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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 756/04
Urteil vom 14. März 2005
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Polla
Parteien
G.________, 1942, Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 4, 9102 Herisau, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen
(Entscheid vom 18. August 2004)
Sachverhalt:
A.
Der 1942 geborene, angelernte Elektromonteur G.________ meldete sich erstmals im Juli 1988 unter Hinweis auf beidseitige Hüftbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Der Hausarzt Dr. med. B.________ diagnostizierte am 27. Juli 1988 eine beginnende beidseitige Coxarthrose. Nach Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten wurde der Versicherte erfolgreich mit einem rentenausschliessenden Erwerbseinkommen im Bereich Steuer- und Regeltechnik umgeschult, weshalb die Ausgleichskasse des Kantons Appenzell Ausserrhoden den Fall am 7. August 1989 abschloss. Nach erneuter Anmeldung am 7. Mai 2002 ersuchte G.________ um Ausrichtung einer Rente der Invalidenversicherung. Dieses Leistungsbegehren lehnte die IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden nach Anordnung einer medizinischen Abklärung in der Klinik für Orthopädische Chirurgie am Spital X.________ mit Verfügung vom 4. August 2003 ab, woran sie auf Einsprache hin festhielt (Einspracheentscheid vom 24. Februar 2004).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 18. August 2004 ab.
C.
G.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, bei einem Invaliditätsgrad von 60 % bis 70 % Rentenleistungen der Invalidenversicherung zu gewähren.
Während die IV-Stelle Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Am 26. Januar 2005 reichte G.________ ein Schreiben des Dr. med. B.________ vom 22. Januar 2005 nach.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Da keine laufenden Leistungen im Sinne der übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), sondern Dauerleistungen im Streit stehen, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt worden ist, finden, den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend, für die Zeit bis 31. Dezember 2002 die bisherigen Bestimmungen und ab diesem Zeitpunkt die neuen Normen des ATSG und dessen Ausführungsverordnungen Anwendung (BGE 130 V 445 Erw. 1 mit Hinweis). Somit sind auch die per 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) sowie die damit einhergehenden Anpassungen des ATSG anwendbar.
1.2 Bei den in Art. 3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen handelt es sich in aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG. Damit hat sich inhaltlich, namentlich in Bezug auf die Bestimmungen zur Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7) und Invalidität (Art. 8), keine Änderung ergeben. Die dazu entwickelte Rechtsprechung kann folglich übernommen und weitergeführt werden (BGE 130 V 345 ff. Erw. 3.1, 3.2 und 3.3). Auch Art. 16 ATSG bewirkt, wie in Erw. 3.4 des erwähnten Urteils dargelegt wird, keine Modifizierung der bisherigen Judikatur zur Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten, welche weiterhin nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b).
1.3 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen sowie in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 Abs. 2 IVG; vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 Satz 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG). Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente, wobei insbesondere die Frage der noch verbliebenen Arbeitsfähigkeit im Streite steht.
2.1 Die Vorinstanz würdigte das Gutachten des Dr. med. R.________, Oberarzt an der Klinik für orthopädische Chirurgie am Spital X.________ (vom 11. Dezember 2002) als voll beweiskräftig. Sie ging gestützt auf die gutachterliche Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit davon aus, bedingt durch die beidseitige beginnende Coxarthrose und dem Verdacht auf eine mediale Meniskusläsion bei medialbetonter Chondromalazie am rechten Kniegelenk, bestünde hinsichtlich körperlich wenig belastenden (sitzenden) Tätigkeiten eine volle Arbeitsfähigkeit. Die ausgeübte Tätigkeit als Tableaubauer sei im bisherigen Umfang von 60 % bis 70 % zumutbar, wobei die vor der Umschulung ausgeübte Tätigkeit als Elektromonteur nicht mehr ausübbar sei.
2.2 Der Versicherte wendet ein, es sei nicht berücksichtigt worden, dass bereits im Jahre 1989 eine beginnende Coxarthrose vorhanden gewesen sei, welche sich nun, mithin 15 Jahre später, schleichend verschlechtert habe, sodass die Ermittlung eines Invaliditätsgrades von lediglich 21 % absurd sei. Ihm ist entgegenzuhalten, dass Dr. med. R.________ im Gutachten unter der Rubrik "Berufliches und Soziales" ausdrücklich erwähnte, dass eine beginnende Coxarthrose medizinische Grundlage der Umschulungsmassnahmen im Rahmen des ersten IV-Verfahrens bildete. Die Expertise beruht sodann auf allseitige Untersuchungen, berücksichtigt die geklagten Beschwerden, ist in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden und trägt somit dem Anliegen der Verwaltung um einlässliche und allseitige Prüfung der Arbeitsfähigkeit exakt Rechnung. Ärztliche Berichte, welche den Beweiswert der gutachterlichen Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit zu erschüttern vermöchten, liegen zudem keine vor. Daran vermag auch das letztinstanzlich - erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist (Art. 106 Abs. 1 OG) und nicht im Rahmen eines zweiten Rechtsschriftenwechsels - eingereichte Schreiben des Dr. med. B.________ nichts zu ändern. Dieses ist rechtsprechungsgemäss nicht zu beachten, da es keine revisionsrechtlich relevanten neuen Tatsachen enthält (BGE 127 V 353), wobei sich der Hausarzt nicht über die Arbeitsfähigkeit des Versicherten äussert, sondern lediglich auf die arbeitsmarktliche Schwierigkeit der Verwertung einer medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit hinweist, sodass ihm ohnehin keine entscheidwesentliche Bedeutung beizumessen wäre.
3.
3.1 Das kantonale Gericht bestätigte sodann die von der IV-Stelle unter Beizug statistischer Werte der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) für das Jahr 2000 ermittelten Validen- und Invalideneinkommen, wobei selbst unter Berücksichtigung eines Abzugs vom Tabellenlohn in der Höhe von maximal 25 % (beim hypothetischen Vergleichseinkommen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung [Invalideneinkommen]; BGE 126 V 79 f. Erw. 5) resultiere bei einem Validenlohn von Fr. 59'586.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 46'920.- ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 34,4 %.
3.2
3.2.1 Die Invaliditätsbemessung hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen (Validen- und Invalideneinkommen) ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Die daraus sich ergebende Erwerbseinbusse bezogen auf das Einkommen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, ausgedrückt in Prozenten, entspricht dem Invaliditätsgrad (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b). Für den Einkommensvergleich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des (frühestmöglichen) Beginns des Rentenanspruchs massgebend. Dabei sind Validen- und Invalideneinkommen auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln. Allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Einspracheentscheid sind zu berücksichtigen (BGE 129 V 222 und 128 V 174).
3.2.2 Der Gesundheitszustand des Versicherten hat sich, ausweislich der ärztlichen Unterlagen (Gutachten des Dr. med. R.________ vom 11. Dezember 2002) und den Angaben der Arbeitgeberin vom 29. Mai 2002, bei welcher der Versicherte mit einem Pensum von 60 % bis 70 % tätig ist, seit Mai 2000 soweit verschlechtert, dass er seither in erheblichem Ausmass in seiner Arbeitsfähigkeit als Schaltanlagenbauer eingeschränkt ist. Mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer die angestammte, über Jahre hinweg als Elekromonteur ausgeübte Tätigkeit 1989 leidensbedingt aufgeben musste, ist nach Lage der Akten zu schliessen, dass im Mai 2000 die einjährige Wartezeit bereits abgelaufen war. Der Rentenbeginn ist demnach nach revisionsrechtlichen Kriterien in Anwendung von Art. 88a Abs. 2 IVV drei Monate nach Beginn der Verschlechterung, somit auf den 1. August 2000 festzusetzen, weshalb grundsätzlich die damaligen Verhältnisse relevant sind. Da keine Hinweise für eine erhebliche Veränderung der Vergleichseinkommen bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 24. Februar 2004 ersichtlich sind, erübrigt sich die Vornahme eines weiteren Einkommensvergleichs.
3.3
3.3.1 Sowohl Art. 16 ATSG, wie auch der bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesene Art. 28 Abs. 2 IVG, nennen als Vergleichsgrundlage zum Einkommen nach Eintritt der Invalidität dasjenige, das der Versicherte erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre und nicht dasjenige, welches er nach einer erfolgreichen Umschulung verdienen könnte. Aufgrund seiner ausbildungsmässigen und persönlichen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass der Versicherte ohne Behinderung weiterhin ganztags im angelernten Beruf als Elektromonteur tätig wäre, welchen er letztmals 1987 vollzeitlich ausübte, wobei nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass er noch bei der E.________ AG arbeiten würde. Diese Stelle nahm er 1983 an, wobei vor der Umschulung 1989 bereits insofern auf die Behinderung Rücksicht genommen wurde, als der Beschwerdeführer nicht mehr nur auf dem Bau, sondern auch im Lager tätig war. Da somit keine aussagekräftigen, konkreten Anhaltspunkte für die Einkommensermittlung vorliegen, ist mit Vorinstanz und Verwaltung auf die Erfahrungs- und Durchschnittswerte der bundesamtlichen Lohnstrukturerhebung abzustellen.
3.3.2 Gestützt auf den monatlichen Bruttolohn von Arbeitnehmern im Baugewerbe im Anforderungsniveau 3 (Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt) von Fr. 5065.- (LSE 2000, S. 31, Tabelle TA1) ergibt sich, umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit im Baugewerbe im Jahre 2000 von 42,1 Stunden (Die Volkswirtschaft 1/2003, S. 94 Tabelle B 9.2), ein mögliches Valideneinkommen von Fr. 63'971.- (Fr. 5'065.- x 12 : 40 x 42,1).
3.3.3 Der Versicherte ist in Bezug auf eine körperlich wenig belastende (teilweise sitzende) Tätigkeit voll einsatzfähig. Da er über keine abgeschlossene Lehre verfügt und in der Regel- und Steuerungstechnik ebenfalls lediglich eingearbeitet wurde, rechtfertigt es sich, für die Ermittlung des Invalideneinkommens vom monatlichen Bruttolohn (Zentralwert) für Männer im gesamten privaten Sektor im Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) von Fr. 4437.- auszugehen. Denn dem Beschwerdeführer steht grundsätzlich der gesamte ausgeglichene Arbeitsmarkt offen, welcher genügend Stellen mit leichteren, wechselbelastenden Tätigkeiten bietet, die trotz seiner Behinderungen noch ausgeübt werden könnten (zum Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes: BGE 110 V 276 Erw. 4b; AHI 1998 S. 291 Erw. 3b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b). Hieraus resultiert, bei einer betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von total 41,8 Stunden, ein hypothetisches Jahreseinkommen von Fr. 55'640.-. Weil der Versicherte auch im Rahmen einer leichteren Tätigkeit eingeschränkt ist und im hier relevanten Zeitpunkt des Rentenbeginns im Sommer 2000 bereits 58 Jahre alt war, ist der von der Verwaltung vorgenommene leidensbedingte Abzug von 10 % nicht zu beanstanden. Das Invalideneinkommen beträgt damit Fr. 50'076.- (Fr. 4437.- x 12 : 40 x 41,8 x 0,9). In Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 22 % (zur Rundung: BGE 130 V 121), weshalb der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis zu bestätigen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, der Ausgleichskasse SPIDA und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 14. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: