BGer 5P.213/2004
 
BGer 5P.213/2004 vom 06.07.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.213/2004 /bnm
Urteil vom 6. Juli 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Buchmann,
gegen
Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, Postfach, 6002 Luzern.
Gegenstand
Art. 9 BV (Eheschutz),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, vom 2. April 2004.
Sachverhalt:
A.
Im Eheschutzverfahren der Eheleute X.________ (Ehemann) und Y.________ (Ehefrau) nahm die Richterin des Amtsgerichtspräsidenten II von Hochdorf mit Entscheid vom 9. Januar 2004 davon Vormerk, dass die Parteien seit dem 21. März 2003 getrennt leben, und berechtigte sie, weiterhin und für unbestimmte Zeit nach Art. 175 ZGB getrennt zu leben. Der Ehemann wurde verpflichtet, an den Unterhalt der Ehefrau persönlich ab 1. April 2003 monatlich und zum voraus mit Fr. 1'450.-- bzw. ab dem 1. Juli 2004 mit Fr. 1'700.-- beizutragen.
B.
Das Obergericht des Kantons Luzern verpflichtete den Ehemann in teilweiser Gutheissung seines Rekurses, der Ehefrau persönlich einen monatlichen, vorauszahlbaren und ab Verfall mit 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'450.-- für die Zeit vom 14. April 2003 (Datum des Begehrens) bis 30. Juni 2004, danach Fr. 1'500.-- zu bezahlen (Entscheid vom 2. April 2004, Ziff. 5).
C.
Der Ehemann führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Ziff. 5 des obergerichtlichen Entscheides insoweit aufzuheben, als darin der Unterhaltsbeitrag an die Ehefrau persönlich rückwirkend ab dem 14. April 2003 bis zur Rechtskraft des angefochtenen Entscheides zugesprochen worden ist. Mit Bezug auf die rückwirkend zugesprochenen Unterhaltsbeiträge sei ihm aufschiebende Wirkung zu erteilen. Die Ehefrau beantragt Abweisung des Gesuchs, während das Obergericht sich nicht dazu hat vernehmen lassen. Mit Verfügung vom 16. Juni 2004 hat der Präsident der II. Zivilabteilung dem Gesuch mit Bezug auf die bis und mit April 2004 geschuldeten Unterhaltsbeiträge entsprochen.
D.
Das Obergericht und die Beschwerdegegnerin haben sich unaufgefordert zur Sache vernehmen lassen. Im Nachgang zur Eingabe des Obergerichts hat sich der Beschwerdeführer ein zweites Mal zur Sache geäussert.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer macht namentlich unter Hinweis auf Art. 126 ZGB und die Kommentierung zu dieser Bestimmung geltend, sowohl im Scheidungs- wie im Eheschutzverfahren beginne die Zahlungspflicht für persönliche Unterhaltsbeiträge an die Ehegatten grundsätzlich mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils, wenn nichts anderes bestimmt werde. In beiden Verfahren könne das Gericht freilich den Beginn der Zahlungspflicht auf einen Zeitpunkt vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft bestimmen. Das Obergericht habe im angefochtenen Entscheid indessen sinngemäss ausgeführt, anders als im Scheidungsprozess könnten im Eheschutzverfahren persönliche Unterhaltsbeiträge auch mangels eines entsprechenden Antrages der Partei, mithin von Amtes wegen, schon auf einen Zeitpunkt vor Eintritt der formellen Rechtskraft des Massnahmenurteils zugesprochen werden. Damit vertrete es den Standpunkt, im Eheschutzverfahren sei die Dispositionsmaxime nicht anwendbar, was indes mit dem in § 60 Abs. 2 ZPO/LU statuierten Grundsatz der Dispositionsmaxime in Widerspruch stehe und folglich Art. 9 und 29 BV verletze. Das Obergericht verweise sodann auch nicht auf § 230 Abs. 3 ZPO/LU, wonach der Richter im summarischen Verfahren von Amtes wegen handelt, wenn ihn das Bundesrecht dazu verpflichtet. Im angefochtenen Entscheid werde lediglich ausgeführt, es bestehe keine Praxis, die Dispositionsmaxime für persönliche Unterhaltsbeiträge der Ehegatten auch im Eheschutzverfahren anzuwenden. Dabei vermöge das Obergericht aber auf keine publizierte Praxis zu verweisen, was vorsorglich als mangelhafte Begründung und damit als Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV zu rügen sei. Der Vorwurf der Verfassungsverletzung erweist sich als unbegründet.
1.2 Während Art. 125 ZGB die Voraussetzungen des nachehelichen Unterhalts regelt, äussert sich Art. 126 ZGB zu den Modalitäten des Unterhaltsbeitrages (vgl. die Marginalien zu den beiden Bestimmungen). Gemäss Art. 126 ZGB setzt das Gericht als Unterhaltsbeitrag eine Rente fest und bestimmt den Beginn der Unterhaltspflicht. Nach Rechtsprechung und Lehre beginnt die Zahlungspflicht in der Regel im Zeitpunkt des Eintrittes der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils (BGE 128 III 121 E. 3b/bb S. 123; Gloor/Spycher, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 126 ZGB; Schwenzer, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, 2000, N. 10 zu Art. 126 ZGB). Nach einem Teil der Lehre gilt dies auch dann, wenn das Gericht den Zahlungsbeginn nicht regelt (Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 11 zu Art. 126 ZGB).
Was Art. 126 ZGB bzw. Rechtsprechung und Lehre für den nachehelichen Unterhalt bestimmen, kann indes nicht analog auf den Beitrag nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes während der Ehe (Art. 175 ZGB i.V.m. Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) übertragen werden. Art. 176 ZGB hat nicht die Regelung des nachehelichen Unterhalts, sondern die gerichtliche Regelung der Folgen des einverständlichen oder des eheschutzrechtlich bewilligten Getrenntlebens während der Ehe zum Gegenstand. Mit Bezug auf die Modalitäten des Beitrages gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB bestimmt Art. 173 ZGB analog (BGE 115 II 201 E. 4a S. 204), dass das Gericht den Beitrag auf Begehren festsetzt (Abs. 1) und dass die Leistung für die Zukunft und für das Jahr vor Einreichung des Begehrens gefordert werden kann (Abs. 3). Die Auffassung, wonach der Beitrag mangels konkreten anders lautenden Antrages erst ab Rechtskraft des Massnahmenurteils beginnt, ergibt sich mithin nicht aus den einschlägigen Bestimmungen. Daraus lässt sich vielmehr ohne Willkür schliessen, mangels konkreten anders lautenden Antrages beginne die Unterhaltspflicht mit dem Begehren. Im vorliegenden Fall hat das Obergericht angenommen, die Beschwerdegegnerin habe den Unterhaltsbeitrag nicht rechtsgenüglich ab dem Datum des Auszuges (21. März 2003) verlangt, und hat ihr deshalb den Beginn des Beitrages im Einklang mit Art. 173 Abs. 3 ZGB und der einschlägigen Lehrmeinung auf das Datum des Gesuchs (14. April 2003) festgesetzt. Damit aber hat es der Dispositionsmaxime Rechnung getragen, indem es den mit Bezug auf den Beginn der Unterhaltspflicht unpräzisen Antrag der Beschwerdegegnerin zu deren Nachteil ausgelegt und den Beitrag erst ab dem Datum des Begehrens gewährt hat. Gegen die Dispositionsmaxime verstossen hätte der Entscheid, wenn darin der Beitrag selbst ohne genügenden Antrag rückwirkend auf das Datum des Auszuges zugesprochen worden wäre. Hat aber das Obergericht der Dispositionsmaxime Rechnung getragen, so geht die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) an der Sache vorbei.
2.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beschwerdegegnerin ist mit ihrem Begehren, das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen, unterlegen, zumal für die bis und mit April 2004 geschuldeten Beiträge dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechend aufschiebende Wirkung gewährt worden ist. Unter diesen Umständen ist für die Stellungnahme keine Entschädigung geschuldet. In der Sache ist keine Vernehmlassung angeordnet worden und somit auch keine Entschädigung festzusetzen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Juli 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: