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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.176/2004 /leb
Urteil vom 30. August 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Diarra.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Thomas Tribolet,
gegen
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.
Gegenstand
Abgabe eines Reisepapiers an ausländische Personen,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 20. Februar 2004.
Sachverhalt:
A.
Der aus Sri Lanka stammende A.________, geb. 1952, reiste am 10. Mai 1978 erstmals in die Schweiz ein. Dabei entdeckten die Zollbeamten rund 7 kg Cannabisharz im doppelten Boden seines Koffers. Er wurde daher vom Bezirksgericht X.________ zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten und einer unbedingten Landesverweisung von 15 Jahren verurteilt. Noch bevor er seine Strafe verbüsst hatte, ersuchte die Republik Sri Lanka um Auslieferung. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde gegen den Auslieferungsentscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen mit Urteil vom 27. März 1981 teilweise gut. Es gestattete die Auslieferung für die Delikte Mord und Raub, stellte hierfür aber Bedingungen auf, welche die Republik Sri Lanka nur teilweise zu erfüllen vermochte, weshalb A.________ im Juni 1981 aus der Auslieferungshaft entlassen wurde.
Nachdem sein Asylgesuch abgewiesen worden war, ordnete das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement am 21. Oktober 1982 die Internierung an. Im Dezember 1984 wurde A.________ in Untersuchungshaft versetzt. Nach seiner Entlassung begab er sich nach Frankreich, wo er erfolglos um Asyl nachsuchte. Die französischen Behörden schoben ihn am 2. September 1986 in die Schweiz zurück, wo er inhaftiert wurde und vom Bezirksgericht Zürich am 9. Januar 1987 wegen fortgesetzten Diebstahls sowie wegen Veruntreuung und Entzugs von Pfandsachen zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 7 Monaten und einer ebenfalls bedingten Landesverweisung von 8 Jahren verurteilt wurde. Nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug internierte ihn der Delegierte für das Flüchtlingswesen in der Wiedereingliederungsstätte für psychisch und körperlich behinderte Männer in Y.________. Am 7. Oktober 1987 hob er diese Verfügung wieder auf und ordnete die Internierung in Form der freien Unterbringung im Kanton Zürich an.
Am 21. Dezember 1987 heiratete A.________ die Schweizerin B.________. Am 15. November 1991 verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Bern wegen wiederholt und fortgesetzt begangenem versuchtem Betrug zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 25 Monaten und einer ebenfalls unbedingten Landesverweisung von 15 Jahren. Per 31. März wurde er bedingt aus dem Strafvollzug entlassen und der Vollzug der Landesverweisung probeweise aufgeschoben. Die Ehe zwischen A.________ und B.________ wurde am 25. August 1994 geschieden.
Am 23. August 1994 kam C.________ zur Welt, den A.________ als seinen Sohn anerkannte. Im Januar 1995 reisten A.________, sein Sohn und dessen Mutter, D.________, nach Indien. Zurück in der Schweiz, ersuchte D.________ am 8. November 1997 das Bundesamt für Flüchtlinge um eine Einreiseerlaubnis für den sich noch im Ausland befindenden A.________. Letzterer reiste im Frühjahr 1998 ohne Bewilligung in die Schweiz ein, wo er sich am 25. Februar 1999 mit der Schweizer Bürgerin D.________, der Mutter seiner (mittlerweile) zwei Kinder, verheiratete.
Mit Verfügung vom 27. März 1998 verweigerte die Fremdenpolizei des Kantons Bern (heute: Migrationsdienst des Kantons Bern) A.________ eine Aufenthaltsbewilligung. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht am 9. August 1999 letztinstanzlich bestätigt. Mit Verfügung vom 21. September 1999 gab die kantonale Fremdenpolizei auch einem neuen Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht statt. Auf Beschwerde hin kam das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zum Schluss, A.________ sei eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, was darauf am 12. November 2001 erfolgte.
B.
Am 21. Januar 2002 ersuchte A.________ über die Fremdenpolizei seines Wohnsitzkantons um Abgabe eines Reisepapiers für ausländische Personen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2002 teilte ihm das Bundesamt für Flüchtlinge mit, gemäss den gesetzlichen Bestimmungen hätten sich nicht staatenlose Ausländer um den Erhalt eines heimatlichen Ausweispapiers zu bemühen. Mit Eingabe vom 12. März 2002 ersuchte A.________, unter Hinweis auf seine Vorgeschichte, nochmals um Ausstellung eines schweizerischen Ersatzreisepapiers.
C.
Mit Verfügung vom 21. März 2002 wies das Bundesamt für Flüchtlinge dieses Gesuch ab. Es führte aus, A.________ sei es unter Berücksichtigung der aktuellen Sachlage möglich und zumutbar, sich bei der heimatlichen Vertretung in der Schweiz um die Ausstellung eines Reisepapiers zu bemühen, weshalb er nicht als schriftenlos gelte. Dagegen beschwerte sich A.________ erfolglos beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement.
D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. März 2004 beantragt A.________, die Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge vom 21. März 2002 und der Beschwerdeentscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 20. Februar 2004 aufzuheben und das Bundesamt für Flüchtlinge anzuweisen, dem Beschwerdeführer einen Pass für eine ausländische Person auszustellen (Ziff. 1). Eventualiter ersucht er um Aufhebung der in Ziff. 1 genannten Verfügung und um Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Bundesamt für Flüchtlinge. Ferner stellt er das Begehren, ihm sei die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
Die Verweigerung eines Reisepapiers für schriftenlose Ausländer fällt nicht unter diesen Ausschlussgrund, da ein solches Reisepapier dem Gesuchsteller keinen bestimmten Anwesenheitsstatus in der Schweiz verschafft und damit keine fremdenpolizeiliche Bewilligung darstellt (Urteil 2A.56/2002 vom 14. Juni 2002, mit Hinweisen).
1.2 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 20. Februar 2004. Soweit der Beschwerdeführer auch die Aufhebung der Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge vom 21. März 2002 verlangt, kann auf seine Eingabe nicht eingetreten werden.
1.3 Der Beschwerdeführer, dem die Erteilung eines Reisepapiers verweigert wurde, hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (vgl. Art. 103 lit. a OG). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist folglich einzutreten.
1.4 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden.
Da hier nicht eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung nicht gebunden (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG). Dass dem Beschwerdeführer, der bei Gesuchseinreichung die Aufenthaltsbewilligung besass, inzwischen die Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, kann deshalb berücksichtigt werden.
2.
2.1 Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung vom 11. August 1999 über die Abgabe von Reisepapieren an ausländische Personen (RPAV; SR 143.5) gibt das Bundesamt für Flüchtlinge anerkannten Flüchtlingen, staaten- und schriftenlosen ausländischen Personen, vorläufig Aufgenommenen, Schutzbedürftigen und Asylsuchenden für die Ausreise aus der Schweiz Reisepapiere ab. Diese Reisepapiere sind fremdenpolizeiliche Ausweispapiere. Sie gelten nicht als Nachweis der Identität und der Staatsangehörigkeit der ausländischen Personen (Art. 7 Abs. 1 RPAV). Gemäss Art. 3 Abs. 2 RPAV hat eine schriftenlose ausländische Person mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person, d.h. dessen Ausstellung liegt nicht im Ermessen der Behörde, wie dies für schriftenlose Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung der Fall ist. Nach Art. 6 Abs. 1 RPAV gilt eine ausländische Person im Sinne dieser Verordnung als schriftenlos, wenn sie keine gültigen heimatlichen Reisepapiere besitzt und ihr nicht zugemutet werden kann, sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepapiers zu bemühen. Die Frage der Zumutbarkeit ist dabei nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Massstäben zu beurteilen.
2.2 Der Umstand, dass der Beschwerdeführer inzwischen über die Niederlassungsbewilligung verfügt und somit Anspruch auf Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person hat, kann im vorliegenden Verfahren, wie erwähnt (E. 1.3), berücksichtigt werden, spielt indessen keine Rolle. Voraussetzung für die Erteilung des anbegehrten Reisepapiers ist - unabhängig davon, ob der Ausländer über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt -, dass der Gesuchsteller schriftenlos im Sinne von Art. 6 Abs. 1 RPAV ist.
2.3 Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es könne ihm nicht zugemutet werden, sich bei der Vertretung von Sri Lanka um die Ausstellung eines heimatlichen Passes zu bemühen. Er vermutet zwar selber, dass sein Heimatland die Erteilung eines Reisepasses nicht verweigern würde. Unter Berufung auf seine Vorgeschichte macht er jedoch geltend, er sei in Sri Lanka (weiterhin) gefährdet und habe deshalb von 1983 bis 1995 einen schweizerischen Reisepass erhalten.
2.4 Daraus, dass ihm von 1983 bis 1995 regelmässig ein schweizerischer Reisepass erteilt wurde, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Damals lag eine Wegweisung vor, deren Vollzug als unzulässig erachtet wurde. Der Beschwerdeführer war aus diesem Grund interniert und in der Folge vorläufig aufgenommen worden. Aufgrund seines Status hat das Bundesamt für Flüchtlinge in jenem Zeitpunkt die Schriftenlosigkeit des Beschwerdeführers angenommen. Als das hier interessierende Gesuch gestellt wurde, verfügte der Beschwerdeführer indessen über eine Aufenthaltsbewilligung und es lag keine Wegweisung mehr vor, weshalb sich die Frage der Gefährdung des Beschwerdeführers in Sri Lanka im vorliegenden Verfahren nicht stellt. Die Ausgangslage für die Beurteilung der Schriftenlosigkeit ist insofern anders.
2.5 Bei der heutigen Sachlage kann dem Beschwerdeführer zugemutet werden, sich bei der diplomatischen Vertretung von Sri Lanka um die Ausstellung eines heimatlichen Passes zu bemühen. Damit wird von ihm nicht verlangt, sich zwecks Ausstellung eines Reisepasses in sein Heimatland zu begeben. Dass er bereits durch eine Kontaktnahme mit der heimatlichen Vertretung in der Schweiz gefährdet würde, wird vom Beschwerdeführer zu Recht nicht behauptet. Er befürchtet hingegen, dass die Gefahr einer allfälligen Auslieferung nach Sri Lanka bei einer Reise in einen Drittstaat, der eine andere Auslieferungspraxis als die Schweiz kennt, grösser sei, wenn er über einen heimatlichen Pass verfüge, als wenn er sich mit einem schweizerischen Pass für eine ausländische Person ausweisen könnte. Der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass der Pass für eine ausländische Person nicht vor Auslieferung schützt und dem Inhaber auch keinen Anspruch auf diplomatischen oder konsularischen Schutz der Schweiz verschafft. Der Beschwerdeführer riskiert daher auch mit einem Pass für eine ausländische Person die Auslieferung, wenn er sich in ein Land begibt, das diese an weniger strenge Voraussetzungen knüpft als die Schweiz. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, besteht der Zweck von schweizerischen Ersatzpapieren ohnehin nicht darin, die Rechtsposition eines Ausländers im Vergleich zu andern Landsleuten mit heimatlichen Reisedokumenten zu verbessern.
3.
3.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
3.2 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 300.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement sowie dem Migrationsdienst des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. August 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: