Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 284/03
Urteil vom 14. September 2004
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Schmutz
Parteien
E.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Mäder, St. Galler Strasse 99, 9200 Gossau,
gegen
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, David-strasse 21, 9001 St. Gallen, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
(Entscheid vom 5. November 2003)
Sachverhalt:
A.
E.________, geboren 1964, erlitt am 14. Dezember 1992 einen Verkehrsunfall und leidet seither hauptsächlich an Kopfschmerzen und einer leichten neuropsychologischen Funktionsstörung bei Status nach Schädel-Hirntrauma (Gutachten der MEDAS X.________ vom 25. Mai 1998). Mit Verfügung vom 12. Mai 1999 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ab 1. Februar 1996 eine halbe Invalidenrente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 50 % zu. Die mit dem Begehren um Zusprechung einer ganzen Rente erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 5. Juli 2001 ab. Mit Urteil vom 10. Juni 2002 bestätigte das Eidgenössische Versicherungsgericht diesen Entscheid.
Am 30. Juli 2002 meldete sich E.________ zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab dem 17. Juli 2002 an. Mit Verfügung vom 21. Januar 2003 lehnte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen das Begehren ab, weil für die Rahmenfrist vom 17. Juli 2000 bis 16. Juli 2002 keine Beitragszeiten nachgewiesen seien, obschon gemäss Entscheid der Invalidenversicherung die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung zumutbar gewesen wäre. Auf Einsprache hielt die Arbeitslosenkasse an dieser Verfügung fest (Einspracheentscheid vom 12. März 2003).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher E.________ geltend machte, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit seien erfüllt, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 5. November 2003 ab.
C.
E.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids und des Einspracheentscheids vom 12. März 2003 sei festzustellen, dass er ab dem 17. Juli 2002 Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung habe, und es sei die Arbeitslosenkasse anzuweisen, ihm rückwirkend ab diesem Zeitpunkt Taggelder auszurichten.
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung.
D.
Im Instruktionsverfahren hat das Eidgenössische Versicherungsgericht die Akten der Invalidenversicherung beigezogen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die Bestimmungen über die Beitragszeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG) und über die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit insbesondere wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft (Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer während der Rahmenfrist vom 17. Juli 2000 bis 16. Juli 2002 die Beitragszeit nach Art. 13 Abs. 1 AVIG nicht erfüllt hat. Streitig und zu prüfen ist lediglich, ob er von der Erfüllung der Beitragszeit gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG befreit war.
2.1 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 AVIG muss der Versicherte durch einen der in dieser Bestimmung genannten Gründe an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung gehindert worden sein. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt festgestellt hat, muss zwischen dem Befreiungsgrund und der Nichterfüllung der Beitragszeit ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei muss das Hindernis während mehr als zwölf Monaten bestanden haben. Denn bei kürzerer Verhinderung bleibt dem Versicherten während der zweijährigen Rahmenfrist genügend Zeit, um eine ausreichende beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Da eine Teilzeitbeschäftigung mit Bezug auf die Erfüllung der Beitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist (Art. 11 Abs. 4 Satz 1 AVIV), liegt die erforderliche Kausalität zudem nur vor, wenn es dem Versicherten aus einem der in Art. 14 Abs. 1 lit. a-c AVIG genannten Gründe auch nicht möglich und zumutbar ist, ein Teilzeitarbeitsverhältnis einzugehen (BGE 121 V 342 Erw. 5b; ARV 1995 Nr. 29 S. 167 Erw. 3b mit Hinweisen).
2.2 Der Beschwerdeführer hat sich zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung gemeldet, nachdem sein Begehren um Zusprechung einer ganzen Rente anstelle der ihm mit Verfügung vom 12. September 1999 ab 1. Februar 1996 zugesprochenen halben Rente der Invalidenversicherung mit Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 10. Juni 2002 letztinstanzlich abgewiesen wurde. Gestützt auf diesen Entscheid gehen Verwaltung und Vorinstanz davon aus, dass dem Beschwerdeführer während der Rahmenfrist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von 50 % zumutbar gewesen wäre, weshalb die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit nicht gegeben seien. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, in der für die Beurteilung massgebenden Zeit ab 17. Juli 2000 sei die IV-Verfügung vom 12. September 1999 noch nicht rechtskräftig gewesen und es sei in keiner Weise absehbar gewesen, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht entscheiden werde. Da er eine ganze Rente beansprucht habe, könne nicht verlangt werden, dass er sich gleichzeitig gegenüber der Arbeitslosenkasse als zu 50 % vermittlungsfähig erkläre. Dem Beschwerdeführer war indessen bekannt, dass er von den Ärzten der BEFAS und der MEDAS als zu 50 % bzw. 70 % arbeitsfähig in einer geeigneten leichteren Tätigkeit beurteilt worden war. Wenn er es dessen ungeachtet unterlassen hat, sich bei der Arbeitslosenversicherung zur Vermittlung einer Teilzeitbeschäftigung zu melden, so hat er dies selbst zu vertreten. Unerheblich ist, ob er sich subjektiv als vollständig arbeitsunfähig erachtete. Massgebend ist, was ihm objektiv zumutbar war, wobei nicht auf die Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf, sondern in allen (ohne vorgängige Eingliederungsmassnahmen) in Betracht fallenden zumutbaren Tätigkeiten abzustellen war (nicht veröffentlichtes Urteil R. vom 12. Oktober 1999, C 202/99, Erw. 2b/bb). Weil laut ärztlicher Beurteilung in einer angepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 % bestanden hat, war der Beschwerdeführer nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 AVIG an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung gehindert. Daran ändert nichts, dass er gegen die Zusprechung lediglich einer halben Rente und damit der Feststellung einer teilweisen Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit Beschwerde erhoben hat. Würde anders entschieden, so käme es zu Rechtsungleichheiten je nachdem, ob der Versicherte gegen die Zusprechung einer halben IV-Rente Beschwerde erhebt oder nicht, und zu einer ungerechtfertigten Privilegierung jener Versicherten, die (erfolglos) gegen den Rentenentscheid Beschwerde führen.
3.
3.1 Im vorliegenden Fall kann allerdings nicht ohne weiteres auf den rechtskräftigen Entscheid betreffend Leistungen der Invalidenversicherung abgestellt werden. Massgebend für die Beurteilung des Rentenanspruchs waren die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung am 12. September 1999 bestanden haben (BGE 130 V 140 Erw. 2.1 mit Hinweisen). Entscheidend für die Frage nach der Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit ist aber die Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen bzw. die Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Rahmenfrist vom 17. Juli 2000 bis 16. Juli 2002. Weil sich die gesundheitlichen Verhältnisse und damit die Arbeitsfähigkeit in der Zeit nach dem 12. Mai 1999 wesentlich geändert haben können, sind die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht im Verfahren der Arbeitslosenversicherung näher zu prüfen.
3.2 Den Akten der Invalidenversicherung ist zu entnehmen, dass im Sommer 2002 eine Rentenrevision durchgeführt wurde. In dem am 22. Juli 2002 ausgefüllten Fragebogen gab der Versicherte an, sein Gesundheitszustand habe sich seit Juni 2002 verschlechtert. Der behandelnde Arzt Dr. med. M.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, teilte in einem Verlaufsbericht vom 7. August 2002 mit, es seien keine wesentlichen Veränderungen eingetreten; der Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit seien gleichbleibend und es sei prognostisch von einem stationären Verlauf auszugehen. Dementsprechend teilte die IV-Stelle dem Versicherten am 21. August 2002 mit, die Überprüfung des Invaliditätsgrades habe keine rentenbeeinflussende Änderung ergeben, weshalb weiterhin Anspruch auf die bisherige Rente bestehe. Daraus ist zu schliessen, dass in der fraglichen Zeit keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit) eingetreten ist. Zwar hat Dr. med. M.________ in nachträglichen Stellungnahmen vom 28. Oktober 2002 und 15. Januar 2003 bestätigt, dass der Beschwerdeführer während der Rahmenfrist für sämtliche Tätigkeiten vollständig arbeitsunfähig war. Im Hinblick darauf, dass der Gesundheitszustand auch gemäss Feststellung von Dr. med. M.________ gleich geblieben ist, besteht jedoch kein Anlass, die gutachterliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht auch für die Zeit nach Erlass der Rentenverfügung vom 12. September 1999 und damit für die Dauer der Rahmenfrist als massgebend zu betrachten. Von einer unveränderten Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit geht auch die Invalidenversicherung in der Mitteilung vom 21. August 2002 aus. Es muss daher bei der Feststellung bleiben, dass während der Rahmenfrist vom 17. Juli 2000 bis 16. Juli 2002 keine für die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit wesentliche Änderung eingetreten ist, weshalb die streitige Verfügung und der angefochtene kantonale Entscheid im Ergebnis zu Recht bestehen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit, St. Gallen, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 14. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: