BGer 2P.180/2004
 
BGer 2P.180/2004 vom 22.07.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
2P.180/2004 /kil
Urteil vom 22. Juli 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Parteien
1. A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. B.________,
2. B.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Gemeinderat von Emmen als Sozialbehörde,
6021 Emmenbrücke 1,
Regierungsrat des Kantons Luzern, Regierungsgebäude, Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern.
Gegenstand
Art. 9 und 29 Abs. 1 und 3 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Rechtsverzögerung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Luzern vom 29. Juni 2004.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 21. September 2000 erhob A.________ beim Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern Verwaltungsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid des Gemeinderates von Emmen, mit dem dieser ihr Gesuch um Ausrichtung von Sozialhilfe abgewiesen hatte. Nach einem vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern entschiedenen Streit über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wurde der Schriftenwechsel am 10. Dezember 2002 abgeschlossen. Auf Anfrage vom 22. April 2003 hin wurde dem Rechtsvertreter von A.________ mit Schreiben vom 13. Mai 2003 mitgeteilt, das Verfahren werde bis spätestens Ende Juni 2003 abgeschlossen. Mit Eingabe vom 4. November 2003 reichte A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern eine Rechtsverzögerungsbeschwerde ein. Am 17. November 2003 wies das Gesundheits- und Sozialdepartement die beim ihm hängige Beschwerde in der Sache ab. Mit Entscheid vom 24. Februar 2004 überwies das Verwaltungsgericht die Rechtsverzögerungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzern. Dieser erklärte die Beschwerde am 29. Juni 2004 infolge Gegenstandslosigkeit als erledigt, erhob keine Kosten und sprach keine Parteientschädigung zu.
1.2 A.________ und ihr Rechtsvertreter B.________ führen gegen den Beschwerdeentscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, der Regierungsratsentscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass eine Rechtsverzögerung vorliege; überdies sei der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. In der Begründung wird unter anderem ausgeführt, das Verfahren hätte nicht als erledigt erklärt werden dürfen, sondern es hätte eine unzulässige Rechtsverzögerung festgestellt werden müssen, und der Beschwerdeführerin wäre vom Regierungsrat die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren gewesen.
1.3 Mit verfahrensleitender Verfügung vom 13. Juli 2004 liess das präsidierende Mitglied der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die Verfahrensakten einholen.
2.
Als Beschwerdeführer treten sowohl A.________ als auch ihr Rechtsanwalt B.________ auf. Die erste ist gemäss Art. 88 OG sowohl in der Sache als auch im Hinblick auf die verweigerte Verbeiständung zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde befugt. Hingegen ist ihr Rechtsvertreter nicht legitimiert, den Entscheid des Regierungsrates insoweit in eigenem Namen anzufechten, als dieser die Rechtsverzögerungsbeschwerde als erledigt erklärt hat, ist er davon doch nicht im Sinne von Art. 88 OG in eigenen Rechten betroffen; ob er befugt ist, selbständig staatsrechtliche Beschwerde gegen den Verbeiständungsentscheid zu erheben, wo seine Entschädigung als Anwalt in Frage steht, kann offen bleiben.
3.
Der Regierungsrat hat das bei ihm hängige Rechtsverzögerungsverfahren gemäss § 109 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 3. Juli 1972 des Kantons Luzern (VRG) als erledigt erklärt, weil im Verlaufe des Verfahrens das rechtserhebliche Interesse der Beschwerdeführerin an einem Sachentscheid weggefallen sei. Die Anwendung von § 109 VRG auf den vorliegenden Fall ist nicht unhaltbar, sondern entspricht vielmehr dem Gesetzeszweck sowie im Übrigen auch der analogen Praxis des Bundesgerichts bei der Rechtsverzögerungsbeschwerde vor dem Bundesgericht (vgl. das Urteil 2P.292/2003 vom 19. Dezember 2003, E. 2, mit Hinweisen). Der entsprechende Entscheid des Regierungsrats ist somit entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht willkürlich.
4.
4.1 Im Hinblick auf die Verbeiständung hat der Regierungsrat auf § 204 Abs. 2 VRG verwiesen, wonach die Behörde einer bedürftigen Person auf begründetes Gesuch hin einen nach dem Anwaltsgesetz zur Parteivertretung zugelassenen Anwalt zuweist, wenn die Art der Streitsache dies rechtfertigt; gemäss dem Regierungsrat hat eine bedürftige Person nach der Rechtsprechung in einem für sie nicht aussichtslosen Prozess Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf. Die Einreichung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Regierungsrat stellt nach dessen Auffassung keine hohen Anforderungen und hätte vorliegend keiner anwaltlichen Vertretung bedurft, weshalb keine Notwendigkeit der Verbeiständung bestand.
4.2 Die Beschwerdeführerin rügt die Verweigerung der Verbeiständung als willkürlich gemäss Art. 9 BV und als Verstoss gegen Art. 29 Abs. 1 und 3 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Zwar trifft es zu, dass der Regierungsrat selber die Verfahrensdauer unter anderem mit der Komplexität des Falles und mit sich teilweise erstmals stellenden Rechtsfragen begründet hat, womit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, die Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde habe keine hohen Anforderungen gestellt. Der Regierungsrat hätte sich daher nicht mit einer allgemein gehaltenen Feststellung begnügen dürfen, sondern näher ausführen müssen, weshalb gerade der vorliegende Fall keine besonderen Schwierigkeiten stellen soll. Unabhängig davon lässt sich aber - in teilweiser Motivsubstitution - festhalten, dass offensichtlich noch keine Rechtsverzögerung vorlag.
Nach Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch darauf, dass die zuständige Behörde ihren Entscheid innert angemessener Frist trifft (vgl. BGE 117 Ia 193 E. 1b S. 196/197). Zwar dauerte das Verfahren vor dem zuständigen Departement insgesamt mehr als drei Jahre, doch war dies teilweise darauf zurückzuführen, dass ein Zwischenentscheid beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern angefochten worden war und ein doppelter Schriftenwechsel durchgeführt wurde. Nach Abschluss des Schriftenwechsels erging der Entscheid in der Sache innerhalb rund eines Jahres, was nicht kurz, aber angesichts der zu beurteilenden Rechtsfragen auch nicht übermässig lang erscheint. Die rund elf Monate nach Abschluss des Schriftenwechsels eingereichte Rechtsverzögerungsbeschwerde mag wohl zu einer Verfahrensbeschleunigung beigetragen haben, sie wäre aber kaum gutzuheissen gewesen. Daran ändert nichts, dass das Departement im Mai 2003 eine Erledigung bis Ende Juni 2003 in Aussicht gestellt hatte. Auch wenn die Einhaltung von solchermassen in Aussicht gestellten Fristen wünschbar erscheint, handelte es sich dabei doch nicht um eine verbindliche Aussage. Schliesslich hätte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf vorsorgliche Unterstützung stellen können, um ihre finanziellen Verhältnisse während des Verfahrens abzusichern bzw. die entsprechende Rechtslage vorläufig zu klären. Unter diesen Umständen hätte der Regierungsrat die Verbeiständung jedenfalls wegen Aussichtslosigkeit der Verzögerungsbeschwerde verweigern dürfen, womit der angefochtene Verbeiständungsentscheid weder willkürlich ist noch gegen Art. 29 Abs. 3 BV oder Art. 6 Ziff.1 EMRK, falls diese Bestimmung vorliegend überhaupt anwendbar sein sollte, verstösst.
5.
5.1 Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist ohne weiteren Schriftenwechsel im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
5.2 Bei diesem Verfahrensausgang würden die Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführerin stellt auch vor dem Bundesgericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, welches in Anwendung von Art. 152 OG wegen Aussichtslosigkeit ihrer Begehren abzuweisen ist. Mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Verfahrens sowie auf die angespannten finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin rechtfertigt es sich jedoch ausnahmsweise, von der Erhebung von Kosten abzusehen (vgl. Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben, und es wird keine Entschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Gemeinderat von Emmen als Sozialbehörde und dem Regierungsrat des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juli 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: