Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.471/2003 /mar
Urteil vom 16. Juni 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Matter.
Parteien
Erben des X.________, handelnd durch Notar Walter Neuenschwander,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Toni Amonn,
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Bern, Münstergasse 3, 3011 Bern,
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, Sägemattstrasse 2, Postfach 54, 3097 Liebefeld.
Gegenstand
Direkte Bundessteuer pro 1995/96 und 1997/98,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom
26. August 2003.
Sachverhalt:
A.
X.________ sel. war Patentanwalt. Per 1. Januar 1995 wandelte er seine Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft um, an deren Kapital er zu 99,5 % beteiligt war. Gemäss Lohnausweis erzielte er 1995 ein Erwerbseinkommen von Fr. 136'000.-- und 1996 ein solches von Fr. 266'000.--. Diese Erhöhung entsprach einem im Jahre 1996 ausbezahlten variablen Gehaltsanteil (Bonus), der sich am Geschäftsergebnis 1995 der Gesellschaft orientierte und in deren Büchern transitorisch verbucht war. Nach dem gleichen Auszahlungsmodus bezog er 1997 einen Bonus für 1996.
Für die direkte Bundessteuer wurde X.________ wegen Berufswechsels von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit auf Anfang 1995 zwischenveranlagt. Dabei diente sein Einkommen der Jahre 1995 und 1996 als Bemessungsgrundlage für die Steuerperioden 1995/96 und 1997/98. Zudem befand die Steuerverwaltung des Kantons Bern, das steuerbare Einkommen der massgeblichen Bemessungsjahre umfasse nicht nur den Bonus 1995, wie dies der Pflichtige annahm, der diesen Einkommensbestandteil erst im Folgejahr, mit der effektiven Ausschüttung, als realisiert erachtete. Vielmehr rechnete die Veranlagungsbehörde auch den Bonus 1996 auf, weil der Zeitraum der abgegoltenen Arbeitsleistung ausschlaggebend sei.
Gegen diese Aufrechnung erhoben die Erben von X.________ erfolglos Einsprache und sodann Rekurs an die Steuerrekurskommission des Kantons Bern.
B.
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2003 haben die Erben von X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen, den Entscheid der Steuerrekurskommission vom 26. August 2003 für die direkte Bundessteuer der Veranlagungsperioden 1995/96 und 1997/98 aufzuheben. Eine tatsächliche Realisierung könne erst im Zeitpunkt der Auszahlung angenommen werden. Die Aufrechnung des für das Geschäftsjahr 1996 verbuchten und erst im Folgejahr ausgeschütteten Bonus sei bundesrechtswidrig.
Die Steuerverwaltung und die Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend die direkte Bundessteuer ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172. 021] sowie Art. 98 lit. g OG und Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]). Die Erben des Pflichtigen sind nach Art. 103 lit. a OG zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist demnach einzutreten.
2.
2.1 Gemäss Art. 17 Abs. 1 DBG sind steuerbar alle Einkünfte aus privatrechtlichem oder öffentlichrechtlichem Arbeitsverhältnis mit Einschluss der Nebeneinkünfte wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Provisionen, Zulagen, Dienstalters- und Jubiläumsgeschenke, Gratifikationen, Trinkgelder, Tantiemen und andere geldwerte Vorteile.
Ein Einkommen ist nach steuerlichen Gesichtspunkten dann als zugeflossen und damit als erzielt zu betrachten, wenn der Steuerpflichtige Leistungen vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruch darauf erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann. Nur unbedingte Leistungsansprüche können als realisiertes Einkommen betrachtet werden (vgl. BGE 113 Ib 23 E. 2e; ASA 66 377 E. 4a und 66 554 E. 5d, 65 733 E. 3b und 62 705 E. 7b; StE 2003 B 22.2 Nr. 17 E. 2; StR 2003 359 E. 2.1; je mit weiteren Hinweisen).
2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, nur der erste der beiden hier interessierenden Boni falle in die massgeblichen Bemessungsjahre 1995 und 1996.
Dafür berufen sie sich auf den Grundsatz, vom Arbeitgeber freiwillig erbrachte Leistungen wie Gratifikationen oder Sondervergütungen seien vom Empfänger erst dann realisiert, wenn sie ihm zugesprochen oder ausbezahlt würden. Sie seien jener Bemessungsperiode zuzuordnen, in der ein fester Rechtsanspruch auf die Vergütung vorliege, ohne Rücksicht darauf, in welchen Zeitraum die Arbeitsleistung falle. Jedenfalls bestehe noch keine tatsächliche Verfügbarkeit, solange das zugrunde liegende Geschäftsergebnis nicht bekannt und der Bonus somit nicht einmal quantifizierbar sei. Der Bücherabschluss sei unabdingbare Voraussetzung, um die Auszahlung überhaupt als Bonus zu quantifizieren, dann zu beschliessen und letztlich auszubezahlen.
Wenn aber - wie hier - der Abschluss jeweils auf den 31. Dezember erfolge, sei das Einkommen frühestens ab Beginn des Folgejahres realisiert. Wohl habe die Gesellschaft vorliegend die Bonuszahlungen in ihrer Buchhaltung per Jahresende transitorisch abgegrenzt. Die Erfassung als Aufwand entspreche aber noch nicht der Realisierung beim Empfänger. Das ergebe sich aus dem Vorsichts- bzw. Imparitätsprinzip.
2.3 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erfolgt die Realisierung grundsätzlich erst mit der effektiven Auszahlung. Steuerbar wäre daher kaum eine Gratifikation, die dem Empfänger vom Arbeitgeber zwar zugesichert, aber weder zahlenmässig noch nach dem Fälligkeitstermin bekannt ist. In der Praxis wird im Allgemeinen zwar auf den Zeitpunkt des Kasseneingangs oder der Gutschrift abgestellt, als frühester Zeitpunkt der Einkommensrealisierung wird aber auch die Möglichkeit, die Einkünfte oder Teile davon als Forderung rechtlich gültig abzutreten, bezeichnet (vgl. ASA 44 343 E. 2). Eine solche Betrachtungsweise ist zum Beispiel dann sachgerecht, wenn ein Unselbständigerwerbender dank seiner beherrschenden Stellung in der Arbeitgeberfirma den Zeitpunkt der Auszahlung oder Gutschrift seines Arbeitsentgelts nach Belieben bestimmen kann. Fehlen in einem solchen Fall unternehmerische Gründe für eine Auszahlung oder Gutschrift erst nach dem Zeitraum, für den die Arbeitsleistung erbracht wurde, so wäre es bundesrechtswidrig, auf diesen wirtschaftlich nicht einleuchtenden Zeitpunkt abzustellen (NStP 1986, 86 f., E. 3a).
So verhält es sich auch hier: Der Erblasser konnte mit seiner Beteiligung von 99,5 % sämtliche Beschlüsse der Gesellschaft jederzeit und alleine fassen. Dank dieser beherrschenden Stellung vermochte er auch über die Höhe und die Fälligkeit seines Bonus frei zu entscheiden. Deshalb ist für die Besteuerung des variablen Gehaltsanteils auf das Geschäftsjahr der erbrachten Arbeitsleistung abzustellen. Der Zeitpunkt der effektiven Auszahlung käme für die Realisierung nur dann in Betracht, wenn unternehmerische Gründe dies rechtfertigten. Das ist hier nicht der Fall. Bei der Gesellschaft wurden die variablen Gehaltsanteile dem Geschäftsjahr zugerechnet, für welches sie bestimmt waren. Zudem waren sie, obwohl vom Geschäftsergebnis abhängig, zum Jahresende schon betraglich bestimmt. Daran ändert auch das Vorsichts- bzw. das Imparitätsprinzip nichts.
2.4 Demnach haben die kantonalen Steuerbehörden zu Recht angenommen, dass der Bonus des Geschäftsjahres 1996 ebenfalls in die für die Steuerperioden 1995/96 und 1997/98 massgeblichen Bemessungsjahre fällt.
3.
Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, vermag nicht zu überzeugen:
Unzutreffend ist der Einwand, das in NStP 1986, 81 ff. veröffentlichte Urteil (vgl. hiervor E. 2.3) betreffe Verwaltungsratshonorare und Darlehenszinsen, welche - im Gegensatz zu variablen Gehaltsanteilen - nicht gewinnabhängig seien. Dieser Unterschied ist nicht ausschlaggebend. Massgeblich ist vielmehr Folgendes: Im genannten Urteil hat das Bundesgericht erwogen, dass eine Realisierung im Jahr der Arbeitsleistung selbst dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer als beherrschender Anteilsinhaber die gesellschaftliche Beschlussfassung und danach die Gutschrift beim Empfänger (d.h. bei ihm selber) ohne unternehmerische Gründe in das darauf folgende Jahr verschiebt. Das hat auch hier zu gelten.
Aus dem gleichen Grund erweist es sich als unbegründet, wenn die Beschwerdeführer sich auf das Bundesgerichtsurteil 2A.92/2002 vom 4. Oktober 2002 (vgl. die französische Übersetzung in RDAF 2003 II 202) berufen. Dort ging es um die Frage, ob die je zwei Dividenden- und Bonuszahlungen im Bemessungslückenjahr 1998 als ausserordentliche Einkünfte im Sinne von Art. 218 Abs. 3 DBG zu qualifizieren waren. Es wurde auch in diesem Fall massgeblich darauf abgestellt, dass der Arbeitnehmer als Mehrheitsbeteiligter in der Lage war, Beschlussfassung und Gutschrift nach Belieben festzulegen (E. 3.3.2).
Ebenso wenig stichhaltig ist das Vorbringen, aus dem in ASA 71 389 veröffentlichten Bundesgerichtsurteil ergebe sich, dass es für variable Gehaltsbestandteile nicht darauf ankomme, wann und wie die Bonuszahlung bei der Gesellschaft verbucht werde. In diesem Fall ging es um die Besteuerung eines Bonus an der Quelle, der nach dem Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht des Empfängers in der Schweiz ausgerichtet worden war. Der Pflichtige hatte die Schweiz Mitte 1996 verlassen. Danach bestanden keine steuerlichen Anknüpfungspunkte mehr zur Schweiz. Somit war es unerheblich, ob die Bonuszahlung bereits am 31. Dezember 1996 fällig und deshalb dem Jahre 1996 zuzurechnen war oder erst mit ihrer Auszahlung im Frühjahr 1997 steuerlich erfasst werden konnte. Massgeblich war der Zeitraum der abgegoltenen Arbeitsleistung. Deshalb wurde der Steueranspruch der Schweiz bejaht.
Zu Unrecht wird schliesslich gerügt, es liege eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots vor: Einem anderen, am Kapital nicht beteiligten Mitarbeiter der Gesellschaft seien ebenfalls variable Gehaltsanteile ausbezahlt worden. Diese seien in der Buchhaltung auf die gleiche Art verbucht und abgegrenzt worden wie diejenigen für den Erblasser. Somit dürften sie steuerlich nicht verschieden erfasst werden. Das trifft indessen nicht zu. Ein unterschiedlicher Realisierungszeitpunkt kann sehr wohl vorliegen, je nachdem, ob es dem Empfänger möglich ist, die Verbuchung und die Auszahlung des Bonus nach Belieben festzulegen bzw. zu verschieben (vgl. E. 2.3 hiervor). Ebenso wenig vermag der Vergleich mit der Besteuerung von Überzeitentschädigungen zu überzeugen. Die Information der Steuerverwaltung, auf die sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang berufen, bezieht sich auf die Qualifikation als ordentliches bzw. ausserordentliches Einkommen und ist - gerade bezüglich ihrer Anwendbarkeit auf Bonifikationen - allgemein gehalten. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, sie decke auch alle Spezialfälle ab und bezwecke gar eine Praxisänderung in Fällen wie dem vorliegenden.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die unterliegenden Beschwerdeführer unter Solidarhaft kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung und der Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Juni 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: