Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.91/2005 /pai
Urteil vom 31. Mai 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Josephsohn,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Strafzumessung (Art. 63 StGB),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 7. Dezember 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ reiste im Zeitraum vom 2. Oktober bis zum 2. Dezember 2002 zusammen mit A.________ und teilweise mit anderen Personen von Basel nach Zürich, Bern, Brugg und Luzern und verübte dort insgesamt über 20 Raubüberfälle. Dabei wurden etwa gleichaltrige Männer auf der Strasse zufällig ausgewählt und angesprochen. Darauf wurden diese Passanten bedroht, zum Teil geschlagen oder getreten, ihrer Portemonnaies, Handys und ihres Gelds beraubt sowie zur Her-ausgabe von Codes von Bank- und Kreditkarten gezwungen und an-schliessend an Geldautomaten Bezüge getätigt. X.________ erbeutete auf diese Weise rund CHF 21'000.--. Er konsumierte ausserdem vom Mai bis Dezember 2002 - mit einem Unterbruch - täglich unbekannte Mengen von Heroin, Kokain und Haschisch.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 7. Dezember 2004 des mehrfachen bandenmässigen Raubs und des mehrfachen Versuchs hiezu, der gewerbsmässigen räuberischen Erpressung sowie der mehrfachen Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 des Betäubungsmittelgesetzes schuldig. Bezüglich des Vorwurfs des gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage erfolgte ein Freispruch. Zugleich verurteilte das Obergericht X.________ zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die es jedoch zugunsten einer ebenfalls angeordneten stationären Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB aufschob.
B.
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts im Strafpunkt (Ziff. 3 des Dispositivs betreffend Verhängung einer Zuchthausstrafe von vier Jahren und sechs Monaten) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Eine Vernehmlassung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich wurde nicht eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP sind im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheids richten, unzulässig. Soweit der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Feststellung rügt, er habe sich bei den Raubüberfällen jeweils "schlagkräftig durchgesetzt", ist daher auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten.
2.
Die Beschwerde richtet sich allein gegen die Strafzumessung durch die Vorinstanz. Zunächst sei der angefochtene Entscheid in diesem Punkt nicht ausreichend begründet. Ferner sei die ausgesprochene Strafe klar zu hoch und beruhe auf einer Überschreitung des richterlichen Ermessens. Schliesslich seien verschiedene Strafzumessungsfaktoren übersehen oder offensichtlich falsch gewichtet worden.
3.
Nach Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen.
3.1 Die Schwere des Verschuldens bildet das zentrale Kriterium bei der Zumessung der Strafe. Bei deren Bestimmung hat der Richter die Umstände der Tat (sog. Tatkomponente) zu beachten, also das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolgs, die Willensrichtung, mit welcher der Täter gehandelt hat, und die Beweggründe des Schuldigen. Je leichter es für ihn gewesen wäre, das Gesetz zu respektieren, desto schwerer wiegt dessen Missachtung und damit das Verschulden. Neben diesen auf die Tat bezogenen Faktoren sind auch täterbezogene Elemente (sog. Täterkomponente) zu berücksichtigen, so das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse des Täters, weiter aber auch sein Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, allenfalls gezeigte Reue und Einsicht sowie die Strafempfindlichkeit (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20; 127 IV 101 E. 2a S. 103; 117 IV 112 E. 1 S. 113 f.).
3.2 Dem Sachrichter steht bei der Gewichtung der genannten Strafzumessungskomponenten ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in diesen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde, mit der ausschliesslich eine Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann, nur ein, wenn der kantonale Richter den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn er von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn er umgekehrt solche Faktoren ausser Acht gelassen hat und schliesslich wenn er wesentliche Kriterien in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 21; 124 IV 286 E. 4a S. 295).
3.3 Der Strafrichter hat in seinem Urteil die wesentlichen schuldrelevanten Tat- und Täterkomponenten so zu erörtern, dass festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgebenden Gesichtspunkte berücksichtigt und wie sie gewichtet wurden. Entsprechendes gilt für die im Gesetz genannten Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe. Hingegen muss er nicht auf Umstände ausdrücklich eingehen, die er - ohne dass dies ermessensverletzend wäre - bei der Strafzumessung als nicht massgebend oder nur von geringem Gewicht erachtet. Insbesondere ist der Sachrichter auch nicht verpflichtet, in seinem Urteil in absoluten Zahlen oder in Prozenten anzugeben, inwieweit er bestimmte strafzumessungsrelevante Tatsachen straferhöhend oder -mindernd berücksichtigt. Er muss auch nicht eine sog. Einsatzstrafe beziffern, die er bei Fehlen von Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründen ausgefällt hätte. Je höher die Strafe im Rahmen des gesetzlichen Rahmens festgesetzt wird, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung der Zumessung zu stellen. Allerdings ist eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht allein deshalb gutzuheissen, um die Begründung zu ergänzen oder zu verbessern, wenn die ausgesprochene Strafe im Ergebnis bundesrechtskonform erscheint (BGE 127 IV 101 E.2c S. 104 f.).
4.
Der Beschwerdeführer rügt, die Begründung der Strafzumessung im angefochtenen Entscheid sei nicht nachvollziehbar und erfülle die erhöhten Begründungsanforderungen, die angesichts der auffallenden Höhe der Freiheitsstrafe von 4½ Jahren Zuchthaus zu stellen seien, nicht.
Zunächst kann angesichts des hier massgebenden abstrakten Strafrahmens von zwei bis zwanzig Jahren Zuchthaus das kritisierte Strafmass nicht als ausserordentlich hoch bezeichnet werden. Die Vorinstanz begründet das Strafmass im Übrigen durchaus in der gebotenen Ausführlichkeit, und ihre Erwägungen sind ohne weiteres nachvollziehbar. Dies belegt gerade die Rechtsschrift des Beschwerdeführers, der sich detailliert mit dieser Begründung auseinandersetzt.
Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.
5.
Beanstandet wird vom Beschwerdeführer ebenfalls die fehlende Berücksichtigung bzw. unzutreffende Gewichtung einzelner Strafzumessungsfaktoren.
5.1 Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte der Umstand, dass er bei der Tatverübung lediglich 21 Jahre alt war, strafmindernd berücksichtigt werden müssen. Nach Art. 64 letzter Absatz StGB kann der Richter die Strafe mildern, wenn ein Täter im Alter von 18 bis 20 Jahren noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besass. Die Strafreduktion setzt in diesem Fall voraus, dass der Täter wegen seines Alters noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat hatte (BGE 115 IV 180 E. 3a S. 185). Dieses Erfordernis gilt ebenfalls für eine allfällige strafmindernde Berücksichtigung des Alters im Rahmen von Art. 63 StGB. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war dem Beschwerdeführer indessen jederzeit klar bewusst, dass die inkriminierten Taten strafbar sind, und auch seine Persönlichkeitsstörung war nie ein Hindernis, das Verbotene seines Tuns in der vollen Tragweite zu erkennen. Die Vorinstanz war daher nicht gehalten, das Alter des Beschwerdeführers strafmindernd zu berücksichtigen.
5.2 Der weitere Vorwurf, im angefochtenen Urteil werde die einschlägige Deliktserfahrung straferhöhend gewichtet, geht ebenfalls fehl. Eine solche Würdigung lässt sich dem Entscheid nicht entnehmen. Die Vorinstanz führt lediglich aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Deliktserfahrung als Anführer der Bande fungieren konnte. Dieser letzte Umstand durfte ohne weiteres straferhöhend in Betracht gezogen werden.
5.3 Soweit der Beschwerdeführer ausserdem geltend macht, die Vorinstanz hätte den Rückfall und die erneute Delinquenz während der Probezeit nach der bedingten Entlassung wegen seiner Drogenabhängigkeit nicht stark strafschärfend bzw. -erhöhend würdigen dürfen, kann ihm auch nicht gefolgt werden. Diese Argumentation liefe auf eine doppelte Berücksichtigung des Drucks zur Geldbeschaffung, der von seiner Drogenabhängigkeit ausging, hinaus. Wenn die Vorinstanz aus diesem Grund bereits eine in mittlerem Masse verminderte Zurechnungsfähigkeit annimmt und deshalb die Strafe erheblich mildert, so hat sie damit der Reduktion der Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers umfassend Rechnung getragen, weshalb kein Anlass für eine zusätzliche Strafreduktion besteht.
5.4 Die Vorinstanz verneint angesichts der zweijährigen Verfahrensdauer und der Komplexität des Falles eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, berücksichtigt aber die verstrichene Zeit seit der Tat dennoch leicht strafmindernd. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob allenfalls eine Verletzung des genannten Verfahrensgrundsatzes vorliegt. Da eine solche jedenfalls nur geringfügig wäre, trüge ihr die vorgenommene leichte Strafreduktion ausreichend Rechnung.
6.
Schliesslich ist nach Auffassung des Beschwerdeführers die ausgesprochene Strafe von 4½ Jahren Zuchthaus bei korrekter Gewichtung der relevanten Strafzumessungsfaktoren nicht vertretbar.
Die Vorinstanz qualifiziert das Verschulden des Beschwerdeführers - auch unter Berücksichtigung der hohen Mindeststrafe von zwei Jahren Zuchthaus - als nicht leicht, legt aber keine sog. Einsatzstrafe fest. In der Beschwerde wird durch Rückrechnung - unter Zugrundelegung der üblichen Strafreduktion von 50% bei einer mittleren Verminderung der Zurechnungsfähigkeit - auf eine Einsatzstrafe von 9 Jahren Zuchthaus geschlossen, was angesichts der begangenen Taten unhaltbar hoch sei. Diese Quantifizierung ist indessen nicht schlüssig und vermag deshalb keine Ermessensverletzung darzutun. Einerseits geht die Vorinstanz entgegen der Annahme in der Beschwerde nicht davon aus, dass sich die Straferhöhungs- und Strafminderungsgründe ungefähr neutralisieren. Vielmehr überwiegen die straferhöhenden Faktoren. Anderseits trifft es nicht zu, dass die Bejahung einer im mittleren Grad verminderten Zurechnungsfähigkeit zwingend zu einer Strafreduktion um 50% führen muss. Allerdings hat der Richter bei einer geringfügigeren Reduktion diese plausibel zu begründen (BGE 129 IV 22 E. 6.2 S. 35 f.). Vorliegend verneinte das eingeholte Gutachten überhaupt eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz verwirft zwar nach eingehender Prüfung diese Einschätzung, doch schliesst sie sich, nicht ohne zu zögern, "gerade noch" der von der Verteidigung verlangten Annahme einer Reduktion im mittleren Grad an. Bei dieser Sachlage erscheint eine Strafreduktion von weniger als 50% ohne weiteres vertretbar.
Schliesslich erscheint auch der vom Beschwerdeführer angestellte Vergleich mit den von einem früheren Richter in einem anderen Kanton ausgesprochenen Strafen nach der Rechtsprechung von vornherein unbehelflich (vgl. BGE 124 IV 44 E. 2c S. 47).
7.
Es ist aus diesen Gründen nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz bei der Strafzumessung das ihr zustehende grosse Ermessen verletzt hat. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 278 Abs. 1 BStP). Da sein Rechtsmittel als aussichtslos zu bezeichnen ist, kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 152 OG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 31. Mai 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: