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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.21/2005/blb
Urteil vom 8. März 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber von Roten.
Parteien
B.________ (Ehemann),
Beklagter und Berufungskläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Rudolf Forrer,
gegen
K.________ (Ehefrau),
Klägerin und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Kühne,
Gegenstand
Abänderung des Scheidungsurteils,
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 2. Dezember 2004.
Sachverhalt:
A.
K.________ (Ehefrau), Jahrgang xxxx, und B.________ (Ehemann), Jahrgang xxxx, heirateten am xxxx. Sie wurden Eltern des Sohnes S.________, geboren am xxxx. Der Bezirksgerichtspräsident Sissach schied die Ehe (Dispositiv-Ziff. 1). Antragsgemäss beliess er den Sohn in der Sorge beider Elternteile (Dispositiv-Ziff. 2), die in Absprache mit ihrem Sohn den persönlichen Kontakt regeln sollten (Dispositiv-Ziff. 3). Er verpflichtete den Kindsvater, einen monatlichen und indexierten Beitrag von Fr. 300.-- - ausmachend die damals bezogene IV-Kinderrente - an den Sohn weiterzuleiten und dessen Prämien für die Krankenkasse, die Unfall- sowie die Haftpflichtversicherung zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 4). Er genehmigte die Vereinbarung der Ehegatten über die Nebenfolgen der Scheidung (Dispositiv-Ziff. 5 des Urteils vom 22. Juni 1999).
B.
Im Sommer 2000 klagte K.________ (Ehefrau) (fortan: Klägerin) auf Abänderung des Scheidungsurteils mit dem Hauptantrag, den ehelichen Sohn unter ihre alleinige elterliche Sorge zu stellen. B.________ (Ehemann) (hiernach: Beklagter) schloss auf Abweisung der Begehren, eventuell sei der Sohn unter seine alleinige elterliche Sorge zu stellen. Beide Parteien ersuchten um Erlass vorsorglicher Massnahmen während des Abänderungsverfahrens.
Eine vorsorgliche Massnahme betraf zunächst das Besuchsrecht des Beklagten und eine therapeutische Behandlung des Kindes (Entscheid vom 6. September 2000). Der Präsident am Bezirksgericht Wil verpflichtete den Beklagten sodann vorsorglich, der Klägerin rückwirkend per 1. August 2000 die monatliche IV-Kinderrente von Fr. 601.-- bis 31. Dezember 2000 und danach von Fr. 616.-- unter Verrechnung der bereits geleisteten Unterhaltszahlungen auszurichten. Er wies die Ausgleichskasse an, ab sofort die Kinderrente direkt der Klägerin auszuzahlen. Die BVG-Kinderrente wurde dem Beklagten belassen (Massnahmenentscheid vom 19. März 2001).
An der Hauptverhandlung im Abänderungsprozess verdeutlichten die Parteien ihre Rechtsbegehren. Das Bezirksgericht Wil änderte die Dispositiv-Ziff. 2-4 des Scheidungsurteils ab und teilte die elterliche Sorge über das Kind der Klägerin zu unter gleichzeitiger Errichtung einer Beistandschaft (Dispositiv-Ziff. 1.2). Es regelte den persönlichen Verkehr zwischen dem Beklagten und seinem Sohn (Dispositiv-Ziff. 1.3) und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin die IV-Kinderrente von monatlich Fr. 616.-- sowie die BVG-Kinderrente von monatlich Fr. 483.25 zu bezahlen verbunden mit der Anweisung an die Träger der Versicherungsleistungen, die Kinderrenten direkt der Klägerin auszuzahlen (Dispositiv-Ziff. 1.4 des Entscheids vom 12. Februar 2002). Erfolglos blieb damit das Rechtsbegehren-Ziff. 2 des Beklagten, den Massnahmenentscheid vom 19. März 2001 aufzuheben und die IV-Kinderrente für den Sohn von Fr. 616.-- rückwirkend ab 1. Juli 2001 dem Beklagten zu belassen, der Ausgleichskasse die Anweisung zu erteilen, die monatliche Kinderrente direkt dem Beklagten auszuzahlen, und die Klägerin zu verpflichten, die vom Bankkonto des Sohnes bezogenen Fr. 1'640.-- zurückzuerstatten.
C.
Gegen den bezirksgerichtlichen Entscheid legte der Beklagte beim Kantonsgericht St. Gallen Berufung ein mit dem Hauptantrag, den ehelichen Sohn unter seine alleinige elterliche Sorge zu stellen. Der Beklagte erneuerte ferner seine vor Bezirksgericht gestellten Eventualbegehren in der Sache sowie das Rechtsbegehren-Ziff. 2 auf Abänderung des Massnahmenentscheids vom 19. März 2001 (neu: Ziff. 3). Während des Berufungsverfahrens mussten superprovisorisch vorsorgliche Massnahmen betreffend Obhut, Besuchsrecht und Beistandschaft getroffen werden.
Mit Verfügung vom 2. Dezember 2004 stellte der Präsident der II. Zivilkammer das Kind in die Obhut des Beklagten (Dispositiv-Ziff. 1). Die IV-Kinderrente wurde ab sofort wieder dem Beklagten zuerkannt (Dispositiv-Ziff. 2) und die Schuldneranweisung an dessen Ausgleichskasse aufgehoben (Dispositiv-Ziff. 3), das Gesuch um rückwirkende Abänderung der vorsorglichen Massnahmen hingegen abgewiesen (Dispositiv-Ziff. 4 der vorsorglichen Verfügung).
In der Sache hob die II. Zivilkammer des Kantonsgerichts gleichentags die Dispositiv-Ziff. 2-4 des Scheidungsurteils auf (Dispositiv-Ziff. 1) und stellte das Kind in die alleinige elterliche Sorge des Beklagten (Dispositiv-Ziff. 2) unter Beibehaltung der Beistandschaft (Dispositiv-Ziff. 3). Es regelte den persönlichen Verkehr zwischen der Klägerin und ihrem Sohn (Dispositiv-Ziff. 4) und wies den Antrag des Beklagten auf Rückerstattung von Kindesvermögen ab (Dispositiv-Ziff. 5 des Entscheids vom 2. Dezember 2004).
D.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt der Beklagte zur Hauptsache, ihm die IV-Kinderrente für seinen Sohn nicht nur für die Zukunft, sondern rückwirkend per 1. Juli 2001, mit Ausnahme der Zeitspanne von Juni 2002 bis März 2003, zu belassen. Es seien zu diesem Zweck einerseits Ziff. 4 der vorsorglichen Verfügung vom 2. Dezember 2004 aufzuheben und Ziff. 2 derselben Verfügung entsprechend abzuändern und andererseits Ziff. 1 des Entscheids vom 2. Dezember 2004 aufzuheben und Ziff. 4 des Scheidungsurteils entsprechend abzuändern. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beklagte um unentgeltliche Rechtspflege. Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen die vorsorgliche Verfügung des Zivilkammerpräsidenten ist die Berufung nach ständiger Rechtsprechung unzulässig. Ein Massnahmenentscheid, der begriffsnotwendig die Verhältnisse nur für die Dauer des Verfahrens regelt, gilt nicht als Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG (BGE 126 III 261 E. 1 S. 263). Die angefochtene Verfügung beendet zwar das Massnahmenverfahren. Im Gegensatz zum Endentscheid gemäss Art. 86 f. OG (BGE 100 Ia 12 E. 1 S. 14) wird darin jedoch weder der streitige Abänderungsanspruch materiell beurteilt noch dessen Beurteilung aus einem Grund abgelehnt, der endgültig verbietet, dass der gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht wird (vgl. BGE 128 III 250 E. 1b S. 252). Soweit sie sich gegen die vorsorgliche Verfügung richtet, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden. Daran ändert nichts, dass das Massnahmengesuch hier im Endentscheid über die Abänderungsklage mitbeurteilt worden ist (BGE 41 II 323 E. 1 S. 329 und die seitherige Rechtsprechung; Leuch, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3.A. Bern 1956, N. 4 zu [a]Art. 299 ZPO mit Hinweisen).
2.
Im Grundsatz zulässig ist die Berufung hingegen, soweit sie sich gegen den kantonsgerichtlichen Abänderungsentscheid in der Sache richtet. Strittig ist vor Bundesgericht nur mehr der Kindesunterhaltsbeitrag. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit, wobei die gesetzliche Berufungssumme überschritten wird (Art. 46 OG; BGE 116 II 493 E. 2b S. 495).
Gegenüber dem kantonsgerichtlichen Sachentscheid beantragt der Beklagte, das Scheidungsurteil abzuändern und ihm die IV-Kinderrente für seinen Sohn rückwirkend per 1. Juli 2001, mit Ausnahme der Zeitspanne von Juni 2002 bis März 2003, zu belassen. Einen derartigen materiellen Abänderungsantrag hat das Kantonsgericht nicht beurteilt und - wie sich aus der ausführlichen Darstellung des Verfahrens ergibt (Bst. A bis C hiervor) - der Beklagte bisher offenkundig nie gestellt. Er hat dieses Begehren stets auf den Massnahmenentscheid des Bezirksgerichtspräsidenten vom 19. März 2001 und nicht auf das Scheidungsurteil vom 22. Juni 1999 bezogen. In diesem Sinn hat das Kantonsgericht den Antrag auch ausgelegt (E. I Abs. 3 S. 2). Dass er mit seinem Begehren in Verletzung von Bundesrecht (Art. 43 OG) missverstanden worden wäre, macht der Beklagte heute nicht geltend (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). In Begründung seiner Berufungsschrift räumt er gegenteils ein, dass Grundlage für die Ausrichtung der IV-Kinderrente im fraglichen Zeitraum an die Klägerin der Massnahmenentscheid vom 19. März 2001 gebildet habe (Ziff. 5 S. 4) und dass das Kantonsgericht (recte: der Zivilkammerpräsident) die rückwirkende Abänderung dieses Massnahmenentscheids zu Unrecht abgelehnt habe (Ziff. 6 S. 9 und Ziff. 5-8 S. 12 ff. in Auseinandersetzung mit der E. III S. 7 f. betreffend Abänderung des Massnahmenentscheids). Die Anträge und deren Begründung im kantonalen Verfahren belegen die geschilderte Verfahrenslage (B 1: Berufung des Beklagten vom 17. Mai 2002, S. 2 und S. 16 Ziff. 3; B 149: Schlussanträge des Beklagten vom 20. Oktober 2004, S. 1 f. und S. 3 Ziff. 3, erstes Lemma).
Erstmals vor Bundesgericht gestellt, erweist sich der Berufungsantrag als unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. b OG; z.B. BGE 128 III 163 E. 3d S. 169; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).
3.
Aus den dargelegten Gründen kann auf die Berufung insgesamt nicht eingetreten werden. Ihre Entgegennahme als staatsrechtliche Beschwerde fällt ausser Betracht. Zum einen hat der Beklagte bereits vor Kantonsgericht durch seinen heutigen Rechtsvertreter gehandelt, der ausdrücklich "Berufung" an das Bundesgericht erklärt hat und bei seiner Wahl des Rechtsmittels zu behaften ist (BGE 120 II 270 E. 2 S. 272). Zum anderen fiele einzig eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) in Betracht, so dass die Eingabe des Beklagten, die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten müsste, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Diesen Anforderungen genügt die Berufungsschrift des Beklagten nicht, namentlich fehlt die Bezeichnung des verletzten Verfassungsrechts (BGE 128 III 76 E. 1d S. 81 f.; vgl. BGE 129 IV 276 E. 1.1.4 S. 279; 129 III 107 E. 1.1.2 S. 110). Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Begehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG), auf die Erhebung von Gerichtskosten aber unter den Umständen des vorliegenden Falls ausnahmsweise verzichtet werden (gegenüber dieser Praxis in Härtefällen kritisch: Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédéral d'organisation judiciaire, V, Bern 1992, N. 2 Art. 156 OG; seither, z.B. Urteile 5C.266/2001 vom 22. November 2001, E. 4, 5C.65/1998 vom 11. März 1999, E. 3, und 5C.196/1996 vom 13. Januar 1997, E. 5).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch des Beklagten um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. März 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: