GSchG lässt die Überdeckung eines Fliessgewässers für Verkehrsübergänge zu, d.h. um die Überquerung eines Gewässers durch Verkehrsanlagen zu ermöglichen. Dagegen wäre es nicht zulässig, ein Gewässer neu einzudolen oder zu überdecken, um darüber eine Strasse zu errichten. Auch die Voraussetzungen von Art. 37 Abs. 1 GSchG liegen offensichtlich nicht vor.
3.7 Nach dem Gesagten kann keine Ausnahmebewilligung für die Beseitigung von Ufervegetation nach Art. 22 Abs. 2 NHG für das angefochtene Strassenbauprojekt erteilt werden.
4.
Der Staatsrat hat im Plangenehmigungsentscheid vom 18. Dezember 2002 ausführlich begründet, weshalb im dritten Projektabschnitt (zwischen dem Lonza-Areal und der Baltschiederbrücke) auf eine zweite Fahrspur nicht verzichtet werden könne. Angeführt wird namentlich, dass die Anwohner und Landwirte, aber auch die in der Lonza Arbeitenden, auf die Benützung der Strasse in West-Ost-Richtung angewiesen seien und dass dieser Verkehr mengenmässig mit über 300 Fahrten pro Tag nicht vernachlässigt werden könne. Zudem handle es sich beim betroffenen Abschnitt um einen homologierten Radweg; die Sicherheit der Radfahrer müsse gewährleistet bleiben.
Das Verwaltungsgericht hat diese Beurteilung offenbar übernommen. Es äussert sich zwar nicht explizit, bezeichnet indessen die Entlastungsstrasse als standortgebundenes Werk, das im Bereich der Dammstrasse östlich der Baltschiederbrücke auf eine minimale Breite von 5.50 m beschränkt sei.
Unter diesen Umständen besteht für das Bundesgericht kein Anlass, sich mit den übrigen Rügen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen für den Fall, dass im Bereich der Dammstrasse auf eine Verbreiterung und damit auf Eingriffe in die Ufervegetation und den Wald am Rottendamm verzichtet würde.
5.
Demnach sind die Verwaltungsgerichtsbeschwerden gutzuheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben. Da nach dem oben Gesagten feststeht, dass das Projekt "provisorische Entlastungsstrasse Visp" nicht genehmigt werden kann, ist auch der koordinierte Entscheid des Staatsrats vom 18. Dezember 2002 mit aufzuheben. Die Angelegenheit ist zur Neuregelung der Kostenfolgen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Dem unterliegenden Staat Wallis sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). Die Munizipalgemeinde Lalden hat trotz ihres Obsiegens keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG). Hingegen ist der Staat Wallis zu verpflichten, den WWF Schweiz für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden gutgeheissen. Die Urteile des Kantonsgerichts, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 17. Juli 2003 in Sachen WWF Schweiz und Munizipalgemeinde Lalden und der koordinierte Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 18. Dezember 2002 werden aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur Neuverlegung der Kosten an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
2.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Staat Wallis hat den WWF Schweiz für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Staatsrat des Kantons Wallis, den Gemeinden Baltschieder und Visp, dem Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Juni 2004
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: