Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.458/2004 /sza
Urteil vom 28. Februar 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
gegen
Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,
Obergericht des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
Gegenstand
Art. 9 BV (definitive Rechtsöffnung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, vom 9. November 2004.
Sachverhalt:
A.
Y.________ betrieb X.________ mit Zahlungsbefehl Nr. ____1 vom 23. September 2003 für Fr. 103'762.90 nebst Zins und Kosten. Als Grund für die Forderung gab sie Alimente vom 1. April 1999 bis 28. Februar 2002 an. X.________ erhob Rechtsvorschlag, worauf Y.________ das Gesuch um definitive Rechtsöffnung stellte. Am 2. September 2004 erteilte der Präsident 1 des Bezirksgerichts Baden für Fr. 33'281.-- die definitive Rechtsöffnung nebst Zins und Kosten. Das Obergericht des Kantons Aargau hiess eine Beschwerde von X.________ am 9. November 2004 teilweise gut und erteilte lediglich für Fr. 15'340.10 definitive Rechtsöffnung nebst Zins und Kosten.
B.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Sein Gesuch um aufschiebende Wirkung hat der Präsident der II. Zivilabteilung abgewiesen. In seiner Vernehmlassung vom 5. Januar 2005 räumt das Obergericht ein, ein Dokument nicht beachtet zu haben. Y.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Beim angefochtenen Rechtsöffnungsentscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, der nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann (Art. 84 ff. OG; BGE 120 Ia 256 S. 257). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden.
2.
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid festgestellt, die Parteikosten von Fr. 2'513.40 gemäss Urteil des Gerichtspräsidiums Baden vom 9. März 2000, welche der Beschwerdeführer zur Verrechnung gestellt habe, seien nicht urkundlich belegt, da dieses Urteil vom Beschwerdeführer als Beleg nicht eingereicht worden sei. Diese Angabe trifft an sich zu. Das Urteil vom 9. März 2000 wurde allerdings von der Beschwerdegegnerin beim Obergericht angefochten. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde am 10. Mai 2000 ab. Der Beschwerdeführer hat dieses Urteil vom 10. Mai 2000 im Verfahren um definitive Rechtsöffnung eingereicht und damit die zur Verrechnung gestellte Forderung belegt. Die gegenteilige Äusserung im angefochtenen Entscheid ist - wie das Obergericht selber einräumt - aktenwidrig und verstösst gegen Art. 9 BV. Die Beschwerde ist daher begründet, soweit sie die Verrechenbarkeit der Teilforderung aus Abtretung der Parteikosten von Fr. 2'513.40 betrifft.
3.
Der Beschwerdeführer rügt als willkürlich, dass er die Leasingraten für das Fahrzeug VW Golf GTI in monatlicher Höhe von Fr. 1'087.-- im Zeitraum vom 1. April 1999 bis Februar 2000, ausmachend insgesamt Fr. 11'957.--, nicht mit den Unterhaltsbeiträgen verrechnen darf. Der Titel, auf den er sich in diesem Zusammenhang stützt, ist das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 13. Juli 2001, welches in Dispositiv Ziffer 1.5.a) folgenden Wortlaut hat :
"Soweit die Klägerin (Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren) ab 1. April 1999 den PW Golf GTI 16V Edition zu Lasten des Beklagten (Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren) oder der Firma Z.________ AG kostenfrei zur Verfügung hatte bzw. hat ist der Beklagte berechtigt, von den Unterhaltsbeiträgen gemäss Ziffer 4 hiervor für jeden Monat den Betrag von Fr. 1'087.-- in Abzug zu bringen, jedoch letztmals für den Monat Februar 2000."
3.1 Vor erster Instanz hatte der Beschwerdeführer lediglich ausgeführt, er sei berechtigt, die (von ihm unbestrittenermassen belegten) Leasingraten zu verrechnen, wenn die Beschwerdegegnerin das Fahrzeug PW Golf GTI in diesem Zeitraum auch benutzt habe, was sie getan habe. Der erstinstanzliche Richter führte dazu aus, damit werde die Benutzung durch die Beschwerdegegnerin bloss behauptet und nicht mit Urkunden belegt. Er verwies aber zusätzlich auf das vom Bezirksgericht Baden gefällte und von ihm von Amtes wegen beigezogene Urteil vom 1. Juli 2004, in dem in Ziffer 8.2/c festgehalten werde, dass die Beschwerdegegnerin den VW Golf GTI unbestrittenermassen besitze und fahre. Es sei somit der Nachweis der Benutzung dieses Wagens durch die Beschwerdegegnerin erbracht, womit die Verrechnungsforderung bewiesen sei. Im Verfahren vor Obergericht hat die Beschwerdegegnerin dazu ausgeführt, es möge richtig sein, dass im erwähnten Urteil vom 1. Juli 2004 festgehalten werde, dass sie den VW Golf GTI besitze und fahre. Diesem Urteil könne aber nicht entnommen werden, dass dies auch für die massgebliche Zeit zwischen dem 1. April 1999 und dem 28. Februar 2000 gelte. Der Beschwerdeführer habe mit diesem Entscheid nicht mit Urkunden belegt, dass die Voraussetzungen für die Verrechnung erfüllt seien. Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid dazu ausgeführt, mit dem Urteil vom 1. Juli 2004 sei belegt, dass die Beschwerdegegnerin das Fahrzeug besitze und fahre. Dem Urteil könne aber nicht entnommen werden, ob dies auch für die fragliche Zeit vom 1. April 1999 bis Februar 2000 der Fall gewesen sei. Damit fehle es am Beweis dieser Verrechnungsforderung, so dass sie im vorliegenden definitiven Rechtsöffnungsverfahren nicht zur Verrechnung gebracht werden könne.
3.2 Der Beschwerdeführer rügt diesen Entscheid als willkürlich. Er führt aus, die Beschwerdegegnerin habe im seinerzeitigen Präliminarverfahren II mit Klage vom 15. März 1999 in Ziffer 4 ihrer Klageanträge beantragt, "der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin für die Dauer des Scheidungsverfahrens den VW Golf GTI 16 V zur Benutzung zu überlassen". Im Urteil vom 12. März 2001 habe dann der Präsident II des Bezirksgerichts Baden in Ziffer 5 entschieden, dass dem Beschwerdeführer das Verrechnungsrecht in Höhe der Leasingraten von monatlich Fr. 1'087.-- rückwirkend ab 1. April 1999 zustehe, womit bereits nachgewiesen sei, dass die Beschwerdegegnerin das Fahrzeug ab 1. April 1999 auch effektiv benutzt habe. Dies habe seinerzeit auch ausdrücklich die heutige Beschwerdegegnerin anerkannt, habe sie mit der damaligen Anschlussbeschwerde doch nicht etwa die Aufhebung dieser Urteilsziffer, sondern einzig die Präzisierung beziehungsweise Befristung bis Februar 2000 beantragt. Diesen Antrag habe das Obergericht im Urteil vom 13. Juli 2001 in Ziffer 1.5 lit. a gutgeheissen. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, das Obergericht habe bei seiner willkürlichen Beurteilung auch übersehen, dass ihm dieser Nachweis gar nicht anders möglich sei, als wie erfolgt, sei doch kein Dokument erhältlich zu machen, mit dem belegt werden könnte, dass nicht er, sondern die Beschwerdegegnerin das Fahrzeug benutzt habe. Solche Negativbeweise könnten anders gar nicht erbracht werden.
3.3 Wird die Tilgung der rechtskräftigen Unterhaltsbeiträge auf die Verrechnung mit einer Gegenforderung gestützt, ist es nicht willkürlich, in Übereinstimmung mit der Lehre und der Rechtsprechung zu verlangen, dass die Gegenforderung des Schuldners ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil, eine vollstreckbare Verwaltungsverfügung oder eine vorbehaltlose Schuldanerkennung ausgewiesen ist, die mindestens zur provisorischen Rechtsöffnung berechtigen würde (BGE 115 III 97 E. 4 S. 100 mit Hinweisen; Staehelin, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Hrsg.: Staehelin/ Bauer/Staehelin, SchKG I, N. 10 zu Art. 81 SchKG). Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr eng beschränkt sind: Die Einrede der Verrechnung ist nur dann beachtlich und die definitive Rechtsöffnung darf nur dann verweigert werden, wenn für den Bestand und die Höhe der Gegenforderung völlig eindeutige Urkunden vorliegen, durch die ein strikter Beweis erbracht wird. Dies gilt gerade auch für familienrechtliche Unterhaltsforderungen, die im materiellen Recht und im Vollstreckungsrecht in verschiedener Hinsicht privilegiert sind (BGE 104 Ia 14 E. 2 S. 16; 102 Ia 363 E. 2c S. 367; 51 I 436 E. 2 S. 442; 115 III 97 E. 4 S. 100). Bei Willkürbeschwerden können zudem grundsätzlich keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht worden sind (BGE 128 I 354 E. 6c S. 357; 124 I 208 E. 4b S. 212; 118 III 37 E. 2a S. 39).
3.4 Die vom Beschwerdeführer im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren neu vorgebrachten Argumente könnten in einem ordentlichen Verfahren oder allenfalls in einem neuen Betreibungsverfahren von Bedeutung sein. Im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wegen Verletzung von Art. 9 BV sind sie dagegen - weil verspätet vorgebracht - unbeachtlich. Gestützt auf die Vorbringen, wie sie der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vorgetragen hat und in seiner staatsrechtlichen Beschwerde wiederholt, ist zunächst die Auffassung des Obergerichts nicht willkürlich, das Urteil des Obergerichts vom 13. Juli 2001 knüpfe in Dispositiv Ziffer 1.5.a) die Forderung des Beschwerdeführers über Fr. 11'957.-- an die Bedingung, dass die Beschwerdegegnerin den fraglichen Personenwagen ab 1. April 1999 bis Februar 2000 zur freien Verfügung gehabt habe. Ebenso wenig ist die Schlussfolgerung willkürlich, der Beschwerdeführer habe nicht mit eindeutigen Urkunden den strikten Beweis erbracht, dass die Beschwerdegegnerin den Wagen ab 1. April 1999 bis Februar 2000 zur Verfügung gehabt hat. Tatsächlich kann mit haltbaren Gründen angenommen werden, mit dem Urteil vom 1. Juli 2004 werde lediglich der strikte Beweis erbracht, dass die Beschwerdegegnerin den fraglichen Personenwagen im Zeitraum jenes Urteils besessen und gefahren habe. Dagegen sage das Urteil für die massgebliche Zeit nichts ausdrücklich aus. Bei dieser Sachlage muss die Beschwerde in diesem Punkt abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Beschwerdeführer ist auf das ordentliche Verfahren oder ein neues Betreibungsverfahren zu verweisen.
4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach gutzuheissen, soweit die Verrechenbarkeit der Parteientschädigung von Fr. 2'513.40 betroffen ist. Bei dieser Sachlage muss der angefochtene Entscheid, der der Beschwerdegegnerin definitive Rechtsöffnung für Fr. 15'340.10 erteilt, aufgehoben werden. Dagegen ist die staatsrechtliche Beschwerde bezüglich der Leasingraten unbegründet; sie ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer drei Viertel der bundesgerichtlichen Verfahrenskosten zu übernehmen und der Beschwerdegegnerin eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen. Die Beschwerdegegnerin hat einen Viertel der Verfahrenskosten zu tragen. Das Obergericht wird neu über die Kosten des kantonalen Verfahrens zu entscheiden haben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 9. November 2004 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird zu drei Vierteln (Fr. 1'500.--) dem Beschwerdeführer und zu einem Viertel (Fr. 500.--) der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 500.-- zu entrichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Februar 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: