BGer C 65/2005
 
BGer C 65/2005 vom 18.05.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 65/05
Urteil vom 18. Mai 2005
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Scartazzini
Parteien
Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden, Grabenstrasse 9, 7000 Chur, Beschwerdeführer,
gegen
B.________, 1964, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Carlo Köhl, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur
(Entscheid vom 30. November 2004)
Sachverhalt:
A.
Der 1964 geborene, gelernte Elektroingenieur HTL B.________ arbeitete als Programmierer bei der Firma P.________ AG. Am 14. Mai 2004 stellte er ein Gesuch um Übernahme der Kosten eines fünfteiligen Nachdiplomstudiums "Facility Management" vom 28. Mai 2004 bis 21. Januar 2005 für jeweils einen Tag pro Woche an der Schule X.________ in Y.________. Der Versicherte gab an, der Kursbesuch würde seine Chancen erhöhen, in einem neuen Tätigkeitsgebiet Fuss zu fassen, nachdem es als Informatiker unmöglich sei, eine Stelle zu finden. Mit Verfügung vom 17. Mai 2004 lehnte das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Graubünden (KIGA) das Gesuch um Übernahme der Kurskosten für das Modul 1 ab. Dabei führte es im Wesentlichen aus, bei einem Nachdiplomkurs handle es sich vorwiegend um eine allgemeine, persönliche Weiterbildung, welche arbeitsmarktlich nicht indiziert sei, weshalb die Notwendigkeit für den Besuch des Kurses nicht bestehe. Dagegen erhob B.________ Einsprache. Am 29. Juni 2004 stellte er ein weiteres Gesuch um Übernahme der Kosten für den Besuch des Fortsetzungskurses Modul 2, nachdem er den ersten Kurs bereits besucht hatte. Auch dieses Gesuch wies das KIGA mit Verfügung vom 30. Juni 2004 ab. Mit gemeinsamem Entscheid vom 6. August 2004 wies das KIGA die gegen die Ablehnung der Kostenübernahme gerichteten zwei Einsprachen ab.
B.
Dagegen liess B.________ Beschwerde erheben und beantragen, das KIGA habe die Kosten für den Kurs unter Weiterentrichtung der Taggelder zu übernehmen, eventuell sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zu weiterer Abklärung und neuem Entscheid zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 30. November 2004 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Beschwerde gut und wies das KIGA an, dem beantragten Kursbesuch (Module 1 und 2) zuzustimmen.
C.
Das KIGA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben.
Der Beschwerdegegner lässt unter Entschädigungsfolge auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das kantonale Gericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde am 22. März 2002 unter anderem im Zweckartikel (Art. 1a AVIG) und im Bereich arbeitsmarktliche Massnahmen (Art. 59 ff. AVIG) teilrevidiert (AS 2003 1755). Die Änderung trat am 1. Juli 2003 in Kraft (AS 2003 1755). Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben (hier: Kursbeginn am 28. Mai 2004), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (vorliegend: 6. August 2004) eingetretenen Sachverhalt abstellt, gelangen die ab 1. Juli 2003 geänderten Bestimmungen des AVIG zur Anwendung (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1; vgl. auch Urteile M. vom 14. Januar 2005, C 147/04, Erw. 2.1.2, und F. vom 10. Januar 2005, C 56/04, Erw. 2).
1.2 Das kantonale Verwaltungsgericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen (Art. 1a Abs. 2 AVIG; Art. 59 ff. AVIG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 112 V 398 Erw. 1a, 111 V 271 ff. und 400 Erw. 2b; ARV 1993/94 Nr. 6 S. 44 Erw. 1 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner Anspruch auf den Besuch von zwei Modulen des von der Schule X.________ durchgeführten Nachdiplomkurses "Facility Management" hat.
2.1 Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass der Beschwerdegegner im erlernten Beruf als Elektroingenieur/Programmierer trotz unzähliger (seit 1. August 2003 nachweisbar über 150) Stellenbewerbungen arbeitslos geblieben ist. Seine Chancen im Bereich des zuletzt ausgeübten Berufes als Programmierer erachtete es ebenfalls als äusserst gering. Die Vorinstanz gelangte hauptsächlich zum Schluss, dass die arbeitsmarktliche Indikation sowohl unter objektiven als auch unter subjektiven Gesichtspunkten zu bejahen sei. Zudem befand sie, es sei anzunehmen, dass der Versicherte die streitige Ausbildung nicht angetreten hätte, wenn er nicht arbeitslos geworden wäre.
2.2 Demgegenüber macht das beschwerdeführende KIGA geltend, die Stellensuche sei nicht nur auf dem erlernten Beruf des Beschwerdegegners, sondern auch in der von ihm gewünschten Branche "Immobilienverwaltungssektor" erschwert, sodass seine Vermittlungsfähigkeit durch den Kursbesuch nicht verbessert werden könne. Der Versicherte habe sich zudem bei der Stellensuche ausschliesslich als Elektroingenieur und Programmierer/Informatiker beworben, weshalb entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gesagt werden könne, dass die arbeitsmarktliche Indikation sowohl unter objektiven als auch unter subjektiven Gesichtspunkten zu bejahen sei. Ausschlaggebend für eine Stellenzusage sei, dass ein Stellensuchender praktische Erfahrungen vorweisen kann. Durch den Besuch der anbegehrten Kurse könne der Beschwerdegegner aber nicht direkt in eine neue Branche einsteigen, da ihm dafür der Praxisbezug fehle. Zur Zeit gebe es 16 offene Elektroingenieurstellen und 214 Stellensuchende sowie 3 offene Stellen als Programmierer und 67 entsprechende Stellensuchende. Auch in der vom Versicherten gewünschten Branche des Immobilienverwaltungssektors gebe es lediglich 4 offene Stellen bei 40 Stellensuchenden. Ein bloss theoretisch möglicher Vorteil hinsichtlich der Vermittlungsfähigkeit genüge allerdings nicht, sondern es müsse die Wahrscheinlichkeit dargetan sein, dass die Vermittlungsfähigkeit durch die absolvierte Weiterbildung tatsächlich und in erheblichem Masse gefördert werde. Der persönliche Nutzen und das Interesse des Beschwerdegegners an den anbegehrten Kursen würden damit eindeutig überwiegen.
2.3 Unter den Umständen des vorliegenden Falles waren die Kurse im Hinblick auf die Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet und notwendig, um die Vermittelbarkeit des Versicherten zu fördern. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Erwägungen des vorinstanzlichen Entscheides verwiesen werden. Beizufügen ist im Sinne der Ausführungen des Beschwerdegegners in seiner Vernehmlassung, dass sich die Kurse nicht auf den Bereich der Immobilienverwaltung beschränken, sondern einem Lehrgang entsprechen, der auf eine bestehende höhere technische Ausbildung aufbaut, sodass die Aussichten auf eine Stelle offensichtlich verbessert werden. Der Beschwerdegegner, welcher im erlernten Beruf kaum Anstellungsaussichten besass, beanstandet sodann zu Recht den Einwand, er habe sich zu wenig breit beworben, und führt hinsichtlich eines fehlenden Praxisbezugs zutreffend aus, die Praxis nach der Ausbildung könne nicht als Voraussetzung für die Ausbildung selbst gelten. Die Vorinstanz hat schliesslich zutreffend erkannt, dass sich die Dauer des Kurses im zeitlichen Rahmen hält (BGE 111 V 276) und dass nicht anzunehmen ist, der Beschwerdegegner hätte sich, wäre er nicht arbeitslos geworden, unter Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit zu einem solchen Lehrgang entschlossen. Die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, es könne davon ausgegangen werden, dass die Absolvierung des anbegehrten Lehrganges angesichts der Vorkenntnisse zweckmässig und geeignet war, dem Beschwerdegegner konkrete neue Einsatzmöglichkeiten zu eröffnen, ist demzufolge rechtens.
3.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Graubünden hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, der Arbeitslosenkasse Graubünden und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 18. Mai 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: