Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6P.93/2004
6S.258/2004 /pai
Urteil vom 15. November 2004
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Sandra Sutter-Jeker,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel.
Gegenstand
6P.93/2004
6S.258/2004
Wiederaufnahme des Verfahrens,
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.93/2004) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.258/2004) gegen die Verfügung des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 4. Juni 2004.
Sachverhalt:
A.
Der im Jahre 1983 geborene X.________ war wegen einer Depression seit dem 27. November 2001 bei Dr. A.________ in Behandlung. Am 28. Januar 2002 suchte er den Arzt im Rahmen eines vereinbarten Termins in dessen Praxis auf und versetzte ihm mit einem mitgebrachten Hammer einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf. In der Folge gelang es dem Arzt, den Hammer an sich zu nehmen und X.________ aus der Praxis zu weisen.
Das Strafgericht Basel-Stadt (Dreiergericht) sprach am 9. August 2002 X.________ von der Anklage der versuchten schweren Körperverletzung in Anwendung von Art. 10 StGB frei und wies ihn gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- und Pflegeanstalt ein. Das Strafgericht stützte sich dabei auf ein psychiatrisches Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel (PUK) vom 8. Juli 2002 (nachfolgend: Gerichtsgutachten; kantonale Akten, act. 166).
B.
Am 6. Mai 2003 stellte der Private Ombudsmann gestützt auf eine psychiatrische Beurteilung von Dr. B.________ vom 27. Februar 2003 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Antrag wurde vom Strafgericht Basel-Stadt mit Verfügung vom 10. Juli 2003 gemäss § 192 Abs. 1 StPO/BS abgewiesen, weil die geltend gemachten Tatsachen überwiegend schon im Urteil gewürdigt worden und die übrigen geltend gemachten Wiederaufnahmegründe offensichtlich ungenügend seien (act. 269 ff., 276).
C.
Am 5. Februar 2004 beantragte Advokatin Sandra Sutter-Jeker gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten von Dr. C.________ vom 26. Januar 2004 (nachfolgend: Privatgutachten) unter anderem eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Das Strafgericht Basel-Stadt (Dreiergericht) verfügte am 4. Juni 2004:
1) Auf das Begehren um Feststellung, dass die Einweisung in den Massnahmevollzug zu Unrecht erfolgt sei, wird nicht eingetreten.
2) Die Frage der Entlassung von Herrn X.________ wurde in einem separaten Verfahren geklärt.
3) Das Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäss § 192 Abs. 1 StPO/BS abgewiesen.
4) Es werden keine Kosten erhoben.
5) Die Ausrichtung eines (zusätzlichen) Honorars als unentgeltliche Verteidigerin wird zufolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Begehrens abgewiesen.
D.
X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde mit den gleich lautenden Anträgen, das Urteil des Strafgerichts (Ziff. 3 und 5 des Dispositivs) aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, das Verfahren wieder aufzunehmen, sowie ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
In der Vernehmlassung beantragen das Strafgericht und die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, die Beschwerden abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. Staatsrechtliche Beschwerde
1.
Nach der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt ist im Wiederaufnahmeverfahren in den Fällen von § 192 Abs. 1 StPO/BS, d.h. wenn das Gericht das Begehren ohne weiteres Verfahren abweist, der kantonale Weiterzug des ablehnenden Entscheids ausgeschlossen. Die staatsrechtliche Beschwerde ist folglich zulässig (Art. 84 Abs. 2 OG).
Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a). Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt.
2.
Gemäss Art. 397 StGB haben die Kantone gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu gestatten. Art. 397 StGB enthält einerseits eine Weisung an die Kantone, das Rechtsmittel der Revision zugunsten des Verurteilten wegen neuer erheblicher Tatsachen oder Beweismittel für ihre Strafprozessordnungen einzuführen, und andererseits einen selbständigen bundesrechtlichen Revisionsgrund zugunsten des Verurteilten im Sinne einer Minimalvorschrift an die Kantone, denen im Übrigen die Ordnung dieses Rechtsmittels obliegt (BGE 114 IV 138 E. 3a; 107 IV 133 E. 1b; 106 IV 45 E. 1; zum verfassungsmässigen Anspruch vgl. BGE 127 I 133 E. 6).
Nach der entsprechenden Bestimmung von § 189 Abs. 1 lit. d StPO/BS ist ein durch rechtskräftiges Urteil beendigtes Strafverfahren unter anderem wieder aufzunehmen, "wenn erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren und die als geeignet erscheinen, die Freisprechung einer oder eines Verurteilten oder eine wesentlich geringere Bestrafung herbeizuführen". Zum Verfahren bestimmt § 192 Abs. 1 StPO/BS: Sind die geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel schon im rechtskräftigen Urteil gewürdigt, wurde die Wiederaufnahme aufgrund der gleichen Vorbringen bereits früher abgelehnt oder sind die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe offensichtlich ungenügend, so weist das Gericht das Begehren ohne weiteres Verfahren ab. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung wird das Verfahren fortgesetzt, wenn kein Grund zur sofortigen Ablehnung gemäss Abs. 1 besteht.
Das Strafgericht stützt seine Entscheidung auf diesen Revisionsgrund von § 189 Abs. 1 lit. d StPO/BS. Zu dessen Auslegung äussern sich weder das Strafgericht noch der Beschwerdeführer. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass das kantonale Recht mildere Anforderungen an die Wiederaufnahme des Verfahrens stellen würde als das Bundesrecht, und zum anderen darf es keine strengeren Anforderungen verlangen. Die Anwendung von § 189 Abs. 1 lit. d StPO/BS ist daher nach den Kriterien von Art. 397 StGB zu beurteilen (vgl. BGE 1P.212/2002 vom 23. Juli 2002, veröffentlicht in Pra 2003 Nr. 38 S. 183 und SJ 2003 I S. 13).
3.
3.1 Im Strafurteil vom 9. August 2002 wurden der Geisteszustand des Beschwerdeführers, seine Zurechnungsfähigkeit und die Massnahmefrage beurteilt. Das Gericht kam auf Grund des Gerichtsgutachtens und der Befragung der Gutachterin in der Hauptverhandlung zum Ergebnis, es bestehe der Verdacht auf eine beginnende Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (nach ICD-10 F20.0), und differenzialdiagnostisch sei eine beginnende katatone Schizophrenie einzubeziehen. Für den Tatzeitpunkt sei ein erheblich gestörter Realitätsbezug anzunehmen. Art und Ausmass der Störung im Tatzeitraum entsprächen im Sinne von Art. 10 StGB einer Geisteskrankheit, welche die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit so schwer beeinträchtigt habe, dass eine aufgehobene Zurechnungsfähigkeit angenommen werden müsse (Urteil S. 6). Die Tat stehe in engem Zusammenhang mit der diagnostizierten psychischen Störung. Der aktuelle Verlauf der mehrmonatigen Hospitalisation zeige eine deutliche Besserung. Zur Optimierung und Stabilisierung des aktuell bestehenden teilremittierten Zustandsbildes bedürfe es einer weiteren stationären Behandlung. Eine ambulante Massnahme könne nicht als ausreichend angesehen werden. Es erscheine als geradezu unverantwortlich, den Beschwerdeführer - wie es der Verteidiger verlange - ohne besondere Betreuung oder lediglich im Hinblick auf eine ambulante Behandlung nach Hause zu entlassen. Vielmehr erscheine eine stationäre Massnahme als unumgänglich, wobei eine Lockerung der Betreuung zu erfolgen habe, sobald eine solche therapeutisch befürwortet werden könne (Urteil S. 7 f.).
3.2 Im angefochtenen Urteil wird die Abweisung des Gesuchs um Wiederaufnahme des Verfahrens wie folgt begründet: Die augenfällige schwere psychische Entwicklungsstörung des Beurteilten anlässlich der Gerichtsverhandlung, das Tatvorgehen, das Tatmotiv und die schriftlich und mündlich überzeugenden Ausführungen der Gutachterin, die ebenfalls Unterstützung gefunden hätten im Konsilium durch die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Basel (Borderline-Struktur oder Anfangsstadium einer schizophrenen Erkrankung), hätten das damalige Gericht in freier Beweiswürdigung zum Schluss geführt, dass eine beginnende Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis die Zurechnungsfähigkeit des Beurteilten im Tatzeitpunkt ganz aufgehoben hatte und eine Einweisung in die PUK angezeigt sei. Auch heute lägen keine erheblichen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von § 189 lit. d StPO/BS vor, die als geeignet erschienen, ein anderes Urteil zu bewirken. Auch das Privatgutachten, das erst bald zwei Jahre nach der Tat erstellt worden sei und zu einem anderen Ergebnis gelange, ändere nichts an diesem Ergebnis.
3.3 Der Beschwerdeführer macht (zusammenfassend) geltend, das Strafgericht wende § 189 lit. d StPO/BS willkürlich an, weil es das Privatgutachten nicht als neues Beweismittel zugelassen habe. Ein Gericht treffe seinen Entscheid über eine stationäre Massnahme auf Grund von Gutachten. Nur ein Gegengutachten sei somit geeignet, das dem Entscheid zu Grunde liegende Gutachten zu entkräften. Nach dem Privatgutachten sei davon auszugehen, dass es sich bei der im Gerichtsgutachten diagnostizierten Schizophrenie um eine Fehldiagnose handle. Im Privatgutachten werde die Tat mit dem Entwicklungsrückstand, verbunden mit einem Affektdurchbruch von vorher in Schach gehaltenen Aggressionen erklärt. Diese Diagnose hätte nicht zur Schuldunfähigkeit, sondern mit grösster Wahrscheinlichkeit zur Annahme einer stark verminderten Zurechungsfähigkeit geführt. Er hätte, auch angesichts seines jugendlichen Alters, mit Sicherheit nicht mit einer unbedingten Gefängnisstrafe rechnen müssen. Da er aber auf Grund des Gerichtsgutachtens für schuldunfähig erklärt worden sei, habe das Gericht eine stationäre Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB angeordnet. Aus dem Massnahmevollzug sei er erst nach zweieinhalb Jahren ins Wohnexternat entlassen worden. Eine probeweise Entlassung werde im Herbst 2004 geprüft. Diese Dauer des Freiheitsentzugs stehe in keinem Verhältnis zur Strafe, mit welcher er bei Annahme einer stark verminderten Zurechnungsfähigkeit hätte rechnen müssen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens könne selbst bei einer allfälligen Verurteilung für ihn nur von Vorteil sein (Beschwerde S. 15).
4.
Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens wird hauptsächlich zwischen dem Bewilligungsverfahren und dem wieder aufgenommenen Verfahren unterschieden (vgl. BGE 116 IV 353 E. 4b). Im Bewilligungsverfahren ist zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme vorhanden sind. Dies setzt nicht voraus, dass die neuen Tatsachen bewiesen werden. Vielmehr ist nach der neueren Rechtsprechung eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen, wenn ein Novum geeignet ist, die tatsächliche Grundlage des zu revidierenden Urteils so zu erschüttern, dass ein wesentlich milderes Urteil möglich ist. Dabei ist an die Voraussetzung des wesentlich milderen Urteils kein strenger Massstab anzulegen. Möglich ist eine Änderung des früheren Urteils, wenn sie sicher, höchstwahrscheinlich oder wahrscheinlich ist (BGE 122 IV 66 E. 2a; 120 IV 246 E. 2b; 116 IV 353 E. 2a und 5a).
Neue Gutachten gelten nach der Rechtsprechung nicht als neue Beweismittel im Sinne von Art. 397 StGB, wenn sie als Revisionsgrund angerufen werden, um eine im früheren Verfahren geltend gemachte, aber nicht als erwiesen angenommene Tatsache darzutun. Dagegen kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auf ein neues Gutachten gestützt werden, wenn es geeignet ist, eine neue Tatsache zu beweisen (BGE 101 IV 247 E. 2; kritisch und weitergehend Hans Walder, Die Wiederaufnahme des Verfahrens in Strafsachen nach Art. 397 StGB, insbesondere auf Grund eines neuen Gutachtens, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, Bern 1979, S. 352 f.). Dabei kann es sich auch um ein Privatgutachten handeln (BGE 73 IV 43 E. 3). Ein solches dient dann gerade dazu, die Parteibehauptung zu erhärten. Privatgutachten gelten denn auch als Bestandteil der Parteivorbringen (BGE 127 I 73 E. 3f/bb). Ein Gutachten kann somit Anlass zur Wiederaufnahme geben, wenn es neue Tatsachen nachweist oder darzutun vermag, dass die tatsächlichen Annahmen im früheren Urteil ungenau oder falsch waren (Stephan Gass, Basler Kommentar, Strafrecht II, Art. 397 N. 61; Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Auflage, Basel 1999, § 102 N. 19; Gérard Piquerez, Procédure pénale suisse, Zürich 2000, S. 755 N. 3523; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N. 1152). Ein neues Gutachten kann somit nicht bereits einen Revisionsgrund abgeben, nur weil es eine vom früheren Gutachten abweichende Meinung vertritt. Es muss vielmehr mit überlegenen Gründen abweichen und klare Fehler des früheren Gutachtens aufzeigen, die geeignet sind, die Beweisgrundlage des Urteils zu erschüttern. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, welche Tatsachen direkt oder indirekt in Frage gestellt oder welche neuen Tatsachen bewiesen werden (Walder, a.a.O., S. 356). Dies muss im Einzelfall geprüft werden.
Neu bzw. nicht bekannt sind demnach Tatsachen und Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, d.h. ihm überhaupt nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen. Sie müssen nur für das Gericht, nicht aber für den Gesuchstellenden neu sein (BGE 120 IV 246 E. 2a; 116 IV 353 E. 3a). Dabei ist Tatfrage, ob eine Tatsache oder ein Beweismittel dem Sachrichter bekannt war oder neu ist; ebenso, ob eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel geeignet ist, die tatsächlichen Grundlagen des Urteils zu erschüttern, dessen Revision verlangt wird. Rechtsfrage ist dagegen, ob die voraussichtliche Veränderung der tatsächlichen Grundlagen rechtlich relevant ist, d.h. zu einem im Schuld- oder Strafpunkt für den Verurteilten günstigeren Urteil führen kann (BGE 116 IV 353 E. 2b; 122 IV 66 E. 2a). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Behörde, sich mit diesen Fragen im Urteil auseinander zu setzen und ihren Entscheid zu begründen (vgl. BGE 126 I 97 E. 2b).
5.
Im Privatgutachten wird bezüglich der testpsychologischen Befunde des Gerichtsgutachtens ausgeführt, die Diagnose erscheine unwissenschaftlich, forciert und von den Testresultaten her völlig aus der Luft gegriffen. Weder der psychopathologische noch der testpsychologische Befund sprächen für diese Diagnose. Vor dem Hintergrund dieser Fehldiagnose liessen sich die prognostischen Aussagen des Gerichtsgutachtens auch relativieren. Der Beschwerdeführer habe von Anfang an nicht die Kriterien erfüllt, die für diese schwere Diagnose erfüllt sein müssten (Beschwerde S. 6 f.; Privatgutachten S. 12 und 15). Vielmehr sind nach dem Privatgutachten mehrere Diagnosen zu stellen, welche alle als Folge eines komplexen Entwicklungsrückstandes zu verstehen seien, nämlich: eine neurotische Intelligenz- und Leistungshemmung (welcher Begriff sich im ICD-10 nicht unterbringen lasse) sowie eine sexuelle Identitätskrise (ICD-10 F66.0) und eine soziale Phobie (ICD-10 F40.1). Der Massnahmevollzug erscheine daher unzweckmässig. Die Amnesie habe der Beschwerdeführer vorgetäuscht. Die Straftat sei als Affektdurchbruch eines affektiv Retardierten zu verstehen (Privatgutachten S. 6 f. und 15).
Somit behauptet der Beschwerdeführer gestützt auf das Privatgutachten im Wesentlichen eine vorgetäuschte Amnesie und eine Fehldiagnose im Gerichtsgutachten (weshalb das Gericht für die Beurteilung des Geisteszustandes, der Zurechnungsfähigkeit und der Massnahme von unzutreffenden tatsächlichen Grundlagen ausgegangen sei). Zunächst ist indessen festzustellen, dass das Gericht im Strafurteil vom 9. August 2002 entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht etwa deshalb die stationäre Massnahme angeordnet hatte, weil es den Beschwerdeführer für schuldunfähig erklärt hatte (oben E. 3.3), sondern weil es eine ambulante Massnahme angesichts des im Urteilszeitpunkt bestehenden Zustandsbildes als nicht ausreichend und nicht verantwortbar ansah (oben E. 3.1). Hingegen ging das Gericht auch von der Aussage des Beschwerdeführers aus, dass er sich selbst an das Ereignis nicht zu erinnern vermöge (Urteil S. 3). Im Gerichtsgutachten wurde dazu ausgeführt, dass Ausmass und Vollständigkeit der Amnesie variieren können, dass der Beschwerdeführer zum Teil eine nicht ganz vollständige Amnesie für den Tatzeitraum und einige Stunden vor der Tat beklage und dass Erinnerungslücken auch auf Verdrängung beruhen könnten oder auch darauf, dass der Beschwerdeführer nur bedingt oder gar nicht bereit sei, etwas von sich preiszugeben (Gerichtsgutachten S. 12). Das Gericht nahm eine Aufhebung der Zurechnungsfähigkeit an und folgte damit der Schlussfolgerung des Gerichtsgutachtens, die im Zusammenhang mit der diagnostizierten Störung steht (Gerichtsgutachten S.13). Das Gericht hat somit die Frage der Amnesie im Tatzeitpunkt beurteilt. Dabei hat es die damalige Aussage des Beschwerdeführers berücksichtigt und damit auch deren Gegenteil (dass es sich um eine Schutzbehauptung handeln könnte) verworfen. Beim heutigen Vorbringen handelt es sich daher nicht um eine neue Tatsache. Neu sind nämlich nur solche Tatsachen, die dem erkennenden Gericht in keiner Weise vorgelegen haben, auch nicht als Hypothese (BGE 80 IV 40 S.42; 122 IV 66 E. 2a; Walder, a.a.O., S. 344). Dieses Vorbringen läuft somit insoweit bloss darauf hinaus, das frühere Beweismaterial nochmals zu überprüfen. Stehen dagegen neue Beweismittel zur Verfügung, so kann die Wiederaufnahme ihretwegen zulässig sein, nicht weil die behauptete Tatsache neu wäre (BGE 80 IV 40 S. 42). Neu wäre also ein Beweismittel, das diese Tatsache nunmehr zu belegen vermöchte, wobei es sich allerdings auf Tatsachen bezieht, die schon Gegenstand des früheren Verfahrens waren (Walder, a.a.O., S. 345). Ein solches Beweismittel legt der Beschwerdeführer mit dem eingereichten Privatgutachten vor. In ihm wird eine Amnesie ausgeschlossen und eine Fehldiagnose des Gerichtsgutachtens behauptet.
Das Strafgericht verneint ohne nähere Begründung das Vorliegen von (neuen) erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln (oben E. 3.2). Die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe erscheinen aber nicht offensichtlich ungenügend (vgl. § 192 Abs. 1 StPO/BS; oben E. 2), so dass die Frage ohne weitere Begründung bereits im Zulassungsverfahren verneint werden kann. Das Strafgericht setzt sich mit den massgeblichen Tat- und Rechtsfragen (oben E. 4) nicht in einer nachvollziehbaren Weise auseinander. Es lässt sich daher mangels hinreichender Begründung im Rahmen des staatsrechtlichen Verfahrens nicht abschliessend prüfen, ob die Verweigerung der Wiederaufnahme haltbar ist, ob also das Strafgericht ohne Willkür einen Grund zur sofortigen Ablehnung des Revisionsgesuchs im Sinne von § 192 Abs. 1 StPO/BS annehmen durfte. In einem Entscheid müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 126 I 97 E. 2b). Diese Begründungspflicht, die Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV ist, hat das Strafgericht verletzt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet und gutzuheissen.
6.
Hingegen liegt in der Verweigerung der Wiederaufnahme als solcher weder eine Rechtsverweigerung noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Beschwerde S. 14 ff. und 16 f.). Denn das Strafgericht hat in der Sache entschieden.
7.
Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Umfang der Ziff. 5 des Dispositivs. Darin wurde die Ausrichtung eines (zusätzlichen) Honorars als unentgeltliche Verteidigerin zufolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Begehrens abgewiesen. Weil diese Entscheidung der Hauptsache, nämlich der Ablehnung der Wiederaufnahme, folgte, ist die Beschwerde auch in diesem Punkt gutzuheissen.
8.
Das Urteil des Strafgerichts vom 4. Juni 2004 ist somit in den Ziff. 3 und 5 des angefochtenen Dispositivs aufzuheben. Mit der Gutheissung der Beschwerde ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden. Es sind keine Kosten zu erheben. Der Kanton Basel-Stadt hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers angemessen zu entschädigen (Art. 159 OG).
II. Nichtigkeitsbeschwerde
9.
Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils ist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegenstandslos geworden und am Geschäftsverzeichnis abzuschreiben. In diesem Fall werden praxisgemäss weder Kosten erhoben noch Entschädigungen ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 4. Juni 2004 wird im Umfang der Ziff. 3 und 5 des Dispositivs aufgehoben.
2.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird als gegenstandslos geworden am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Kanton Basel-Stadt hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, Advokatin Sandra Sutter-Jeker, für das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. November 2004
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: