BGer 2P.112/2005 |
BGer 2P.112/2005 vom 07.06.2005 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2P.112/2005 /dxc
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Urteil vom 7. Juni 2005
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
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Gerichtsschreiber Uebersax.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner,
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gegen
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Justiz- und Polizeidepartement des Kantons
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St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
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Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.
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Gegenstand
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Art. 29, 29a BV (Ausweisung; Rechtspflege),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. März 2005.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Am 26. November 2004 verfügte das Ausländeramt des Kantons St. Gallen die Ausweisung des in der Schweiz am 13. Juli 1981 geborenen und weitgehend hier aufgewachsenen türkischen Staatsangehörigen X.________. Am 17. Februar 2005 wies das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen einen dagegen erhobenen Rekurs ab. Dagegen reichte X.________ am 4. März 2005 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen ein, wobei er unter anderem die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung beantragte. Mit präsidialer Zwischenverfügung vom 9. März 2005 wies das Verwaltungsgericht dieses Gesuch ab.
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1.2 X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht, womit er die Aufhebung der Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 9. März 2005 beantragt. Gleichzeitig stellt er auch vor Bundesgericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Justiz- und Polizeidepartement beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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2.
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Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist ein letztinstanzlicher kantonaler Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131 mit Hinweis; vgl. auch BGE 123 I 275 E. 2f S. 278). Obwohl in der Sache selbst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen steht (vgl. BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2), ist gegen den auf kantonales Prozessrecht gestützten angefochtenen Zwischenentscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (BGE 123 I 275 E. 2d S. 277 f.). Auf die frist- und formgerecht erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist damit einzutreten.
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer beruft sich unmittelbar auf die Bundesverfassung. Weder macht er geltend, das kantonale Recht gewähre einen darüber hinausgehenden Anspruch, noch behauptet er, es sei in verfassungswidriger Weise angewendet worden. Zu prüfen ist somit nur, ob der angefochtene Entscheid mit den vom Beschwerdeführer angerufenen Art. 29 Abs. 3 und Art. 29a BV vereinbar ist.
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3.2 Art. 29a BV, der die Justizgewährleistungspflicht vorsieht, ist noch nicht in Kraft getreten, weshalb der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann.
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3.3 Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Verfassungsrechtlich besteht mithin selbst dann kein absoluter Anspruch auf ein kostenloses Verfahren, wenn das Gesetz einen Gerichtszugang vorsieht. Der Umkehrschluss, der gesetzliche Rechtsschutz werde überhaupt durch die Verweigerung der Unentgeltlichkeit in verfassungswidriger Weise verhindert, ist nicht zulässig. Entscheidend ist vielmehr, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, welche die Bundesverfassung für die Ausschlagung der Kostenlosigkeit verlangt.
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3.3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wird. Auch bei schwerwiegenden Eingriffen besteht nicht ein unbedingter Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, sondern es kommt dafür ebenfalls auf die konkreten Umstände an (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). Nicht entscheidend ist sodann, dass mittellose Personen in vergleichbarer Lage aus durchaus nachvollziehbaren, aber an sich sachfremden Gründen ebenfalls Beschwerde führen würden; dies kann namentlich im Ausländerrecht zutreffen, wo mitunter ein Hang dazu besteht, unabhängig von den Erfolgsaussichten alle Rechtsmittel auszuschöpfen, um auch die kleinste noch so geringe Chance zu nützen, - während des Verfahrens oder auch darüber hinaus - in der Schweiz bleiben zu können (vgl. BGE 122 I 267 E. 3c S. 274).
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3.3.2 Eine vorläufige, summarische Prüfung des vorliegenden Falles, wie sie beim Entscheid über die Aussichtslosigkeit einer Beschwerde vorzunehmen ist, führt zu folgender Beurteilung: Beim Beschwerdeführer ist der Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. Art. 11 Abs. 3 ANAG i.V.m. Art. 16 Abs. 3 ANAV) muss sein Verschulden angesichts der Art und der Tragweite der Straftaten sowie der wiederholten Tatbegehung als schwer beurteilt werden. Er hat insbesondere immer wieder Gewalt- und Sexualdelikte begangen und liess sich auch durch behördliche Interventionen nicht von erneuten Straftaten abhalten. Eine gewisse Rückfallgefahr ist weiterhin nicht auszuschliessen. Dies führt dazu, dass eine Ausweisung auch bei einem Ausländer der zweiten Generation ernsthaft in Betracht fällt (vgl. BGE 122 II 433). Die Dauer der Anwesenheit und die konkreten persönlichen und familiären Verhältnisse - der Beschwerdeführer beherrscht insbesondere die türkische Sprache und hat den Kontakt zu seiner Heimat gewahrt, in der er auch zwischenzeitlich gelebt hat - fallen demgegenüber weniger ins Gewicht. Damit spricht ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Ausweisung.
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In seinem Entscheid vom 17. Februar 2005 prüfte das Justiz- und Polizeidepartement die Voraussetzungen einer Ausweisung umfassend. Es heilte dabei einen Mangel bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs durch das Ausländeramt. Entgegen allfälligen anders lautenden Forderungen in der Lehre gilt eine solche Heilung auch nach der neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter bestimmten, hier gegebenen Voraussetzungen als zulässig (BGE 126 I 68 E. 2 S. 72 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichs 1A.254/2004 vom 07. Februar 2005, E. 3). Im Rekursverfahren, in dem die Behörde mit uneingeschränkter Kognition zu entscheiden hatte, ging diese davon aus, der Rekurs sei nicht aussichtslos, und gewährte dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Dafür sprach nur schon der Umstand, dass noch ein Gehörsmangel zu heilen war. Demgegenüber durfte das Verwaltungsgericht, das nur zur Rechtskontrolle befugt war und davon ausgehen konnte, die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei inzwischen geheilt, die Aussichtslosigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerde anders beurteilen. Aufgrund der konkreten Umstände des Falles ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht dabei zum Schluss kam, die Beschwerde sei aussichtslos, erscheint doch die Erfolgschance beträchtlich geringer als das Verlustrisiko.
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4.
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Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen.
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Wegen Aussichtslosigkeit des Begehrens ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung auch im bundesgerichtlichen Verfahren abzuweisen (vgl. Art. 152 OG). Demgemäss wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), wobei seine angespannten finanziellen Verhältnissen bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr zu berücksichtigen sind (Art. 153 und 153a OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Justiz- und Polizeidepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Juni 2005
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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