Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.301/2004 /grl
Urteil vom 9. Dezember 2004
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.
Parteien
A.________ AG,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Peter Conrad,
gegen
B.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Kramer.
Gegenstand
Kaufvertrag,
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 14. Juni 2004.
Sachverhalt:
A.
Mit öffentlich beurkundetem Grundstückkaufvertrag vom 4. November 1999 veräusserte die B.________ AG als Verkäuferin (Beklagte) der A.________ AG als Käuferin (Klägerin) das Areal der Spinnerei C.________. Die Klägerin beabsichtigte, in den bestehenden Gebäuden Lofts zu erstellen. Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens wurde die Klägerin verpflichtet, das Areal auf Schadstoffbelastungen zu untersuchen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchungen kam das Baudepartement des Kantons Aargau zum Schluss, dass es sich aufgrund der vorgefundenen Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle sowohl beim Werkstatt- als auch beim Spinnereigebäude um einen belasteten Standort gemäss Altlastenverordnung (AltlV, SR 814.680) handle. Im vorliegenden Konzentrationsbereich liessen sich die Schadstoffe aber nicht freisetzen und Auswirkungen auf das Grundwasser könnten ausgeschlossen werden. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass es sich weder um einen sanierungs- noch überwachungsbedürftigen belasteten Standort gemäss Art. 8 AltlV handle. Die Baureife sei somit erreicht. Der Standort sei jedoch für die Eintragung in den künftigen Kataster der belasteten Standorte vorgesehen. Dieser Eintrag könne verhindert werden, falls die Verunreinigung im Rahmen der Bauarbeiten vollständig entfernt würden.
B.
Zwischen den Parteien ist umstritten, wer die Kosten für die Beseitigung der Belastungen zu tragen hat. Am 23. Januar 2003 beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Aargau, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 461'433.75 nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2001 zu bezahlen. Mit Urteil vom 14. Juni 2004 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage ab.
C.
Mit Berufung vom 30. August 2004 beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 14. Juni 2004 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, ihr Fr. 461'433.75 nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2001 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Klägerin macht gestützt auf Ziff. 10.2 des Kaufvertrages gegenüber der Beklagten die Kosten für die Beseitigung der Verunreinigung geltend. Diese Vertragsbestimmung lautet wie folgt:
"Kosten im Zusammenhang mit einer allfälligen Altlastensanierung gehen zu Lasten der Verkäuferin. Die Definition "Altlast" richtet sich dabei nach Bundesrecht und bezieht sich auf solche Lasten, die bei Vorhandensein eines Altlastenkatasters aufgenommen würden".
Die Auslegung dieser Bestimmung ist umstritten. Die Klägerin geht davon aus, dass die Beklagte alle Kosten übernehmen müsse, die notwendig seien zur Verhinderung eines Eintrages im Kataster der belasteten Standorte (Art. 5 AltlV). Die Beklagte versteht die Bestimmung demgegenüber so, dass sie nur Kosten für die Beseitigung von Belastungen zu übernehmen habe, bei denen es sich um Altlasten gemäss der bundesrechtlichen Definition handle (Art. 2 Abs. 3 AltlV).
2.
Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 OR). Wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 129 III 702 E. 2.4 S. 707, 125 III 263 E. 4a S. 266, 121 III 118 E. 4b/aa S. 123, je mit Hinweisen).
2.1 Im vorliegenden Fall hat das Handelsgericht zunächst festgestellt, dass kein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien vorliege, und in der Folge die umstrittene Bestimmung des Kaufvertrages nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt. Die Auslegung nach Vertrauensprinzip ist eine Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren überprüft werden kann (BGE 129 III 702 E. 2.4 S. 707 m.w.H.).
2.2 Nach dem Wortlaut der auszulegenden Bestimmung hat die Verkäuferin die Kosten einer allfälligen "Altlastensanierung" zu tragen. Zum Begriff "Altlast" wurde ausdrücklich festgehalten, dass sich die Definition nach Bundesrecht richte. Gemäss Art. 2 Abs. 3 AltlV sind Altlasten "sanierungsbedürftige belastete Standorte". Das Argument der Klägerin, im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff der "Altlast" anders verstanden als nach der Definition von Art. 2 Abs. 3 AltlV, ist nicht überzeugend. In Rechtsprechung und Lehre ist nämlich anerkannt, dass juristisch-technische Begriffe - wie z.B. der Begriff "Altlast" - entsprechend ihrem juristischen Sinn zu verstehen sind (BGE 119 II 368 E. 4b S. 373 m.w.H.; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, 8. Auflage, Zürich 2003, S. 266, Rz. 1209). Dies hat im vorliegenden Fall umso mehr zu gelten, als ausdrücklich festgehalten wurde, die Definition "Altlast" richte sich nach Bundesrecht. Gestützt auf den Wortlaut der auszulegenden Vertragsklausel kann somit nur ein "sanierungsbedürftiger" belasteter Standort als "Altlast" im Sinn von Ziff. 10.2 der Vertragsbestimmung gelten.
2.3 An dieser Auslegung ändert auch der Umstand nichts, dass im zweiten Teil der umstrittenen Bestimmung festgehalten wird, die Definition "Altlast" beziehe sich auf solche Lasten, welche bei Vorhandensein eines Altlastenkatasters aufgenommen würden. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass in den Kataster alle belasteten Standorte und nicht nur die "sanierungsbedürftigen belasteten Standorte" im Sinn von Art. 2 Abs. 3 AltlV einzutragen seien. Für die Auslegung kann die Klägerin daraus jedoch nichts ableiten. Die auszulegende Bestimmung verwendet nämlich nicht den juristisch-technischen Begriff "Kataster der belasteten Standorte" (Art. 5 AltlV), sondern das Wort "Altlastenkataster". Daraus ist nach Treu und Glauben zu folgern, dass sich die Beklagte als Verkäuferin nur verpflichtet hat, die Kosten der Sanierung von "Altlasten" (Art. 2 Abs. 3 AltlV) - und nicht von allen im Kataster der belasteten Standorte (Art. 5 AltlV) eingetragenen Belastungen - zu übernehmen.
2.4 Zum gleichen Ergebnis führt die Auslegung, wenn zusätzlich zum Wortlaut auf das ergänzende Auslegungsmittel der Interessenlage der Parteien bei Vertragsabschluss abgestellt wird. Zwar ist durchaus ein Interesse der Klägerin als bauwillige Käuferin ersichtlich, die Haftung für sämtliche Belastungen der Beklagten als Verkäuferin zu überbinden. Unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessenlage spricht jedoch viel dafür, dass die Parteien nach Treu und Glauben nur eine Haftung der Beklagten für qualifizierte Belastungen - d.h. für Altlasten im Sinn von sanierungsbedürftigen belasteten Standorten (Art. 2 Abs. 3 AltlV) - vorsehen wollten. Die von der Klägerin postulierte Haftung der Beklagten für sämtliche Belastungen kann der auszulegenden Bestimmung nicht entnommen werden. Auch unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien ist die Vertragsauslegung des Handelsgerichtes somit nicht zu beanstanden.
2.5 Auf die weitere Begründung des Handelsgerichtes, im Zweifelsfall sei gegen den Verfasser zu entscheiden, muss unter diesen Umständen nicht weiter eingegangen werden. Da die Auslegung des Handelsgerichtes einer Überprüfung durch das Bundesgericht stand-hält, erübrigt es sich auch, auf den Eventualstandpunkt der Klägerin einzugehen.
3. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Berufung abzuweisen ist. Unter diesen Umständen kann darauf verzichtet werden, auf die von der Beklagten kritisierten Erwägungen des Handelsgerichtes zur Aktivlegitimation und der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge einzugehen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Dezember 2004
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: