BGer 2A.353/2004 |
BGer 2A.353/2004 vom 28.06.2004 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.353/2004 /pai
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Urteil vom 28. Juni 2004
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
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Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
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Gerichtsschreiber Feller.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 86/88, Postfach, 5001 Aarau,
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Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 70, Postfach, 5001 Aarau.
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Gegenstand
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Ausweisung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 14. Mai 2004.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Der türkische Staatsangehörige X.________, geb. Dezember 1969, stellte 1988 nach illegaler Einreise ein Asylgesuch, welches noch im selben Jahr abgeschrieben wurde. In der Zeit zwischen 1990 und 1999 kam er dreimal illegal in die Schweiz. Nach der zweiten Ausschaffung 1994 heiratete er in der Türkei eine Landsfrau. Die Ehe wurde nach einem Jahr getrennt und 1999 geschieden; aus dieser Ehe hat X.________ eine 1997 geborene und auch heute in der Türkei wohnende Tochter. Am 17. September 1999 heiratete X.________ eine Schweizer Bürgerin, geb. 1956, welche zwei aus früherer Ehe stammende, heute volljährige Söhne hat. Gestützt auf diese Ehe, welche kinderlos geblieben ist, wurde X.________ die Aufenthaltsbewilligung erteilt und zuletzt bis am 30. September 2001 verlängert.
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Mit Urteil vom 27. Mai 2003 sprach das Geschworenengericht des Kantons Zürich X.________ der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB sowie des Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 i.V. m. Art. 31 Abs. 2 SVG), begangen in der Nacht vom 13. auf den 14. April 2001, schuldig und verurteilte ihn zu vier Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung von 774 Tagen Untersuchungshaft und vorzeitigem Strafvollzug. Am 12. Dezember 2003 wurde er bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Das Migrationsamt des Kantons Aargau verfügte am 9. Januar 2004 die Ausweisung von X.________ für unbestimmte Zeit. Die dagegen erhobene Einsprache blieb erfolglos. Mit Urteil vom 14. Mai 2004 wies das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. Juni 2004 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Rekursgerichts aufzuheben und von einer Ausweisung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG abzusehen, eventualiter die Ausweisung lediglich anzudrohen resp. eine entsprechende Verwarnung auszusprechen. Zudem wird um aufschiebende Wirkung ersucht.
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Die kantonalen Akten sind eingeholt worden; von der Anordnung eines Schriftenwechsels ist abgesehen worden. Das Urteil ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
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Mit dem vorliegenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos, soweit es nicht ohnehin von vornherein gegenstandslos war, nachdem die Ausweisungsverfügung mit der Aufforderung verbunden worden war, die Schweiz spätestens 60 Tage nach deren Rechtskraft zu verlassen.
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2.
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2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 ANAG kann der Ausländer aus der Schweiz unter anderem dann ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde (lit. a). Die Ausweisung soll nach Art. 11 Abs. 3 ANAG nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die Beurteilung der Angemessenheit, d.h. der Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 125 II 521 E. 2a S. 523) der Ausweisung erklärt Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV; SR 142.201) namentlich als wichtig die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile. Da bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auch die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen sind, hält eine im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG verhältnismässige Ausweisung grundsätzlich auch vor Art. 8 EMRK stand.
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Ob die Ausweisung im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV verhältnismässig ist, stellt eine vom Bundesgericht frei zu überprüfende Rechtsfrage dar (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, 521 E. 2a S. 523, mit Hinweisen). Hingegen ist das Bundesgericht gemäss Art. 105 Abs. 2 OG an die Sachverhaltsfeststellungen des Rekursgerichts gebunden, soweit dieses den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt hat. Auch in Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschwerdeschrift und nach Durchsicht der Akten ist nicht erkennbar, inwiefern sich dem Rekursgericht eine in diesem Sinn qualifiziert mangelhafte Sachverhaltsermittlung vorwerfen liesse. Für die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit ist daher ohne Vorbehalt von dessen tatsächlichen Feststellungen auszugehen.
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2.2 Der Beschwerdeführer ist wegen eines Verbrechens zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden und hat damit den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG gesetzt. Ausgangspunkt für die ausländerrechtliche Interessenabwägung gemäss Art. 11 Abs. 3 ANAG ist das Verschulden des Ausländers, welches vorab im Strafmass seinen Ausdruck findet (BGE 129 II 215 E. 3.1). Wie das Rekursgericht zutreffend festhält, berücksichtigt bereits der Strafrichter im Hinblick auf die Strafzumessung auch schuldherabsetzende Umstände, sodass im Ausweisungsverfahren weitgehend auf die Würdigung des Verschuldens im Strafurteil abzustellen ist (vgl. Urteil 2A.486/2000 E. 4a/aa).
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Der Beschwerdeführer wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt; er war mit dem Auto auf einen Menschen zugefahren und hatte ihn schwer verletzt, wobei das Geschworenengericht auf Eventualvorsatz schloss (Strafurteil S. 29-31). Es handelt sich bei dieser Tat nach ihrer Natur um ein Gewaltdelikt; bei derart schweren Straftaten besteht grundsätzlich ein wesentliches öffentliches Interesse an einer Ausweisung (BGE 122 II 433 E. 2c S. 436). Es ist angesichts der Umstände der Tat nicht nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer sein Verschulden in der Beschwerdeschrift als "nicht sonderlich schwer" erachtet. Es gibt auch keinen Grund, für die Bewertung des Verschuldens nicht auf das Strafmass abzustellen. Der Beschwerdeführer macht auch geltend, es bestehe keine Rückfallgefahr. Abgesehen davon, dass weder diesem Aspekt noch dem Resozialisierungsgedanken beim Entscheid über die ausländerrechtlichen Ausweisung (zumindest eines nur wenige Jahre in der Schweiz weilenden Ausländers) die gleiche Bedeutung zukommt wie etwa beim Entscheid über die strafrechtliche Landesverweisung oder über die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug (BGE 129 II 215 E. 3.2 S. 216 f.; 122 II 433 E. 2b S. 435 f.; 114 Ib 1 E. 3a S. 4), hat das Rekursgericht zutreffend dargelegt, dass ein Rückfall nicht ausgeschlossen erscheint und jedenfalls im Zusammenhang mit Gewaltdelikten selbst ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist. Es kann diesbezüglich auf E. 3b/dd des angefochtenen Urteils verwiesen werden (s. zur Akzeptanz eines Restrisikos auch dort zitiertes Urteil 2A.279/2003 vom 17. Juni 2003 E. 2.2.2). Das Rekursgericht durfte auf ein sehr grosses öffentliches, insbesondere sicherheitspolizeiliches Interesse an einer Entfernung und Fernhaltung des Beschwerdeführers aus der Schweiz schliessen.
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Was die privaten Interessen des Beschwerdeführers betrifft, hat das Rekursgericht alle wesentlichen Aspekte in Betracht gezogen. Zu Recht ist es von einer insgesamt nicht langen massgeblichen Anwesenheitsdauer ausgegangen (vgl. E. 3c seines Urteils). Umfassend hat es die persönlichen, familiären und beruflichen Verhältnisse des Beschwerdeführers gewürdigt (E. 3e) und nicht verkannt, dass für seine heutige Ehefrau eine Ausreise in die Türkei praktisch ausser Betracht fallen würde (E. 3d). In seinem Urteil wird richtig hervorgehoben, dass dem Beschwerdeführer der berufliche Wiedereinstieg in der Türkei zugetraut werden kann und er dort auch viele persönliche Anknüpfungspunkte hat, wohnen doch in seiner Heimat ausser seinen Eltern noch ein Bruder und zwei Schwestern sowie seine heute siebenjährige Tochter (E. 3e/dd).
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Es ist nicht zu beanstanden, sondern liegt vielmehr auf der Hand, dass das Rekursgericht bei diesen Verhältnissen das Interesse des Beschwerdeführers daran, in der Schweiz bleiben zu dürfen, weniger schwer gewichtete als das, wie dargelegt, grosse öffentliche Interesse an der Ausweisung. Da der Beschwerdeführer sich bis zur Begehung der Straftat, die zur Inhaftierung und anschliessend zum Ausweisungsverfahren führte, nur gerade während rund eineinhalb Jahren ordnungsgemäss in der Schweiz aufgehalten hatte, durfte das Rekursgericht bei der Interessenabwägung ergänzend auch die in verschiedenen bundesgerichtlichen Urteilen erwähnte Grenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe, jenseits derselben die weitere Anwesenheit eines mit einem Schweizer Bürger verheirateten (noch nicht lange in der Schweiz weilenden Ausländers) nur bei Vorliegen besonderer Umstände geduldet wird, als Gradmesser heranziehen (vgl. BGE 110 Ib 201; 120 Ib 6 E. 4b S. 14); vorliegend ist diese Grenze bei einer Zuchthausstrafe von vier Jahren deutlich überschritten.
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2.3 Die Ausweisung ist verhältnismässig und verletzt Bundesrecht nicht. Die kantonalen Behörden mussten es insbesondere nicht bei einer blossen Ausweisungsandrohung bewenden lassen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist abzuweisen.
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Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. Juni 2004
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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