BGer 2P.139/2004
 
BGer 2P.139/2004 vom 30.11.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
2P.139/2004 /zga
Urteil vom 30. November 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Häberli.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch KPMG Fides,
gegen
Einwohnergemeinde Luzern, handelnd durch den Stadtrat, Stadthaus, Hirschengraben 17, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin,
Steuerverwaltung des Kantons Luzern, Buobenmatt 1, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
Gegenstand
Art. 8 und Art. 26 BV (Erbschaftssteuer),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 26. April 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ (geb. 1985) ist der Sohn von A.________ und B.________. Die Ehe seiner Eltern wurde 1987 geschieden, wobei A.________ kurz darauf verstarb. Im Jahre 1989 verheiratete sich B.________ erneut und im folgenden Jahr adoptierte seine zweite Ehefrau X._______.
B.
Am 28. Januar 1997 verstarb E.________, die Adoptivmutter von A.________; in ihrem Testament hatte sie "ihr Grosskind" X.________ als Erben eingesetzt. Auf der betreffenden Erbschaft in der Höhe von 884'000 Franken erhob der Stadtrat Luzern Erbschaftssteuern von 353'600 Franken (Verfügung vom 12. Juli 2000). Nach erfolglosem Einspracheverfahren gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, welches seine Beschwerde in einem Nebenpunkt (Verzugszinsenlauf erst ab 1. Januar 2001) guthiess, sie im Übrigen aber abwies (Entscheid vom 26. April 2004).
C.
Am 28. Mai 2004 hat X.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Er rügt eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 BV), des Willkürverbots (Art. 9 BV) und der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Die Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schliessen je auf Abweisung der Beschwerde, während die Stadt Luzern auf Vernehmlassung verzichtet hat.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, der sich auf kantonales Recht stützt und gegen den auf Bundesebene nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 OG). Der Beschwerdeführer ist als Steuerpflichtiger zu diesem Rechtsmittel legitimiert (vgl. Art. 88 OG).
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht untersucht nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 119 Ia 197 E. 1d S. 201, mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdeschrift diesen Anforderungen nicht genügt und sich in appellatorischer Kritik erschöpft, ist auf sie nicht einzugehen.
2.
2.1 Der Tarif des Luzerner Erbschaftssteuergesetzes (EStG) kennt bloss eine grobe Unterteilung der Erben in drei Gruppen: Die Angehörigen der zweiten Parentel (vgl. Peter Tuor/Bernhard Schnyder/Jörg Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage, Zürich 1995, S. 434 ff.) haben eine Steuer von 6 Prozent und die Angehörigen der dritten Parentel eine solche von 15 Prozent zu entrichten, während Zuwendungen an Erben, welche mit dem Erblasser entfernter oder gar nicht verwandt sind, einem Steuersatz von 20 Prozent unterliegen (vgl. § 3 Abs. 1 EStG). Für Erbschaften, die den Wert von 10'000 Franken übersteigen, kommt ein progressiver Zuschlag hinzu, welcher ab einem Betrag von 500'000 Franken zur Verdoppelung der geschuldeten Steuer führt (vgl. § 5 EStG). Ob auch die Angehörigen der ersten Parentel eine Erbschaftssteuer zu entrichten haben, ist im Kanton Luzern den Einwohnergemeinden anheimgestellt; allerdings darf eine allfällige Erbschaftssteuer für die Nachkommen höchstens 1 Prozent (zuzüglich Progressionszuschlag) betragen (vgl. §§ 33 f. des Gesetzes vom 28. Juli 1919 betreffend die teilweise Abänderung des Steuergesetzes vom 30. November 1892). Die Stadt Luzern hat eine entsprechende Erbschaftssteuer in der Höhe von 1 Prozent eingeführt (vgl. den Beschluss vom 8. Februar 1920 betreffend die Einführung der Nachkommenerbschaftssteuer).
2.2 Die streitige Erbschaft wurde mit dem höchsten Steuersatz von zwanzig Prozent belegt, wie er gemäss § 3 Abs. 1 lit. c EStG für Erbgänge zwischen "nicht verwandten Personen" zur Anwendung kommt. Dies, obschon die verstorbene biologische Mutter des Beschwerdeführers die (Adoptiv-)Tochter der Erblasserin war und der Beschwerdeführer mithin bis zu seiner Adoption durch die zweite Ehefrau seines Vaters zu den Nachkommen der Erblasserin zählte.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, wegen der besonders engen Beziehung, die er zur Erblasserin (und früheren Grossmutter) unterhalten habe, müsse er mit Blick auf das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV; vgl. BGE 123 I 1 E. 6a S. 7) als deren Enkel behandelt werden. Seine Erbschaft sei deshalb bloss mit der kommunalen Einkommenssteuer in der Höhe von (inklusive Progressionszuschlag) zwei Prozent zu belegen. Mit dieser Argumentation werden die Wirkungen einer Adoption unter geltendem Recht verkannt: Eine solche führt einerseits zur Begründung eines neuen Kindesverhältnisses zu den Adoptiveltern, das sich grundsätzlich nicht von jenem unterscheidet, wie es zwischen leiblichen Eltern und Kindern besteht (vgl. Art. 267 Abs. 1 ZGB). Andererseits erlischt das bisher zu den biologischen Eltern bestehende Kindesverhältnis (Art. 267 Abs. 2 ZGB), was gleichzeitig zum Verlust des Verwandtschaftsverhältnis mit sämtlichen Angehörigen der früheren Familie führt. Mit andern Worten scheidet das adoptierte Kind mit der Aufnahme in die neue Familie aus seiner alten aus. Weil nun das Luzerner Erbschaftssteuergesetz den anwendbaren Steuersatz nach dem Verwandtschaftsgrad bestimmt, befinden sich ein Enkel des Erblassers und ein ehemaliger Enkel, der durch Adoption aus der Familie ausgeschieden ist, nicht (mehr) in einer vergleichbaren Situation; dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Erste im Unterschied zum Zweiten gesetzlicher Erbe ist (vgl. Art. 457 ff. ZGB). Deshalb kann nicht von einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots gesprochen werden, wenn ein Enkel eine tiefere Erbschaftssteuer bezahlen muss als ein ehemaliger Enkel. Da § 3 EStG allein auf den Verwandtschaftsgrad abstellt, ist die effektive Beziehungsnähe zum Erblasser weitgehend unbeachtlich, was im vorliegenden Zusammenhang verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, weil die Intensität persönlicher Beziehungen kaum je objektiv bestimmbar ist. Schliesslich erscheint die Argumentation des Beschwerdeführers auch in sich widersprüchlich: Er kritisiert die Bedeutung, welche die kantonalen Behörden der Adoption einräumen, obschon seine ehemalige Verwandtschaft zur Erblasserin letztlich ebenfalls (bloss) auf einer Adoption beruhte.
3.2 Eine rechtsungleiche Behandlung glaubt der Beschwerdeführer weiter im Umstand zu erkennen, dass die Luzerner Steuerbehörden langjährigen Pflegekindern und langjährigen Lebenspartnern eine (privilegierte) Besteuerung zum Satz von 6 Prozent gewähren, obschon diese Personengruppen nicht mit dem Erblasser verwandt sind. Die entsprechende Praxis beruht auf einer extensiven Auslegung von § 11 Abs. 1 lit. b EStG, welcher - im Rahmen der Steuerbefreiungen - die Zuwendungen an "Dienstboten" und "Arbeitnehmer" regelt. Das Verwaltungsgericht hat die besondere Behandlung von Konkubinatspartnern und Pflegekindern auf die Tatsache gestützt, dass diese mit dem Erblasser in einer engen häuslichen Gemeinschaft lebten. Eine solche habe zwischen dem Beschwerdeführer und der Erblasserin unbestrittenermassen nicht bestanden, weshalb sich insoweit keine Gleichbehandlung aufdränge. Dieser Entscheid ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Weil das Luzerner Erbschaftssteuergesetz grundsätzlich nur auf den Verwandtschaftsgrad abstellt, hat die kantonale Praxis dort ein Korrektiv geschaffen, wo sich eine Besteuerung zum Maximalsatz nach den heutigen gesellschaftlichen Ansichten als stossend erweisen würde (vgl. die einschlägigen Weisungen zum Erbschaftssteuergesetz [Fassung vom 1. Juli 2004], Ziff. 9 zu §§ 3 f. Nr. 1). Sie hat dabei zulässigerweise das Kriterium des Zusammenlebens herausgegriffen, weil - wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat - eine enge Beziehung als solche regelmässig die Voraussetzung dafür bilden dürfte, dass es überhaupt zu einer testamentarischen Einsetzung als Erbe kommt. Es kann ohne Verfassungsverletzung angenommen werden, das Teilen einer Wohnung und die damit verbundene gemeinsame Organisation des alltäglichen Lebens führe zu einer besonders innigen Verbindung mit dem Erblasser, zumal sich die streitige Praxis auf Lebenspartner und Pflegekinder beschränkt, die vermutungsweise ohnehin eine privilegierte Beziehung zu diesem unterhalten. Insoweit geht die Verbindung zwischen diesen Personen auch über das Verhältnis hinaus, das zu den engsten Freunden oder - vorliegend - einem "vermeintlichen Enkel" besteht.
3.3 Soweit der Beschwerdeführer überdies einen Verstoss gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV; vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70, mit Hinweisen) geltend macht, genügen seine Vorbringen den gesetzlichen Begründungsanforderungen (vgl. E. 1.2) nicht, weshalb nicht weiter auf sie einzugehen ist. Nicht einzutreten ist sodann auf die (am Rande erhobene) Rüge einer Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 2 BV; vgl. BGE 126 I 112 E. 5b S. 119): Bei diesem handelt es sich zwar um ein verfassungsmässiges Prinzip, nicht aber um ein verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung der Einzelne selbständig, ohne Zusammenhang mit der Anrufung eines besonderen Grundrechts, geltend machen kann. Die Rüge der Verletzung der Verhältnismässigkeit hat deshalb neben der behandelten Rüge der Rechtsungleichheit keine selbständige Bedeutung (BGE 123 I 1 E. 10 S. 11, mit Hinweisen). Schliesslich ist auf die Beschwerde nicht weiter einzugehen, soweit zusätzlich eine Rechtsverzögerung durch die Steuerverwaltung behauptet wird: Zum einen sind solche Rügen regelmässig bei der kantonalen Aufsichtsbehörde anzubringen. Zum andern zielt die Rechtsverzögerungsbeschwerde auf die verbindliche Anweisung an die betroffene Behörde ab, die Sache an die Hand zu nehmen. Hat diese einen Entscheid getroffen, so besteht grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an einer Überprüfung der Verfahrensdauer mehr (vgl. BGE 125 V 373 E. 1 S. 374; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 227).
4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht ferner eine konfiskatorische Besteuerung geltend, weil die erhobene Erbschaftssteuer aufgrund des Progressionszuschlags letztlich 40 Prozent der Zuwendung ausmacht. Eine gegen die Eigentumsgarantie (Art. 26 Abs. 1 BV) verstossende konfiskatorische Besteuerung liegt dann vor, wenn die Steuer das Institut des Eigentums in Frage stellt; dem Abgabepflichtigen darf das Vermögen nicht durch übermässige Besteuerung nach und nach entzogen werden und das Gemeinwesen ist verpflichtet, privates Vermögen in seiner Substanz zu wahren sowie die Möglichkeit der Neubildung von Vermögen zu erhalten (BGE 128 II 112 E. 10b/bb S. 126, mit Hinweisen). Ob eine konfiskatorische Besteuerung vorliegt, beurteilt sich nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände wie Steuersatz, Bemessungsgrundlage, Dauer des fiskalischen Eingriffs und dessen Kumulation mit anderen Abgaben (BGE 106 Ia 342 E. 6 S. 348 ff.).
4.2 Als unter dem Gesichtswinkel von Art. 26 BV (bzw. Art. 22ter aBV) unzulässig beurteilt hat das Bundesgericht, wenn eine durch Vermächtnis angefallene Leibrente von anfänglich 2'200 Franken pro Monat - unbekümmert um die anderweitige Steuerkraft des Rentenberechtigten - gesamthaft mit 55 Prozent durch Erbschafts- und Einkommenssteuern sowie durch Aufwendungen belastet wird, die (angesichts des geschuldeten Steuerbetrags von über 200'000 Franken) zu deren Finanzierung erforderlich waren (Urteil P.1704/1984, in: ASA 56 S. 439 ff.). Entscheidend waren dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls, zumal das besteuerte Rentenbetreffnis kaum mehr als die Existenz der Erbin sicherte. Nicht als konfiskatorisch beurteilt wurden demgegenüber sowohl die Abschöpfung eines Planungsmehrwerts im Umfang von bis zu 60 Prozent (BGE 105 Ia 134 E. 3b S. 141 ff.) als auch die Gesamtbelastung eines Liegenschaftsverkaufs mit Grundstückgewinnsteuern und Erbschaftssteuern von insgesamt 50 Prozent (Urteil 2P.300/1992 vom 17. November 1993, E. 5d); auch die Besteuerung des Gewinns dreier Geschäftsjahre im Umfang von 67,6 Prozent wurde als nicht konfiskatorisch erachtet (BGE 102 Ia 220 E. 3 S. 226 ff.).
4.3 Aus dem Gesagten erhellt, dass es auf die zahlenmässige Belastung des Erbes allein nicht ankommt. Deshalb vermag der Beschwerdeführer, welcher seine Rüge einzig auf die Höhe des resultierenden Steuersatzes stützt, vorliegend keine Verletzung von Art. 26 BV darzutun: Die streitige Erbschaftssteuer fällt ein einziges Mal an und bemisst sich allein nach dem Wert des Erbteils des Beschwerdeführers, wobei der anwendbare Steuersatz 20 Prozent beträgt und sich bloss infolge der Progression auf 40 Prozent verdoppelt. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er könne die Steuer nicht aus der Erbschaft selbst bezahlen, weshalb auch in dieser Beziehung kein besonders einschneidender fiskalischer Eingriff vorliegt. Zwar mag es den Beschwerdeführer in der Tat hart treffen, 40 Prozent seines Erbes als Steuer abzuliefern, zumal er - wenn er immer noch der Enkel der Erblasserin wäre- nur eine Steuer von 2 Prozent zu bezahlen hätte. Nachdem aber hier die Anwendung des gesetzlichen Höchstsatzes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, hat er dies hinzunehmen. Jedenfalls stellt die Belastung einer Erbschaft im Wert von knapp 900'000 Franken mit Steuern von 40 Prozent noch keine konfiskatorische Besteuerung dar.
5.
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet, soweit auf sie einzutreten ist.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigung ist keine auszurichten (vgl. Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 7'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie der Steuerverwaltung und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. November 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: