Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.628/2004 /dxc
Urteil vom 9. November 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Rickli,
gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Postfach 1226, 8021 Zürich.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
4. Abteilung, 4. Kammer, vom 15. September 2004.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
X.________, geb. 1961, türkischer Staatsangehöriger, reiste 1982 erstmals illegal in die Schweiz ein. Er wurde, unter gleichzeitiger Verhängung einer dreijährigen Einreisesperre, umgehend ausgeschafft. Nach erneuter Einreise wurde am 10. Januar 1986 ein erstes Asylgesuch von X.________ abgewiesen. Im Januar 1987 wurde er, nachdem er sämtliche Ausreiseaufforderungen missachtet hatte, wiederum unter Verhängung einer (bis 6. Januar 1989 gültigen) Einreisesperre, ausgeschafft. Im Frühjahr 1996 reiste X.________ zum dritten Mal in die Schweiz ein und stellte ein neues Asylgesuch, auf welches das Bundesamt für Flüchtlinge am 25. Juni 1996 nicht eintrat; nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung wurde er zum sofortigen Verlassen des Landes aufgefordert, woraufhin er untertauchte.
Am 2. Oktober 1996 heiratete X.________ eine Schweizer Bürgerin und erhielt gestützt auf Art. 7 ANAG im Kanton Zürich eine Aufenthaltsbewilligung. Aus finanziellen Gründen wohnten die Eheleute vorerst nicht zusammen, und am 1. August 1998 trennten sie sich, und die Ehefrau zog in den Kanton Aargau. Am 5. Juli 2000 zog X.________ zu ihr. Ende 2001 wurde ihm im Kanton Aargau die Niederlassungsbewilligung erteilt. In der Folge zog er wiederum in den Kanton Zürich und ersuchte am 3. Mai 2002, unter Berufung auf die Ehe mit einer Schweizerin, um Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Kanton Zürich. Dem Gesuch wurde am 13. Mai 2002 entsprochen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Bremgarten vom 25. Juni 2002 wurde die Ehe von X.________ gestützt auf das anfangs 2002 eingereichte Scheidungsbegehren und auf eine am 23. April 2002 unterzeichnete Scheidungskonvention geschieden. Weniger als einen Monat später, am 22. Juli 2002, heiratete X.________ in der Türkei eine Landsfrau, mit welcher zusammen er vier Kinder hat (geb. 10.10.1984, 05.05.1988, 19.10.1993 und 01.06.2001). Am 7. August 2002 stellte X.________ beim Migrationsamt des Kantons Zürich ein Gesuch um Einreisebewilligungen für seine neue Ehefrau und die vier Kinder, die bis dahin in der Türkei gelebt hatten (Familiennachzug). Das Migrationsamt schloss aus den Umständen der Gesuchstellung, dass X.________ die Niederlassungsbewilligung durch wissentliches Verschweigen seiner wahren familiären Verhältnisse erschlichen habe. Mit Verfügung vom 14. Februar 2003 widerrief es daher gestützt auf Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG die Niederlassungsbewilligung, setzte ihm Frist zum Verlassen der Schweiz und lehnte das Gesuch um Einreisebewilligungen für die Ehefrau und Kinder ab. Ein Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos (Beschluss vom 5. Mai 2004). Mit Entscheid vom 15. September 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den regierungsrätlichen Beschluss erhobene Beschwerde ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 1. November 2004 beantragt X.________ dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und seine Niederlassungsbewilligung sei nicht zu widerrufen; eventualiter, d.h. falls die Bewilligung nicht widerrufen werde, sei der Ehefrau und den Kindern die Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung zu erteilen.
Beim Verwaltungsgericht ist per Fax der Beschluss des Regierungsrats vom 5. Mai 2004 eingeholt worden. Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind weitere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden. Das Urteil, mit dessen Ausfällung das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
2.
2.1 Gemäss Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat. Der Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt darauf die Niederlassungsbewilligung bewilligt zu erhalten (BGE 112 Ib 473 E. 3b S. 475 f.).
Dabei ist Art. 3 Abs. 2 ANAG von Bedeutung, welcher den Ausländer verpflichtet, der Behörde über alles, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann, wahrheitsgetreu Auskunft zu geben. Wesentlich sind nicht nur solche Tatsachen, nach denen die Fremdenpolizei im Hinblick auf die Bewilligungserteilung bzw. -erneuerung ausdrücklich gefragt hat, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid relevant sind. Von der Auskunftspflicht ist der Ausländer selbst dann nicht befreit, wenn die Ausländerrechtsbehörde die fragliche Tatsache selbst hätte ermitteln können. Nicht erforderlich für einen Bewilligungswiderruf ist, dass die Bewilligung bei richtigen und vollständigen Angaben notwendigerweise zu verweigern gewesen wäre. Das Vorliegen eines Widerrufsgrunds führt andererseits nicht zwingend dazu, dass die Bewilligung auch tatsächlich zu widerrufen ist. Beim Widerrufsentscheid muss den besonderen Umständen des Einzelfalles angemessen Rechnung getragen werden (zum Ganzen BGE 112 Ib 473 E. 3 und 4 S. 375 ff.; s. im Übrigen die Zusammenfassung der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG im Urteil 2A.551/2003 vom 21. November 2003 E. 2 mit Hinweisen).
2.2 Die Niederlassungsbewilligung ist dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 7 ANAG erteilt worden.
Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Satz 1). Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung (Satz 2). Kein Anspruch besteht gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Ausländerrechtsehe bzw. Scheinehe). Selbst wenn ursprünglich keine Ausländerrechtsehe eingegangen worden ist, kann sich die Berufung auf die Ehe im ausländerrechtlichen Verfahren als rechtsmissbräuchlich erweisen. Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich auf eine Ehe beruft, die nur noch formell besteht, und wenn ihm jeglicher Wille zum Führen einer ehelichen Gemeinschaft fehlt bzw. für ihn erkennbar ist, dass keine Aussicht auf ein (weiteres) eheliches Zusammenleben bzw. auf die Führung einer Lebensgemeinschaft mit dem schweizerischen Ehegatten besteht, wobei es auf die Ursache der Trennung nicht ankommt. Die Berufung auf die Ehe läuft in einem solchen Fall darauf hinaus, dem Ausländer völlig unabhängig vom Bestand einer ehelichen Beziehung die Anwesenheit in der Schweiz zu ermöglichen; auf eine derartige Beanspruchung des gesetzlichen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers in der Schweiz ist Art. 7 ANAG nicht ausgerichtet (BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128 II 145 E. 2.2. S. 151; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff., mit Hinweisen). Da der Ausländer, der mit einer niedergelassenen Person verheiratet ist, nach fünf Jahren ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalts einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung erwirbt und dieser, einmal erworben, selbst durch eine Scheidung nicht mehr untergeht, kann der Bewilligungsanspruch nur dann wegen Rechtsmissbrauchs erlöschen, wenn die Voraussetzungen hiefür sich vor Ablauf von fünf Jahren seit der Heirat verwirklicht haben.
Die Annahme von Rechtsmissbrauch setzt klare Hinweise, Indizien dafür voraus, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft nicht mehr beabsichtigt bzw. auch aus der Sicht des Ausländers nicht mehr ernsthaft zu erwarten ist (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5a S. 56 f., mit Hinweisen). Die kantonalen Behörden halten zu Recht dafür, dass zum Zeitpunkt, als die Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, genügend Indizien vorlagen, die für einen bloss noch rein formellen Bestand der Ehe des Beschwerdeführers schon klar vor Ablauf von fünf Jahren seit der Heirat und damit gegen die Erteilung der Bewilligung gesprochen hätten. Zum Zeitpunkt der Bewilligungserteilung im Kanton Zürich präsentierte sich die Sachlage wie folgt: Der Beschwerdeführer versuchte seit 1982 mit allen Mitteln, zu einer ausländerrechtlichen Bewilligung zu kommen. Dies spricht zum Vornherein für eine gewisse Bereitschaft, nötigenfalls den Behörden falsche Verhältnisse vorzuspiegeln (Art der Asylgesuche, konsequentes Nichtbefolgen von Ausreiseaufforderungen, rasch in die Wege geleitete Heirat nach Scheitern des letzten Asylgesuchs). Der Beschwerdeführer hat in der Türkei vier Kinder, die aus einer Beziehung mit einer Landsfrau stammen, welche seit rund 20 Jahren besteht. Das letzte Kind wurde am 1. Juni 2001 geboren und also im Spätsommer 2000, während der Dauer der Ehe mit der Schweizer Bürgerin, gezeugt. Gerade nach fünfjähriger Ehedauer, unmittelbar nach Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Kanton Aargau (welcher, wie im angefochtenen Entscheid richtig festgestellt, für die ausländerrechtlichen Belange des Beschwerdeführers seit dessen Übersiedlung in den Kanton Zürich nicht mehr zuständig ist), leitete der Beschwerdeführer das Scheidungsverfahren ein. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Bewilligungsbehörde, wäre sie über diese Verhältnisse ins Bild gesetzt worden, die Niederlassungsbewilligung nicht erteilt hätte; jedenfalls aber hätte sie weitere Abklärungen getroffen und die nachträgliche Entwicklung der Verhältnisse abwarten können. Wie sich schliesslich im Widerrufsverfahren ergab, lässt diese Entwicklung, insbesondere in Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge (Scheidung, weniger als einen Monat später Verheiratung mit seiner langjährigen Lebenspartnerin und Mutter seiner Kinder, nach weiteren zwei Wochen Familiennachzugsgesuch), klar darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer zielstrebig darauf ausging, für sich und seine eigentliche Familie einen festen Anwesenheitsstatus in der Schweiz zu erlangen, und zwar schon längst bevor er fünf Jahre mit seiner Schweizer Ehefrau verheiratet war. Bei den verschwiegenen Tatsachen (Einleitung des Scheidungsverfahrens, langjährige Existenz einer Familie in der Türkei, dabei insbesondere Zeugung und Geburt eines Kindes während der Dauer der Ehe) handelt es sich offensichtlich um für die Bewilligungsfrage wesentliche Tatsachen.
2.3 Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die Voraussetzung des wissentlichen Verschweigens wesentlicher Tatsachen erfüllt sei.
Soweit er geltend macht, dass die Zürcher Behörden die notwendigen Erkenntnisse selber hätten gewinnen können, hilft ihm dies nicht weiter; seine Ausführungen zum Verhältnis zwischen Mitwirkungspflicht und Pflicht zur Sachverhaltsabklärung von Amtes wegen gehen fehl (vorne E. 2.1). Im Übrigen ist Folgendes massgeblich:
Dem Beschwerdeführer wurde einzig darum die Aufenthaltsbewilligung erteilt und er konnte nur darum die Erteilung der Niederlassungsbewilligung beantragen, weil er eine Schweizer Bürgerin geheiratet hatte; auch für ihn erkennbarer einziger Zweck der Bewilligung war, ihm das eheliche Zusammenleben mit seiner Ehefrau zu ermöglichen. Er kann nicht im Ernst geltend machen, es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass die Hängigkeit des Scheidungsverfahrens und die volle Kenntnis über seine wahren familiären Verhältnisse für das Bewilligungsverfahren wichtig waren. Aus dem für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG) durfte das Verwaltungsgericht schliessen, er habe wissentlich wesentliche Tatsachen verschwiegen. Er hat somit die Niederlassungsbewilligung erschlichen und einen Widerrufstatbestand geschaffen.
2.4 Wurde die Niederlassungsbewilligung erschlichen, hat die Behörde nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden, ob der Bewilligungswiderruf verhältnismässig ist; dabei steht ihr ein gewisser Ermessensspielraum zu (BGE 112 Ib 473 E. 4 und 5 S. 377 ff.). Im vorliegenden Fall wiegt das öffentliche Interesse am Widerruf der Bewilligung schwer. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorgehen gegen Sinn und Zweck von Art. 7 ANAG und damit gegen eine zentrale ausländerrechtliche Norm in sensiblem Bereich verstossen. Was seine persönlichen Verhältnisse betrifft, hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass nicht von einer Verwurzelung ausgegangen werden könne. Einerseits fällt unter den gegebenen Umständen bloss die Anwesenheit in der Schweiz seit 1996 in Betracht. Andererseits hat der Beschwerdeführer in dieser Zeit in nicht zu vernachlässigender Weise gegen die Rechtsordnung verstossen (zwei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von insgesamt sieben Monaten). Nicht nachvollziehbar ist, inwiefern der Grundsatz von Treu und Glauben gegen den Bewilligungswiderruf sprechen könnte.
Der Bewilligungswiderruf erweist sich damit als verhältnismässig und verletzt Bundesrecht nicht. Damit stellt sich die Frage des Familiennachzugs nicht.
2.5 Die offensichtlich unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen. Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. November 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: