Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.238/2004 /bnm
Sitzung vom 26. Mai 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiberin Scholl.
Parteien
1. Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation,
Balz Zimmermann-Strasse, 8302 Kloten,
2. Flightlease AG in Nachlassliquidation,
Balz Zimmermann-Strasse, 8302 Kloten,
Klägerinnen und Berufungsklägerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Madlaina Gammeter, c/o Wenger Plattner,
gegen
X.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Meier,
Gegenstand
Anfechtung des Kollokationsplanes,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 21. September 2004
Sachverhalt:
A.
X.________ war bei der Balair/CTA Leisure AG als Pilot angestellt. Das Arbeitsverhältnis unterstand dem Gesamtarbeitsvertrag "Balair/ CTA - Aeropers" (nachfolgend: GAV). Gemäss Art. 30 GAV stand X.________ ein jährlicher Ferienanspruch von 45 Tagen zu.
Mit Verfügung vom 27. November 2001 eröffnete der Einzelrichter des Bezirks Bülach über die Balair/CTA Leisure AG den Konkurs. Am 29. November 2001 wurde X.________ vom Konkursamt Bassersdorf per sofort entlassen. Unter dem Titel "Anspruch für nicht bezogene Ferien (49 Tage)" kollozierte das Konkursamt in der Folge zu Gunsten von X.________ eine Forderung von Fr. 30'807.82 in der Ersten Klasse im Sinne von Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. a SchKG.
B.
Mit Eingabe vom 29. Januar 2003 fochten die Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation und die Flightlease AG in Nachlassliquidation den Kollokationsplan an. Sie verlangten, die Forderung von X.________ sei im Umfang von Fr. 16'661.37 nicht in der Ersten, sondern in der Dritten Klasse zu kollozieren.
Am 11. November 2003 wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Bülach die Klage ab. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte mit Urteil vom 21. September 2004 den bezirksgerichtlichen Entscheid.
C.
Die Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation und die Flightlease AG in Nachlassliquidation gelangen mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Sie verlangen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und beantragen, es sei die Forderung von X.________ in der 1. Klasse des Kollokationsplans im Konkurs der Balair/CTA Leisure AG auf Fr. 14'146.45 zu reduzieren und der Betrag von Fr. 16'661.37 in die 3. Klasse zu verweisen.
X.________ schliesst in seiner Stellungnahme auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 124 III 44 E. 1 S. 46).
1.1 Gegen ein im Kollokationsprozess ergangenes Urteil ist die eidgenössische Berufung zulässig, wenn - wie vorliegend - Ansprüche des Bundeszivilrechts umstritten sind (BGE 129 III 415 E. 2.2 S. 416). Die Berufung ist im Übrigen rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG ).
1.2 Im vorliegenden Fall bestimmt sich der Streitwert nach der Differenz zwischen der Dividende, welche gemäss Kollokationsplan auf die Forderung des Beklagten entfällt, und derjenigen, welche sich ergibt, wenn die Klage gutgeheissen würde (Kurt Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl. 2003, § 30 N. 24). Gemäss angefochtenem Urteil kann bei einer Kollokation in der Ersten Klasse mit einer Dividende von 100 % gerechnet werden, in der Dritten Klasse mit einer solchen zwischen 6 und 10 %. Damit liegt der Streitwert bei rund Fr. 15'000.--, so dass sich die Berufung auch in dieser Hinsicht als zulässig erweist (Art. 46 OG).
1.3 Die beiden Klägerinnen sind im Konkurs der Balair/CTA Leisure AG als Gläubigerinnen kolloziert. Sie sind damit zur Anfechtung des Kollokationsplans befugt (Art. 250 SchKG).
2.
Strittig ist, ob die Abgeltungsforderung des Beklagten vollumfänglich in der Ersten Klasse zu kollozieren ist, oder nur soweit als sie eine Entschädigung für den Ferienanspruch darstellt, der in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung entstanden ist.
2.1 Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. a SchKG ist mit dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 (in Kraft seit 1. Januar 2005) geändert worden. Auf den vorliegenden Fall ist indes noch die alte Fassung anwendbar, da der Konkurs bereits im Jahr 2001 eröffnet worden ist (Übergangsbestimmung der Änderung vom 19. Dezember 2003).
Nach aArt. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. a SchKG sind in der Ersten Klasse die Forderungen von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis, die in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung entstanden sind, sowie die Forderungen wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge Konkurses des Arbeitgebers zu kollozieren. Wie das Obergericht zu Recht angemerkt hat, ist zu unterscheiden zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Forderung entstanden ist, und demjenigen, in dem sie fällig geworden ist. Für die Frage der Privilegierung ist vorliegend einzig von Bedeutung, ob die Abgeltungsforderung in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung entstanden ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 5C.155/2000 vom 31. August 2000, E. 4c).
2.2 Der Anspruch auf Ferien besteht aus einem einheitlichen Anspruch auf Gewährung von Freizeit unter Fortzahlung des Lohnes während dieser Zeit (Art. 329a i.V.m. Art. 329d Abs. 1 OR). Der Ferienanspruch entsteht pro rata temporis entsprechend der Beschäftigungsdauer (Art. 329a Abs. 3 OR; statt vieler: Manfred Rehbinder/Wolfgang Portmann, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 329a OR).
Nach der absolut zwingenden Vorschrift von Art. 329d Abs. 2 OR darf der Ferienanspruch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden (BGE 129 III 493 E. 3.1 S. 495). Eine Abgeltung von Ferienansprüchen ist grundsätzlich nur zulässig, wenn deren Bezug in natura bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist (BGE 106 II 152 E. 2 S. 154; 128 III 271 E. 4a/aa S. 280 f. mit Hinweisen). Ein Entschädigungsanspruch für nicht bezogene Ferien kann damit erst entstehen, wenn diese nicht mehr in natura gewährt werden können. Erst in diesem Zeitpunkt steht fest, ob dem Arbeitnehmer überhaupt ein Abgeltungsanspruch zusteht, und wird die Ferienforderung durch eine reine Geldforderung ersetzt (Guglielmo Bruni, Die Stellung des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers, BJM 1982 S. 302; Franz K. Brönnimann, Der Arbeitgeber im Konkurs, Diss. Basel 1982, S. 99; Urs Bärlocher, Der Ferienanspruch nach schweizerischem Arbeitsrecht, Diss. Basel 1971, S. 143 f.). Nicht gefolgt werden kann damit der Auffassung der Klägerinnen, der Abgeltungsanspruch entstehe parallel zum Ferienanspruch pro rata temporis. Da im vorliegenden Fall der Abgeltungsanspruch für nicht bezogene Ferien erst bei Konkurseröffnung entstanden ist, muss er vollumfänglich in der Ersten Klasse kolloziert werden (Guglielmo Bruni, a.a.O., S. 302; Franz K. Brönnimann, a.a.O., S. 100; Roland Bachmann, Das Arbeitsverhältnis im Konkurs des Arbeitgebers, Diss. Bern 2005, S. 255; a.M. jedoch ohne Begründung: Hansjörg Peter, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 34 zu Art. 219 SchKG; Roland Müller, Konkursprivileg für leitende Arbeitnehmer, SJZ 100/2004 S. 555).
2.3 Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerinnen ergeben sich bei dieser Lösung keine Probleme im Zusammenhang mit der Verjährung: Für bereits verwirkte oder verjährte Ferienansprüche entsteht gar kein Abgeltungsanspruch (Guglielmo Bruni, a.a.O., S. 302), und ein Abgeltungsanspruch, der mehr als sechs Monate vor Konkurseröffnung entstanden ist, kommt nicht (mehr) in Genuss der Privilegierung gemäss aArt. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. a SchKG. Im vorliegenden Fall ist indes keine dieser Konstellationen dargetan. Entsprechend ist die Abgeltungsforderung des Beklagten vollumfänglich in der Ersten Klasse zu kollozieren.
3.
Damit ist die Berufung insgesamt abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Klägerinnen kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG). Es stellt sich die Frage, ob es sich beim vorliegenden Verfahren um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis gemäss Art. 343 OR handelt und - weil der Streitwert unter Fr. 30'000.-- liegt - dementsprechend keine Gerichtskosten erhoben werden dürfen (BGE 115 II 30 E. 5a S. 40). Zu entscheiden war zwar über eine arbeitsrechtliche Vorfrage, strittig war indes nicht der Abgeltungsanspruch an sich, sondern ausschliesslich dessen Rang im Kollokationsplan. Damit unterliegt das vorliegende Verfahren nicht der Kostenfreiheit (Dieter Hierholzer, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 80 zu Art. 250 SchKG; a.M. Manfred Rehbinder, Berner Kommentar, N. 18 zu Art. 343 OR; Adrian Staehelin/Frank Vischer, Zürcher Kommentar, N. 10 zu Art. 343 OR).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Klägerinnen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3.
Die Klägerinnen haben den Beklagten unter solidarischer Haftbarkeit für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Mai 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: