Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.83/2005 /dxc
Urteil vom 16. Februar 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin
lic. iur. Karin Caviezel,
gegen
Billag AG, Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren, Postfach,
1701 Freiburg,
Bundesamt für Kommunikation, Zukunftstrasse 44, Postfach, 2501 Biel/Bienne,
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Bundeshaus Nord, 3003 Bern.
Gegenstand
Radio- und Fernsehempfangsgebühren, rückwirkende Gebührenbefreiung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), vom 7. Januar 2005.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit Verfügung vom 17. April 2003 wurde X.________ rückwirkend ab 1. März 2000 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Am 5. August 2003 stellte sie ein Gesuch um Ergänzungsleistungen der IV. Mit Verfügung vom 10. Oktober 2003 wurden ihr Ergänzungsleistungen rückwirkend ab 1. Juli 2000 in unterschiedlicher Höhe zugesprochen, ausgenommen für die Monate August und September 2001 sowie November und Dezember 2002. Umgehend, am 17. Oktober 2003, stellte X.________ bei der Billag AG, Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren, nachfolgend Billag genannt, ein Gesuch um Befreiung von der Gebührenpflicht für den Radio- und Fernsehempfang. Die Billag entsprach dem Gesuch und befreite sie ab 1. November 2003 von der Gebührenpflicht.
X.________ erhob gegen diese Verfügung Beschwerde an das Bundesamt für Kommunikation; sie beantragte, sie sei rückwirkend für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 31. Juli 2001, vom 1. Oktober 2002 bis 31. Oktober 2002 sowie ab 1. Januar 2003 von der Gebührenpflicht zu befreien, und die Billag sei anzuweisen, ihr die ab 1. Juli 2000 zuviel geleisteten Gebühren zurückzuerstatten. Das Bundesamt wies die Beschwerde am 11. Juni 2004 ab; ebenso wies das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation die gegen den Entscheid des Bundesamtes erhobene Beschwerde am 7. Januar 2005 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 8. Februar 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Beschwerdeentscheid des Departements aufzuheben und sie für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 31. Juli 2001, vom 1. Oktober 2001 bis 31. Oktober 2002 sowie ab 1. Januar 2003 von der Gebührenpflicht für den Radio- und Fernsehempfang zu befreien; zudem sei das Departement anzuweisen, die ihr ab 1. Juli 2000 bis 31. Oktober 2002 zuviel geleisteten Gebühren zurückzuerstatten.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen (wie Einholen der Vorakten) angeordnet worden. Das Urteil ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
2.
2.1 Gemäss Art. 55 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) hat, wer Radio- und Fernsehsendungen empfangen will, dies der zuständigen Behörde vorgängig zu melden und eine Empfangsgebühr zu bezahlen (Abs. 1). Der Bundesrat setzt die Empfangsgebühr fest (Abs. 2). Er regelt die Einzelheiten; er kann die Erhebung der Empfangsgebühren einer unabhängigen Organisation übertragen (Abs. 3). Die mit der Erhebung der Empfangsgebühren betraute Stelle kann für die Abklärung der Melde- und Gebührenpflicht Daten bearbeiten, soweit dies für die Abklärung eines Gesuches um Befreiung von der Melde- und Gebührenpflicht erforderlich ist (Abs. 4). Art. 43 der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV; SR 784.401) bestimmt, wer von der Meldepflicht befreit ist. Art. 44 RTVV setzt die monatlichen Empfangsgebühren für Radio- und Fernsehempfang fest. Art. 45 RTVV regelt die Gebührenbefreiung. Wer von der Meldepflicht gemäss Art. 43 RTVV befreit ist, schuldet keine Empfangsgebühr (Abs. 1). Auf schriftliches Gesuch hin werden AHV- und IV-Berechtigte, die Leistungen nach dem Bundesgesetz vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung erhalten, von der Gebührenpflicht befreit (Abs. 2). Wird das Gesuch gutgeheissen, endet die Gebührenpflicht am letzten Tag des Monats, in dem das Gesuch um Gebührenbefreiung eingereicht worden ist (Abs. 3). Der Gesuchsteller hat der Inkassostelle einen rechtskräftigen Entscheid über den Anspruch auf Ergänzungsleistung beizubringen (Abs. 4).
Auf der Rückseite der Gebührenrechnungen der gemäss Art. 48 RTVV mit dem Inkasso der Empfangsgebühren betrauten Billag wird auf die Möglichkeit der Gebührenbefreiung hingewiesen, wobei in den Grundzügen der Text von Art. 45 Abs. 2 und 4 RTVV wiedergegeben ist.
2.2 Die Beschwerdeführerin hat, nach der Eröffnung des Entscheids über den Anspruch auf IV-Ergänzungsleistungen, unverzüglich ein schriftliches Gesuch um Gebührenbefreiung gestellt, unter Beilage des fraglichen Entscheids; sie ist nach Art. 45 Abs. 2 und 4 RTVV vorgegangen. Dem Gesuch ist entsprochen worden, und zwar in dem Sinn, dass die Gebührenpflicht, wie in Art. 45 Abs. 3 RTVV vorgesehen, am letzten Tag des Monats endete, in dem das Gesuch eingereicht wurde. Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, Art. 45 Abs. 3 RTVV sei verfassungswidrig, weil er trotz grundsätzlichen Anspruchs auf Gebührenbefreiung bei Bezug von Ergänzungsleistungen eine rückwirkende, d.h. den Zeitraum vor Einreichung des Gesuchs umfassende Gebührenbefreiung ausschliesse; dadurch werde der verfassungsmässige Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 8 BV) und der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) verletzt.
2.3 Das Gesetz selber hat die Regelung der Gebührenerhebung und -befreiung weitgehend an den Bundesrat delegiert. Was die Gebührenbefreiung betrifft, beschränkt sich das Gesetz darauf, die Möglichkeit einer solchen zu erwähnen (Art. 55 Abs. 4 RTVG). Der Bundesrat hat gestützt auf diese weitgefasste Delegation eine umfassende Regelung getroffen. Der Wortlaut von Art. 45 Abs. 3 RTVV ist eindeutig; er schliesst eine rückwirkende Gebührenbefreiung aus.
Das Bundesgericht kann allerdings vorfrageweise die Verfassungsmässigkeit einer Verordnung überprüfen und einer Verordnungsnorm im Einzelfall die Anwendung versagen, wenn sie sich als verfassungswidrig erweist (vgl. spezifisch betreffend die Radio- und Fernsehverordnung Urteile 2A.393/2002 vom 23. Juni 2003 E. 1.5; 2A.283/2000 vom 5. Januar 2001 E. 3a). Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass ohne Not nicht vom klaren Wortlaut einer Norm abgewichen werden soll (BGE 129 V 102 E. 3.2 S. 103, mit Hinweisen).
2.4 Weder die Radio- und Fernsehverordnung noch die Gesetzgebung über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV sieht eine mit der Zusprechung von Ergänzungsleistungen automatisch verbundene Gebührenbefreiung vor. Erforderlich ist das Stellen eines Gesuchs. Hängt das Erbringen einer Leistung von der Einreichung eines Gesuchs ab, ist es keineswegs unüblich, den Anspruch auf die Leistung erst ab dem Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bzw. mit Wirkung ab diesem entstehen zu lassen. So ist es nicht von Verfassungs wegen geboten, einem Gesuch um unentgeltliche Rechtsprechung rückwirkend zu entsprechen (BGE 122 I 203). Wer Sozialhilfe beantragt, wird Leistungen des Gemeinwesens in der Regel nicht rückwirkend für bereits entstandene Kosten beanspruchen können (vgl. Urteil 2P.267/2004 vom 4. Januar 2005 E. 3.2 betreffend Tilgung von Schulden; s. auch Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe [SKOS-Richtlinien], Ziff. A.4, Rubrik "Bedarfsdeckung"). Wer Anspruch auf Verbilligung der Krankenkassenprämien erheben will, hat nach den einschlägigen kantonalen Regelungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Gesuch für das laufende Jahr zu stellen; eine spätere und damit rückwirkende Geltendmachung, etwa gar für frühere Jahre, ist nicht möglich (vgl. dazu Urteil 2A.167/1998 vom 18. November 1998). In allen diesen und zahlreichen weiteren Fällen hängt es von der Wahl des Einzelnen ab, ab wann er in den Genuss einer Leistung bzw. einer finanziellen Erleichterung kommt, und zwar an sich unabhängig davon, ob er auf die Möglichkeit der Gesuchstellung hingewiesen worden ist. Dies kann zur Folge haben, dass eine Leistung, auf die Anspruch bestehen würde, nicht ausgerichtet wird; auch der Zweck der jeweilen einschlägigen Erlasse, in schwierigen Lagen finanzielle Abhilfe zu schaffen, steht dem nicht entgegen. Wenn der Bundesrat für die Befreiung von den Empfangsgebühren eine solche Lösung gewählt hat, ist dies grundsätzlich auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zulässig, es sei denn, die Ausgestaltung des Gesuchsverfahrens als solche führe unweigerlich zu unhaltbaren Ergebnissen, etwa zu einer durch nichts zu rechtfertigenden rechtsungleichen Behandlung der Betroffenen.
2.5 Die Beschwerdeführerin erblickt eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots darin, dass es bei wortgetreuer Anwendung von Art. 45 RTVV von der unvorhersehbaren, sehr unterschiedlichen Dauer der Verfahren betreffend AHV-/IV-Renten bzw. Ergänzungsleistungen abhänge, ab welchem Zeitpunkt die Befreiung von den Empfangsgebühren gewährt werde, was zu einer ungleichen Behandlung von verschiedenen Kategorien von Ergänzungsleistungsbezügern führe. Das Departement hat hierzu im angefochtenen Entscheid ausgeführt, es bestehe für denjenigen, der sich für den Bezug von IV-Leistungen bzw. von Ergänzungsleistungen anmelde, die Möglichkeit, frühzeitig ein Gesuch um Gebührenbefreiung zu stellen, worauf das Verfahren vor der Billag bis zum Abschluss des Sozialversicherungsverfahrens sistiert und die Gebührenbefreiung im Falle der späteren Zusprechung von Ergänzungsleistungen ab dem Zeitpunkt der Gesuchstellung gewährt werden könne. Die Beschwerdeführerin behauptet, Gesuchsteller würden durch den Text auf der Rückseite der Gebührenrechnung davon abgehalten, so vorzugehen (wiedergegeben ist dort nur der Inhalt von Art. 45 Abs. 2 und Abs. 4 RTVV, nicht auch von Art. 45 Abs. 3 RTVV, aus welchem sich die Nichtrückwirkung ergibt). Unter diesen Umständen erachtet sie die wortgetreue Auslegung von Art. 45 Abs. 3 RTVV mit Art. 5 BV (Gebot des Handelns nach Treu und Glauben) in Verbindung mit dem Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar.
In der Tat könnte der Text auf der Rückseite der Gebührenrechnung den Eindruck entstehen lassen, ein Gesuch solle zusammen mit einem bereits rechtskräftigen Entscheid über die Ergänzungsleistungen eingereicht werden ("Dem Gesuch ist ein rechtskräftiger Entscheid über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen beizulegen"). Indessen wird, wer wie die Beschwerdeführerin der Meinung ist, Anspruch auf Gebührenbefreiung vor rechtskräftigem Abschluss des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens zu haben, durch den Hinweis auf dem Rechnungsformular nicht ernsthaft davon abgehalten, zu einem früheren Zeitpunkt ein Gesuch zu stellen; zumindest erscheint es für jemanden mit einem entsprechenden Anliegen zumutbar, bei der Billag konkretere Auskünfte über die Befreiungsmöglichkeiten einzuholen. Auf diese Weise könnten die unerwünschten Auswirkungen des Rückwirkungsausschlusses gemäss Art. 45 Abs. 3 RTVV vermieden werden, sofern die vom Departement beschriebene Vorgehensweise (Sistierung des vorzeitig eingereichten Gesuchs) grundsätzlich praktiziert wird. Ob Letzteres der Fall ist und nach dem Rechtsgleichheitsgebot auch geboten wäre, braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüft zu werden, da die Beschwerdeführerin von der Möglichkeit einer vorgezogenen Gesuchseinreichung nicht Gebrauch zu machen versucht hat. Zwar dürfte es sich empfehlen, die Formulierung des Hinweises auf der Rückseite der Gebührenrechnung zu überdenken, um Missverständnisse zu vermeiden. Allein aus der Gefahr von Missverständnissen ergibt sich jedoch keine Verfassungsverletzung.
2.6 Beizufügen ist, dass das Bundesgericht zwar nie ausdrücklich, aber stillschweigend davon ausgegangen ist, dass Gebührenbefreiung erst ab dem Zeitpunkt der Gesuchseinreichung zu gewähren ist (vgl. etwa Urteil 2A.393/2002 vom 23. Juni 2003 E. 3.1). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lässt sich nichts anderes aus dem Urteil 2A.420/2003 vom 9. Juni 2004 ableiten, in welchem teilweise noch die früheren Regeln über die Gebührenbefreiung anzuwenden waren (s. dort E. 2.1); richtig ist nur, dass das Problem der rückwirkenden Gebührenbefreiung sich unter der Herrschaft des alten Rechts nicht in gleicher Form stellen konnte (s. Art. 45 und 46 RTVV in der ursprünglichen Fassung, AS 1997 2917 f.).
Art. 45 Abs. 3 RTVV bzw. dessen Anwendung im Falle der Beschwerdeführerin verstösst in Berücksichtigung aller Umstände gegen keine verfassungsmässigen Rechte. Die Voraussetzungen, um vom klaren Wortlaut abzuweichen, sind nicht erfüllt.
2.7 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
Dementsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 OG), wobei bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr (vgl. Art. 153 Abs. 1 OG) nebst ihrer finanziellen Lage (vgl. Art. 153a Abs. 1 OG) auch dem Gegenstand des Verfahrens Rechnung zu tragen ist. Ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hat die Beschwerdeführerin nicht gestellt.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Billag AG, Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren, dem Bundesamt für Kommunikation sowie dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Februar 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: