BGer 2A.715/2004
 
BGer 2A.715/2004 vom 23.12.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.715/2004 /leb
Urteil vom 23. Dezember 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprecher Philipp Kunz,
gegen
Migrationsdienst des Kantons Bern,
Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
Haftgericht III Bern-Mittelland, Amthaus,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
Gegenstand
Verlängerung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 9. November 2004.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Haftrichter 5 des Haftgerichts III Bern-Mittelland bestätigte am 12. August 2004 (schriftliche Ausfertigung des Entscheids 17. August 2004) die gegen den chinesischen Staatsangehörigen X.________, geb. 1962, angeordnete Ausschaffungshaft. Mit Urteil 2A.472/2004 vom 31. August 2004 wies das Bundesgericht die gegen diesen Haftbestätigungsentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Nach am 8. November 2004 durchgeführter mündlicher Verhandlung hiess der Haftrichter 5 des Haftgerichts III Bern-Mittelland den Antrag des Ausländer- und Bürgerrechtsdienstes der Kantonspolizei Bern um Verlängerung der Ausschaffungshaft gut und verlängerte die Haft bis zum 9. Februar 2005 (schriftliche Ausfertigung des mit Begründung versehenen Entscheids vom 9. November 2004).
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 9. Dezember 2004 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Haftgerichts aufzuheben und das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter sei die Unrechtmässigkeit bzw. die Unverhältnismässigkeit der Ausschaffungshaft festzustellen und er umgehend aus der Haft zu entlassen.
Das Haftgericht beantragt, gleich wie der Migrationsdienst des Kantons Bern, die Abweisung der Beschwerde. Die Abteilung Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements hat sich am 16. Dezember 2004 zur Frage der Papierbeschaffung für Staatsangehörige der Volksrepublik China geäussert. Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich (telefonisch) darauf verzichtet, ergänzend Stellung zu nehmen.
2.
2.1 Die Voraussetzungen zur Anordnung von Ausschaffungshaft sind vorliegend erfüllt; es kann dazu auf das Urteil 2A.472/2004 vom 31. August 2004 verwiesen werden. Da dem Vollzug der Wegweisung wegen fehlender Reisepapiere bzw. wegen der Schwierigkeiten, solche zu beschaffen, noch besondere Hindernisse entgegenstehen, ist grundsätzlich auch eine Verlängerung der Haft auf über drei Monate zulässig (vgl. Art. 13b Abs. 2 zweiter Teilsatz ANAG). Die (Aufrechterhaltung der) Ausschaffungshaft ist indessen nur dann verhältnismässig und bundesrechtskonform, wenn sie noch dem ihr vom Gesetz zugedachten und allein zulässigen Zweck zu dienen vermag, die zwangsweise Ausschaffung des Ausländers sicherzustellen (BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 63). Im Hinblick darauf ist zu prüfen, ob vorliegend keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe dem Vollzug der Wegweisung entgegenstehen (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG) und ob die für den Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehren umgehend getroffen worden sind (Einhaltung des Beschleunigungsgebots gemäss Art. 13b Abs. 3 ANAG).
2.2 Wie sich der Stellungnahme der Abteilung Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 16. Oktober 2002 (richtig: 16. Dezember 2004) entnehmen lässt, erscheint der Ausschaffungsvollzug nach China auch im Fall von nicht kooperationswilligen Personen grundsätzlich möglich. Wohl erfordert die Vorbereitung der Ausschaffung diesfalls, anders als bei zur Kooperation bereiten Personen, mehrere Monate. Es lässt sich jedoch nicht sagen, dass triftige Gründe gegen die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs innert absehbarer Zeit sprechen würden; mit der Ausschaffung noch vor Ablauf der maximal zulässigen Haftdauer darf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, sodass die Haftverlängerung unter dem Gesichtspunkt von Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG (vgl. dazu BGE 130 II 56 E. 4.1 S. 59 ff., mit Hinweisen) zulässig erscheint.
2.3
2.3.1 Nach Art. 13b Abs. 3 ANAG sind die für den Vollzug der Wegweisung nötigen Vorkehren umgehend zu treffen. Die zuständigen Behörden des Kantons und des Bundes (vorab die Abteilung Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements) müssen versuchen, die Identität eines unkooperativen Ausländers festzustellen und die für die Ausschaffung erforderlichen Papiere zu beschaffen. Innert nützlicher Frist sind diejenigen Vorkehren zu treffen, die unter den konkreten Umständen des Einzelfalls die Ausschaffungsbemühungen zu beschleunigen vermögen. Hingegen besteht keine Pflicht der Behörden, in jedem Fall schematisch bestimmte Handlungen vorzunehmen (s. zum Beschleunigungsgebot BGE 124 II 49 ff.).
Bei der Wahl ihres Vorgehens muss den Vollzugsbehörden ein gewisser Spielraum zugestanden werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Kontaktaufnahme zu ausländischen Stellen; die dabei zu beachtenden Gepflogenheiten sind ihnen am Besten bekannt. So ist zwar innert nützlicher Frist an die ausländische Behörde zu gelangen, der Kontakt mit ihr ist aber anschliessend bloss im Rahmen vertretbarer Fristen aufrecht zu erhalten (Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in RDAF 53/1997 S. 331 f.). Das Bundesgericht hat verschiedentlich festgestellt, dass im Interesse einer andauernden erspriesslichen Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Botschaftspersonal eine gewisse Zurückhaltung bei Rückfragen geübt werden solle und dürfe; gerade in dieser Hinsicht kommt der Einschätzung der Vollzugsbehörden erhebliches Gewicht zu (Urteil 2A.489/1999 vom 7. Oktober 1999 E. 2a, mit Hinweis). Verzögerungen, die auf das schleppende Verhalten ausländischer Amtsstellen zurückzuführen sind, vermögen keine Verletzung des Beschleunigungsgebots zu begründen (Urteil 2A.497/2001 vom 4. Dezember 2001 E. 4a).
Auf eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kann in der Regel dann geschlossen werden, wenn während rund zwei Monaten keinerlei Vorkehren mehr im Hinblick auf die Ausschaffung getroffen worden sind, ohne dass die Verzögerung in erster Linie auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückgeht (BGE 124 II 49 E. 3a am Ende S. 51, mit Hinweisen).
2.3.2 Das Verhalten der Vollzugsbehörden ist vorliegend an diesen Vorgaben zu messen.
Nachdem Divergenzen zwischen den Personalien gemäss Passkopie und den Angaben auf dem vom Beschwerdeführer ausgefüllten Personalienblatt bestanden, wurden die am 8. September 2004 eingegangenen, zur Beschaffung eines Laissez-Passer notwendigen Unterlagen am 15. September 2004 an das chinesische Konsulat weitergeleitet, wobei die Passkopie wegen der erwähnten Divergenzen nicht mitgeschickt wurde. Gemäss der Stellungnahme der Abteilung Vollzugsunterstützung dauert es in solchen Fällen mehrere Monate, bis die chinesischen Behörden die Identifikationsabklärungen abschliessen können und das Ergebnis den Schweizer Behörden mitteilen. Wenn auch im für die Überprüfung des angefochtenen Entscheids allein massgeblichen Zeitraum zwischen dem 15. September 2004 und dem 8./9. November 2004 (Zeitpunkt des richterlichen Haftverlängerungsentscheids) keine Rückfrage beim Konsulat erfolgt zu sein scheint, ist dies angesichts der aus diplomatischen Gründen und im Hinblick auf weitere erspriessliche Zusammenarbeit gebotenen Zurückhaltung nicht zu beanstanden. Nicht ersichtlich ist, welche zusätzlichen für den Wegweisungsvollzug dienlichen Schritte hätten unternommen werden können. Ergänzend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer jegliche Kooperationsbereitschaft vermissen lässt, dass aber bei geändertem Verhalten ein Reisepapier innert kurzer Frist erhältlich gemacht werden könnte.
Unter diesen Umständen und bei den gegebenen zeitlichen Abläufen kann von einer Verletzung des Beschleunigungsgebots keine Rede sein.
2.4 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als - offensichtlich - unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) abzuweisen.
2.5 Der Beschwerdeführer hat um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als aussichtslos (Art. 152 OG). Indessen rechtfertigt es sich in Fällen der vorliegenden Art, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 154 und 153a Abs. 1 OG), sodass das Gesuch, soweit es die Kostenbefreiung betrifft, gegenstandslos wird; soweit es als Begehren um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts verstanden wird, ist es abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird, soweit es nicht gegenstandslos ist, abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsdienst des Kantons Bern und dem Haftgericht III Bern-Mittelland sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Dezember 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: