BGer C 38/2005
 
BGer C 38/2005 vom 07.04.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 38/05
Urteil vom 7. April 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Jancar
Parteien
U.________, 1965, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Felicitas Huggenberger, Strassburgstrasse 11, 8021 Zürich,
gegen
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Brunngasse 6, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 6. Dezember 2004)
Sachverhalt:
A.
Der 1965 geborene U.________ arbeitete seit 15. April 2002 als Maurer bei der Firma X.________ GmbH. Am 30. September 2002 kündigte diese das Arbeitsverhältnis per 31. Oktober 2002. Der Lohn wurde dem Versicherten bis Ende September 2002 entrichtet. Vom 7. Oktober 2002 bis 28. Februar 2003 war er krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Am 9. September 2003 wurde über die Firma X.________ GmbH der Konkurs eröffnet. Am 30. September 2003 stellte der Versicherte Antrag auf Insolvenzentschädigung. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2003 verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich (nachfolgend Kasse) einen solchen Anspruch. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 17. Dezember 2003 ab. Zur Begründung führte sie aus, keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe eine versicherte Person, die trotz Krankheit keine Krankentaggelder beziehen könne, weil der Arbeitgeber sie pflichtwidrig nicht versichert habe. Der Arbeitnehmer habe diesfalls eine Schadenersatzforderung gegenüber dem Arbeitgeber.
B.
Hiegegen reichte der Versicherte am 2. Februar 2004 beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde ein und stellte den Antrag, in Aufhebung des Einspracheentscheides sei ihm eine Insolvenzentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober bis 25. Oktober 2002 in Höhe von Fr. 4552.50 auszurichten. Die Kasse verlangte am 4. März 2004 Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 18. November 2004 ersuchte das kantonale Gericht die Kasse, dazu Stellung zu nehmen, weshalb die Weisung des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) AM/ALV-Praxis 2004/1 Blatt 12/1-2 nicht angewendet worden sei bzw. zu erklären, ob sie unter diesen Umständen die Beschwerdegutheissung beantrage. Die Kasse schloss in ihrer Stellungnahme vom 29. November 2004 auf Beschwerdegutheissung und führte weiter aus, die in dieser seco-Weisung enthaltene Praxisänderung datiere vom 15. März 2004. Ihre vorherige Verneinung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung sei demnach korrekt gewesen, weshalb ihr keine Parteientschädigung auferlegt werden dürfe. Mit Entscheid vom 6. Dezember 2004 hiess das kantonale Gericht die Beschwerde gut, indem es den Einspracheentscheid vom 17. Dezember 2003 aufhob und feststellte, der Versicherte habe Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Dispositiv Ziff. 1); den Anspruch auf Parteientschädigung verneinte es (Dispositiv Ziff. 3).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert der Versicherte den vorinstanzlich gestellten Antrag. Weiter verlangt er die Ausrichtung einer Parteientschädigung für das kantonale Verfahren.
Die Kasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das seco auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat in Gutheissung der Beschwerde den Einspracheentscheid vom 17. Dezember 2003 aufgehoben und festgestellt, dass der Versicherte Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe (Dispositiv Ziff. 1). In der Entscheidbegründung legte sie dar, die Kasse werde die Entschädigung in masslicher Hinsicht noch festzulegen haben.
Unter diesen Umständen besteht kein Rechtsschutzinteresse (BGE 127 V 82 Erw. 3a/aa mit Hinweisen) des Versicherten an der Beurteilung seines Antrags, es sei ihm eine Insolvenzentschädigung zuzusprechen, zumal aus der Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hervorgeht, dass einzig die Nichtzusprechung einer Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren beanstandet wird. Insoweit ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht dem Beschwerdeführer für das erstinstanzliche Verfahren zu Recht keine Parteientschädigung zugesprochen hat.
2.1 Vor In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 am 1. Januar 2003 war der Anspruch auf Parteientschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung, ebenso wie im Bereich der beruflichen Vorsorge, nicht bundes-, sondern kantonalrechtlich geregelt (bis 31. Dezember 2002 in Kraft gewesener Art. 103 Abs. 6 AVIG). Nach früherer Rechtsprechung trat das Eidgenössische Versicherungsgericht daher auf Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen einen aus diesen Sozialversicherungszweigen stammenden kantonalen Parteikostenentscheid mangels bundesrechtlicher Anspruchsgrundlage nicht ein (BGE 112 V 111 ff.; ARV 1990 Nr. 11 S. 63). In BGE 126 V 143 ist das Gericht von dieser Praxis abgerückt und hat neu - zwecks Wahrung des Sachzusammenhangs und der Einheit des Prozesses auf dem Gebiete der Sozialversicherung - seine sachliche Zuständigkeit zur Überprüfung auch rein kantonalrechtlich begründeter Prozess(kosten)entscheide bejaht (BGE 126 V 143, insbesondere. 147 ff. Erw. 2b). Mit In-Kraft-Treten des ATSG ist diese Rechtsprechung für das Arbeitslosenversicherungsrecht - soweit ein angefochtener Entscheid zum Anspruch auf Parteientschädigung im kantonalen Verfahren nach dem 31. Dezember 2002 ergangen ist (BGE 129 V 113) - nur noch von beschränkter Tragweite, wie sich aus nachstehender Erwägung ergibt (SVR 2004 ALV Nr. 8 S. 21 Erw. 1.1).
2.2 Neu verankert Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG für sämtliche von diesem Gesetz erfassten Regelungsgebiete, einschliesslich die Arbeitslosenversicherung (Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 AVIG in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung), einen Anspruch der obsiegenden Beschwerde führenden Person auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Nach der Rechtsprechung ist diese geänderte prozessrechtliche Norm des Bundesrechts - im Unterschied zu den mit dem ATSG geänderten materiellrechtlichen Vorschriften - ab dem Tag von deren In-Kraft-Treten am 1. Januar 2003 sofort anwendbar geworden; vorbehalten bleiben anders lautende Übergangsbestimmungen (BGE 129 V 115 Erw. 2.2, 117 V 93 Erw. 6b, 112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b; Urteil E. vom 20. März 2003 [I 238/02] Erw. 1.2). Von den im ATSG enthaltenen Übergangsregelungen ist allein Art. 82 Abs. 2 ATSG verfahrensrechtlicher Natur. Danach haben die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von fünf Jahren nach seinem In-Kraft-Treten anzupassen; bis dahin gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften (SVR 2004 ALV Nr. 8 S. 22 Erw. 1.2).
Gemäss § 34 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 7. März 1993 (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden, hier anwendbaren Fassung) haben die Parteien auf Antrag nach Massgabe ihres Obsiegens Anspruch auf den vom Gericht festzusetzenden Ersatz der Parteikosten. Dieser wird ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
Materiell-rechtlich genügt die kantonale Regelung damit den bundesrechtlichen Vorgaben des Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG. Hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs der obsiegenden Partei auf Parteientschädigung (auch) im Arbeitslosenversicherungsprozess ist der zürcherische Gesetzgeber mithin zu keiner Anpassung des Verwaltungsrechtspflegegesetzes innert fünf Jahren gehalten, womit der übergangsrechtliche Art. 82 Abs. 2 ATSG hier - wovon im vorliegenden Fall auch die Vorinstanz ausgegangen ist - keine eigenständige Rechtswirkung entfaltet, die der sofortigen Anwendbarkeit des Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG entgegenstünde. Der angefochtene Entscheid vom 6. Dezember 2004 beruht damit, soweit den hier strittigen Anspruch auf Parteientschädigung betreffend, auf öffentlichem Recht des Bundes, weshalb auf die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar gestützt auf Art. 128 und 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG einzutreten ist (vgl. auch SVR 2004 ALV Nr. 8 S. 22 Erw. 1.2).
3.
Da es sich beim angefochtenen Entscheid nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Die Auslegung und Anwendung des hier massgebenden Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG betreffend den Anspruch der obsiegenden Partei auf eine Parteientschädigung prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht als Frage des Bundesrechts (vgl. Erw. 2.2 hievor) frei (SVR 2004 ALV Nr. 8 S. 22 Erw. 2).
4.
Die Vorinstanz hat erwogen, die Parteikostenentschädigung richte sich nicht danach, ob der Verwaltung in irgendeiner Weise ein Fehlverhalten vorzuwerfen sei oder nicht. Der Kostenersatz zu Gunsten der obsiegenden Partei solle ihren Aufwand ganz oder teilweise abgelten und habe, auch wenn er im Ergebnis zu Lasten der Verwaltung gehe, keinen sanktionierenden oder pönalen Charakter. Unbehelflich sei daher das Argument der Kasse, sie habe sich korrekt verhalten, weil die Praxisänderung des seco erst nach ihrem Entscheid erfolgt sei. Zulässig sei es allerdings, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Obsiegen materiell einzig auf vom Gericht aufgeworfenen Gesichtspunkten beruhe und lediglich die Erhebung der Beschwerde, in keiner Weise jedoch deren Begründung, zum Erfolg geführt habe. Die Erhebung der Beschwerde könne als solche nicht als namhafter Erfolg eingestuft werden, weshalb dem Versicherten keine Parteientschädigung zuzusprechen sei.
5.
5.1 Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Versicherten am 30. September 2002 per 31. Oktober 2002. Am 7. Oktober 2002 erkrankte dieser und war deswegen bis 28. Februar 2003 arbeitsunfähig. Die Lohnzahlung erfolgte bis Ende September 2002.
Die Kasse verneinte im Einspracheentscheid den Anspruch auf Insolvenzentschädigung unter Berufung auf BGE 125 V 492 ff. mit der Begründung, eine versicherte Person, die trotz Krankheit keine Krankentaggelder beziehen könne, weil der Arbeitgeber sie pflichtwidrig nicht versichert habe, habe keine Lohnforderung, sondern eine Schadenersatzforderung gegenüber dem Arbeitgeber.
In der vorinstanzlichen Beschwerde vom 2. Februar 2004 setzte sich der Versicherte mit der Rechtsprechung nach BGE 125 V 492 auseinander und legte dar, weshalb er unter diesem Gesichtspunkt Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe.
Am 15. März 2004 erliess das seco die Weisung, vom Sinn und Zweck der Insolvenzentschädigung ausgehend, aus Gründen der Gleichbehandlung und im Sinne einer rechtsfolgeorientierten Betrachtung sei die Auszahlung der Insolvenzentschädigung in Zukunft in den gemäss BGE 125 V 492 ausgeschlossenen Fällen zu bejahen. Diese Praxisänderung rechtfertige sich um so mehr, weil die Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerinnen in solchen Sachverhaltskonstellationen in der Regel nicht rechtzeitig auf das vertragswidrige Verhalten der Arbeitgebenden Einfluss nehmen könnten (AM/ALV-Praxis 2004/1 Blatt 12/2 Ziff. 3). Gestützt hierauf hat die Kasse die Beschwerdegutheissung beantragt.
5.2 Die Vorinstanz hat die Beschwerde gutgeheissen, da gleich lautende Anträge der Parteien vorlägen, die im Einklang mit der Rechtsordnung stünden (vgl. auch unveröffentlichtes Urteil R. vom 12. Januar 1989 Erw. 2, H 185/88). Bei diesem Ergebnis hat der obsiegende Versicherte grundsätzlich Anspruch auf eine volle Parteientschädigung zu Lasten der Kasse (Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG).
Nicht gefolgt werden kann dem vorinstanzlichen Argument, das Obsiegen des Beschwerdeführers beruhe materiell einzig auf vom Gericht aufgeworfenen Gesichtspunkten, und es habe einzig die Einreichung der Beschwerde, nicht jedoch deren Begründung, zum Erfolg geführt (Erw. 4 hievor). Denn der Versicherte hat sich in der Beschwerde mit der Rechtsprechung nach BGE 125 V 492 auseinandergesetzt und hat keinen Aufwand betrieben, der für die gebotene Interessenwahrung als nicht erforderlich betrachtet werden kann (nicht publ. Erw. 3.2 des Urteils BGE 129 V 27; SZS 2003 S. 525 f.). Der Umstand, dass der Einspracheentscheid der Kasse erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens auf Grund der Praxisänderung des seco weisungswidrig wurde, kann nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.
Nach dem Gesagten ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Parteientschädigung des Versicherten für das kantonale Beschwerdeverfahren festsetze.
6.
Da es nicht um Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend gehen die Gerichts- und Parteikosten zu Lasten der Kasse (Art. 156 und 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). Der Umstand, dass auf den Antrag des Versicherten um Zusprechung der Insolvenzentschädigung nicht eingetreten wird (Erw. 1 hievor), rechtfertigt für sich allein keine andere Verlegung der Verfahrenskosten.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, in dem Sinne gutgeheissen, dass Dispositiv Ziffer 3 des Entscheides des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 6.Dezember 2004 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie die Parteientschädigung des Beschwerdeführers für das kantonale Verfahren festsetze.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich auferlegt.
3.
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 7. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: