Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.20/2005 /bnm
Urteil vom 12. Mai 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Schütt,
gegen
Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Wilfried Caviezel,
Präsident des Bezirksgerichtes Maloja, Chesa Ruppanner, 7503 Samedan,
Betreibungsamt A.________.
Gegenstand
Art. 9 BV usw. (vorsorgliche Massnahmen nach Art. 85a Abs. 2 SchKG im Prozess nach Art. 85a Abs.1 SchKG),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
des Präsidenten des Bezirksgerichtes Maloja vom 14. Dezember 2004.
Sachverhalt:
A.
Seit dem 28. April 2003 ist die Ehescheidungsklage von X.________ (Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren) gegen Y.________ (Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren) auf Ehescheidung und Regelung der Nebenfolgen hängig. Im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen im Ehescheidungsprozess verpflichtete das Bezirksgerichtspräsidium Maloja am 13. April 2004 den Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 5'000.-- rückwirkend ab 1. Mai 2003 zu bezahlen. Dieser Entscheid ist rechtskräftig geworden, nachdem eine Beschwerde des Beschwerdeführers ohne Erfolg geblieben war. Weil die Zahlung der Unterhaltsbeiträge ausblieb, setzte die Beschwerdegegnerin die Unterhaltsbeiträge für die Monate Mai 2003 bis August 2004, ausmachend Fr. 80'000.-- zuzüglich Entschädigung von Fr. 2'000.--, in Betreibung. Mit Entscheid vom 7. Oktober 2004 wurde der Beschwerdegegnerin definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 82'000.-- zuzüglich Zins erteilt. Dieser Entscheid blieb unangefochten.
B.
Am 29. Oktober 2004 machte der Beschwerdeführer eine negative Feststellungsklage gemäss Art. 85a Abs. 1 SchKG anhängig. Am 23. November 2004 reichte er beim Bezirkspräsidium Maloja zudem ein Gesuch um vorläufige Einstellung der Betreibung ein. Auf dieses Gesuch trat das Bezirksgerichtspräsidium Maloja mit Verfügung vom 14. Dezember 2004 nicht ein. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Gegenforderungen des Beschwerdeführers, die dieser zur Verrechnung stelle, gründeten auf ehelichem Güterrecht und seien im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung des Scheidungsverfahrens abschliessend zu beurteilen. Die negative Feststellungsklage scheitere daher an der Litispendenz des geltend gemachten Verrechnungsanspruchs. Zudem sei die Klage wohl auch materiell unbegründet, weshalb die Betreibung nicht vorläufig einzustellen sei.
C.
Gegen diese Verfügung hat der Beschwerdeführer staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er beantragt im Wesentlichen die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Der Präsident der II. Zivilabteilung wies einerseits das gleichzeitig gestellte Gesuch um eine vorsorgliche Verfügung nach Art. 94 OG ab und stellte das Verfahren bis zum Entscheid über die gleichzeitig beim Kantonsgerichtsausschuss Graubünden eingereichte Beschwerde ein. Nach dem Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichtsausschusses ist das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren wieder aufgenommen worden und das erneuerte Gesuch um eine vorsorgliche Verfügung gemäss Art. 94 OG abgewiesen worden. Die Beschwerdegegnerin hat ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches noch hängig ist.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 85a Abs. 1 SchKG kann der Betriebene jederzeit vom Gericht feststellen lassen, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist. Nach Art. 85a Abs. 2 SchKG hört das Gericht die Parteien nach Eingang der Klage an und würdigt die Beweismittel; erscheint ihm die Klage als sehr wahrscheinlich begründet, so stellt es die Betreibung vorläufig ein.
1.2 Beim angefochtenen Entscheid betreffend vorläufige Einstellung einer Betreibung gemäss Art. 85a Abs. 2 SchKG handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge hat (Art. 87 OG), weil der im Fortgang der Betreibung bestehende Nachteil durch den Endentscheid nicht mehr behoben werden kann (Urteil 5P.265/1999 vom 29. September 1999 E. 1; 5P.69/2003 E. 4 vom 4. April 2003).
1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur. Mit ihr kann nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden. Soweit der Beschwerdeführer weiter gehende Anträge stellt, kann auf seine Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 124 I 327 E. 4a S. 332; 118 Ia 64 E. 1e, je mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer legt dar, der angefochtene Entscheid vom 14. Dezember 2004 sei vom Präsidenten des Bezirksgerichts Maloja, unterschrieben worden. Da dieser nicht "in Vertretung" unterzeichnet habe, müsse angenommen werden, er habe den Entscheid auch selber gefällt. Die Anhörung vom 14. Dezember 2004 sei dagegen durch die vorsitzende Bezirksrichterin Z.________ durchgeführt worden. In einem Verfahren, in dem eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde, müsse derjenige Richter entscheiden, welcher den Parteien das rechtliche Gehör gewährt habe. Die Parteien müssten ihre Argumente demjenigen Richter darlegen können, welcher den Entscheid fälle. Im Kanton Graubünden sei besonders zu beachten, dass die Ausführungen der Parteien an den Verhandlungen in der Regel nicht protokolliert würden. Folglich würden sie nicht aktenkundig, was bedeute, dass W.________ gar nicht habe wissen können, was die Parteien an der Verhandlung im Detail vorgebracht haben. Der Beschwerdeführer beklagt sich über eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 29 Abs. 2 BV.
Die Beschwerdegegnerin führt dazu aus, es sei möglich, dass der angefochtene Entscheid durch den Präsidenten des Bezirksgerichts, W.________, gefällt worden sei. Tatsache sei in jedem Fall, dass er diesen unterzeichnet habe. Richtig sei auch, dass die Verhandlung durch die Bezirksrichterin Z.________ geführt worden sei. Nebst Z.________ sei auch eine Aktuarin anwesend gewesen, welche die Darlegungen der Rechtsvertreter protokolliert habe. Es komme hinzu, dass sich die mündlichen Darlegungen des Beschwerdeführers als Plädoyernotizen in Schriftform bei den amtlichen Akten befänden. Damit habe sich der an der Verhandlung nicht anwesende Bezirksgerichtspräsident W.________ jederzeit ein Bild davon machen können, welche Ausführungen an der Anhörung gemacht worden seien. Der Beschwerdeführer behaupte mit Recht nicht, er habe andere Darlegungen gemacht, als in seinem schriftlichen Plädoyer enthalten seien. W.________ habe gestützt auf die Rechtsschriften und die eingereichten Akten und gestützt auf das schriftliche Plädoyer ohne weiteres entscheiden können. Das Verfahren gemäss Art. 85a Abs. 2 SchKG verlange nirgends das Unmittelbarkeitsprinzip.
Das Bezirksgerichtspräsidium hat sich zu dieser Frage nicht geäussert und aus den eingereichten Akten ergeben sich keine näheren Angaben.
2.1 Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Bestimmung verletzt sein könnte und erfüllt damit die Anforderungen, die Art. 90 Abs. 1 lit. b OG an die Begründung von Verfassungsrügen stellt, nicht (dazu: BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261/262 mit Hinweisen). Insbesondere behauptet er nicht, die beiden Richter seien in der Zeit, in der sie amtlich tätig waren, nicht zuständig, nicht unabhängig oder nicht unparteiisch gewesen. Auf die Rüge kann deshalb nicht eingetreten werden.
2.2 Es ist nicht geklärt, wie der Entscheid vom 14. Dezember 2004 entstanden ist. Da die mündliche Anhörung durch die Bezirksrichterin Z.________ nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid am 14. Dezember 2004 stattfand und gleichentags der Entscheid gefällt wurde, ist nahe liegend, dass Z.________ auch den Entscheid fällte und Bezirksgerichtspräsident W.________ ihn anlässlich der schriftlichen Mitteilung vom 24. Dezember für diese unterzeichnete, wobei er es unterliess, ausdrücklich auf die Vertretung hinzuweisen. Bei einem solchen Ereignisablauf stellten sich keine Fragen bezüglich dem Gehörsanspruch.
2.3 Die Parteien nehmen an, dass Z.________, welche per Ende 2004 offenbar ihr Amt verliess, noch die mündliche Anhörung durchführte, der Entscheid aber vom Gerichtspräsidenten W.________ gefällt wurde. Es stellt sich die Frage, ob bei einem solchen Ereignisablauf der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt ist.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass sich die Parteien an einem Verfahren zu allen erheblichen Gesichtspunkten äussern können. Mündliche Anhörung wird von Art. 29 Abs. 2 BV in der Regel nicht verlangt (BGE 127 V 491 E. 1b S. 494; 125 I 209 E. 9b S. 219; Aubert/ Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale, N. 6 zu Art. 29). Der Beschwerdeführer hat ein ausführlich begründetes schriftliches Gesuch um vorläufige Einstellung der Betreibung gestellt. Damit ist seinem unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV abgeleiteten Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich Genüge getan. Dass der entscheidende Richter wesentliche Argumente des Beschwerdeführers, welche er im Gesuch oder anlässlich der mündlichen Anhörung vorgebracht habe, nicht berücksichtigt hätte (BGE 126 I 97 E. 2 S. 102), macht er selber nicht geltend. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang auch nicht eine willkürliche Anwendung von kantonalem Prozessrecht oder von Art. 85a Abs. 2 SchKG, welche Bestimmung zwar eine Anhörung, aber ebenfalls nicht die mündliche Anhörung der Parteien verlangt (Bodmer, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Hrsg.: Staehelin/Bauer/Staehelin, N. 20 zu Art. 85a SchKG). Bei dieser Sachlage ist keine verfassungswidrige Gehörsverletzung erkennbar.
3.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei auch deswegen verletzt, weil der Richter seinen Entscheid mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund begründet habe, die im bisherigen Verfahren nicht herangezogen worden seien, auf die sich die Parteien nicht berufen hätten und mit deren Erheblichkeit sie im konkreten Fall nicht hätten rechnen müssen. Er verweist auf BGE 115 Ia 95.
Es ist indessen offensichtlich, dass bei einer gestützt auf Art. 85a SchKG eingereichten negativen Feststellungsklage, in welcher gegen eine Forderung, für die definitive Rechtsöffnung gewährt wurde, eine Gegenforderung zur Verrechnung gestellt wird, der Richter prüfen muss, ob die zur Verrechnung gestellte Forderung besteht oder nicht. Der Beschwerdeführer musste sehr wohl damit rechnen, dass der Richter prüft, ob die zur Verrechnung gestellte Forderung in einem bereits hängigen Rechtsstreit zur Beurteilung steht und welches die Rechtsfolgen dieser Litispendenz sind. Dies ist jedenfalls bei der vorliegenden Konstellation der Fall: Der Scheidungsrichter hat bekanntlich bis zum Entscheid über die Scheidung und deren Nebenfolgen als vorläufige Massnahme verfügt, dass der Beschwerdeführer während der Dauer des Verfahrens Unterhaltszahlungen zu leisten hat. Der Beschwerdeführer musste damit rechnen, dass sich der gemäss Art. 85a SchKG zuständige Richter die Frage stellt, ob es zulässig sei, dass der Beschwerdeführer die Wirkung der vorläufigen Massnahme im Scheidungsverfahren mittels negativer Feststellungsklage vereitle, indem er den möglichen Saldo der noch nicht erfolgten güterrechtlichen Auseinandersetzung mit den vorläufig zu bezahlenden Unterhaltsbeiträgen verrechnet. Auch unter diesem Titel ist der Gehörsanspruch des Beschwerdeführers nicht verletzt. Im Übrigen hat sich der Richter im angefochtenen Entscheid nicht nur darauf beschränkt, die Fragen rund um die Litispendenz der Gegenforderung zu prüfen, sondern er hat die Gegenforderung auch materiell überprüft. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kann bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden.
4.
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die nicht erfolgte Einvernahme der von ihm angebotenen Zeugen verletze das rechtliche Gehör. Welche erheblichen Erkenntnisse die von ihm genannten Zeugen allerdings zur Klärung der Frage beitragen könnten, ob die von ihm geltend gemachten Forderungen bereits vom Scheidungsverfahren erfasst worden sind, erklärt er nicht. Er kommt damit seiner Begründungspflicht nicht hinreichend nach, so dass auf die Rüge nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
5.
In der Sache selbst hat der angefochtene Entscheid zwei alternative Begründungen geliefert, um zu zeigen, dass die Klage nicht als sehr wahrscheinlich begründet im Sinne von Art. 85a Abs. 2 SchKG erscheine. Zunächst hat das Bezirksgerichtspräsidium ausgeführt, die zur Verrechnung gestellten Gegenforderungen bildeten wohl Teil der Nebenfolgen, welche im hängigen Scheidungsverfahren zu beurteilen seien, weshalb die Litispendenz der Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren entgegenstehe. Aus diesem Grund könne auf die Klage mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten werden. Im Weiteren hat es in einer Alternativbegründung dargelegt, die Klage wäre auch in materieller Hinsicht mit grosser Wahrscheinlichkeit abzuweisen, weil die zur Verrechnung gestellten Forderungen wohl nicht bestünden, und es hat seine Auffassung im Einzelnen erklärt. Wenn der angefochtene Entscheid zwei alternative Begründungen aufweist, muss der Beschwerdeführer für beide aufzeigen, dass und inwiefern sie seine verfassungsmässigen Rechte verletzen (BGE 121 IV 94 E. 1b; 129 I 185 E. 1.6 S. 189, je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer befasst sich indessen in seiner Beschwerdeschrift vorwiegend mit der materiellen Begründung des angefochtenen Entscheids und auch dies nur im Zusammenhang mit seinem Gesuch um eine vorsorgliche Verfügung gemäss Art. 94 OG. Dass und weshalb der Nichteintretensentscheid dagegen willkürlich sein oder andere verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers verletzen könnte, legt er nicht hinreichend substanziiert dar. Darauf ist daher nicht einzutreten. Der erstinstanzliche Richter hat keine verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers verletzt, wenn er die Betreibung nicht vorläufig eingestellt hat.
6.
Die staatsrechtliche Beschwerde muss aus diesen Gründen abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei dieser Sachlage wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig. Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für die Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Präsidenten des Bezirksgerichtes Maloja sowie dem Betreibungsamt A.________ schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Mai 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: