BGer C 234/2004
 
BGer C 234/2004 vom 21.03.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 234/04
Urteil vom 21. März 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Lanz
Parteien
Arbeitsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 17b, 9100 Herisau, Beschwerdeführer,
gegen
G.________, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen
(Entscheid vom 18. Oktober 2004)
Sachverhalt:
A.
Der 1963 geborene G.________ war ab 1. April 2003 als Filialleiter bei der M.________ AG, St. Gallen, tätig. Er kündigte das Arbeitsverhältnis im Dezember 2003 unter Wahrung der vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten auf Ende Juni 2004 und meldete sich am 29. Juni 2004 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 26. Juli 2004 stellte ihn das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Appenzell Ausserrhoden (RAV) wegen ungenügenden Arbeitsbemühungen vor der Arbeitslosigkeit für die Dauer von acht Tagen ab 1. Juli 2004 in der Anspruchsberechtigung ein. Daran wurde auf Einsprache hin festgehalten (Einspracheentscheid vom 9. August 2004).
B.
Die von G.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache zu weiterer Abklärung und allfälligem Erlass einer neuen Verfügung an das RAV zurückwies (Entscheid vom 18. Oktober 2004).
C.
Das Arbeitsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
G.________ und Vorinstanz schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).
1.2 Entsprechend dem Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen beschränkt sich das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht darauf, den Streitgegenstand bloss im Hinblick auf die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen zu überprüfen. Es kann eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutheissen oder abweisen aus anderen Gründen als vom Beschwerdeführer vorgetragen oder von der Vorinstanz erwogen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit Art. 132 OG, BGE 124 V 340 f. Erw. 1b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen).
2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Gesetzesbestimmung (Art. 17 Abs. 1 AVIG) und die Rechtsprechung über die - Teil der Schadenminderungspflicht bildende und bereits vor Beendigung der bisherigen Erwerbstätigkeit und vor der Meldung beim Arbeitsamt zu beachtende (ARV 1993/94 Nr. 26 S. 184 Erw. 2b, 1982 Nr. 4 S. 40 Erw. 2b; vgl. auch ARV 2003 Nr. 10 S. 119 Erw. 1) - Pflicht des Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchenden Versicherten, sich in qualitativ und quantitativ genügender Weise (BGE 124 V 231 Erw. 4a mit Hinweis; SVR 2004 ALV Nr. 18 S. 59 [in BGE 130 V 385 nicht publizierte] Erw. 4.1) um eine neue Stelle zu bemühen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen, zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Erwägungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei ungenügenden Arbeitsbemühungen (Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG) und die vom Verschuldensgrad abhängige Dauer der Sanktion (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 AVIV). Darauf wird verwiesen.
3.
Der Beschwerdegegner hat im Verwaltungsverfahren für die Monate Januar bis Juni 2004 gesamthaft 14 und für den Kündigungsmonat Dezember 2003 weitere 3 Arbeitsbemühungen angegeben. Alleine damit hätte er der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht jedenfalls quantitativ nicht Genüge getan, was auch von keiner Seite in Abrede gestellt wird.
Die Verwaltung nahm diesen Sachverhalt zum Anlass, den Beschwerdegegner in der Anspruchsberechtigung einzustellen. Das kantonale Gericht hat den darüber ergangenen Einspracheentscheid aufgehoben und die Sache an das RAV zurückgewiesen mit der Begründung, es bestehe noch ein Abklärungsbedarf über zusätzliche vom Versicherten geltend gemachte Arbeitsbemühungen. Hiegegen opponiert das Verwaltungsgerichtsbeschwerde führende kantonale Arbeitsamt, wobei es vorbringt, die Bemühungen um Arbeit reichten selbst bei Anrechnung der zusätzlich behaupteten nicht aus, da sie gesamthaft gesehen qualitativ ungenügend seien.
4.
Nach gesetzlicher Vorschrift muss der Versicherte seine Bemühungen nachweisen können (Art. 17 Abs. 1 letzter Satz AVIG; vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. d und Art. 26 Abs. 2bis AVIV). Diesen Nachweis benötigt die Verwaltung unter anderem, um beurteilen zu können, ob die Arbeitsbemühungen genügend sind (Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 23 f. zu Art. 17; vgl. auch Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 700 mit Hinweisen).
4.1 Im vorliegenden Fall hat der Versicherte der Verwaltung im Juli 2004 auf dem Formular "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" die besagten 17 Bemühungen aufgelistet. Das RAV hat daraufhin mit Schreiben vom 19. Juli 2004 die Arbeitsbemühungen als ungenügend bezeichnet und den Beschwerdegegner aufgefordert, innert fünf Tagen weitere Bemühungen nachzuweisen oder deren Fehlen schriftlich zu begründen.
In seinem Antwortschreiben vom 20. Juli 2004 verwies der Versicherte auf Gesichtspunkte (überdurchschnittlicher Arbeitsanfall an der bisherigen Stelle im Monat Mai; keine "wirklich tollen Stellen im Internet und in den Inseraten" in den Monaten Juni und Juli), welche die gesamthaft geringe Zahl der nachwiesenen Arbeitsbemühungen zweifellos nicht zu rechtfertigen vermöchten. Konkrete zusätzliche Bemühungen wurden nicht aufgeführt.
Auch in der am 29. Juli 2004 erhobenen Einsprache gegen die Einstellungsverfügung vom 26. Juli 2004 machte der Beschwerdegegner lediglich geltend, er habe überall, in fast jedem Gespräch mit Lieferanten, alten Geschäfts- und Schulkollegen nach einer Chance für einen Auftrag oder eine Anstellung gefragt. Er habe diese Kontakte nicht gezählt und und könne daher nur schätzen, dass es sicher 30 - 40 Gespräche gewesen seien. Im kantonalen Verfahren wiederholte der Versicherte den Hinweis auf erfolgte Gespräche mit früheren Arbeitgebern, Lieferanten und ehemaligen Schulkollegen. Konkretere Angaben machte er erneut nicht. Vielmehr beschränkte er sich auf den Hinweis, er habe über die mündlichen Bemühungen keine Liste geführt. Über die geführten Gespräche könnten aber Informationen eingeholt werden; es gebe Zeugen dafür.
4.2 Ob trotz vorgängiger behördlicher Aufforderung erst einsprache- oder beschwerdeweise gemachte Angaben zu erfolgten Arbeitsbemühungen überhaupt berücksichtigt werden dürften, muss nicht näher geprüft werden. Denn der Versicherte hat es nach dem Gesagten auch noch im Einsprache- und im kantonalen Verfahren bei vagen und in dieser Form nicht überprüfbaren Hinweisen auf stattgefundene Kontakte mit möglichen Arbeitgebern bewenden lassen. Damit ist er seiner gesetzlichen Obliegenheit, die geltend gemachten Bemühungen um eine neue Stelle nachzuweisen, nicht nachgekommen und hat die Folgen zu tragen (vgl. auch Art. 43 Abs. 3 ATSG). Wollte man unter diesen Umständen von der Verwaltung verlangen, dem Leistungsansprecher nochmals die Gelegenheit zur Auflistung stattgefundener Bemühungen in nachprüfbarer Form einzuräumen, wie dies das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid getan hat, hiesse das auch den von den Behörden zu beachtenden Untersuchungsgrundsatz überstrapazieren.
4.3 Offen bleiben kann im Weiteren, ob anders zu entscheiden wäre, falls die fehlende Nachweisbarkeit zusätzlicher Bemühungen auf ungenügenden oder falschen Auskünften der Verwaltung beruhte. Denn ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Der Beschwerdegegner hat erstmals im April 2004 den Kontakt mit den zuständigen Behörden gesucht. Gemäss seiner eigenen Darstellung in der Einspracheschrift vom 29. Juli 2004 wurde er beim daraus entstandenen Gespräch von einem Sachbearbeiter sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er seine Arbeitsbemühungen aufzulisten habe. Wenn der Versicherte unzutreffenderweise davon ausging, dies gelte nur für wahrscheinlich erfolgreiche schriftliche Bewerbungen, lassen sich hiefür nicht mangelhafte behördliche Informationen verantwortlich machen.
5.
Es bleibt somit bei den nachgewiesenen und wie dargelegt ungenügenden Arbeitsbemühungen, weshalb eine Einstellung zu erfolgen hat. Mit der im mittleren Bereich des leichten Verschuldens liegenden Einstellungsdauer von acht Tagen trug die Verwaltung dem Fehlverhalten des Versicherten angemessen Rechnung. Ein Grund für eine abweichende gerichtliche Ermessensausübung (hiezu BGE 126 V 362 Erw. 5d) kann auch nicht im Umstand gesehen werden, dass der Beschwerdegegner seiner Darstellung im kantonalen Verfahren zufolge mit einer weiteren - unangefochtenen - Verwaltungsverfügung auch wegen durch die Selbstkündigung verschuldeter Arbeitslosigkeit in der Anspruchsberechtigung eingestellt wurde. Der Einspracheentscheid vom 9. August 2004 ist somit in allen Teilen rechtens, was zur Aufhebung des kantonalen Entscheides führt.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 18. Oktober 2004 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 21. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: