Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.124/2005 /zga
Urteil vom 10. Juni 2005
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.
Parteien
L.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Statthalteramt Liestal, Rheinstrasse 27, Postfach, 4410 Liestal,
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Kanonengasse 20, 4410 Liestal.
Gegenstand
Art. 9, 29, 30 und 32 Ziff. 1 BV (Verzicht auf Verfahrenseröffnung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Januar 2005.
Sachverhalt:
A.
Am 8. November 2004 erstattete L.________ Strafanzeige gegen A.________, Leiter des Besondern Untersuchungsrichteramts BUR, B.________, Präsident des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, und C.________, Gerichtsschreiber am Kantonsgericht. Der Anzeigeerstatter hielt ihnen üble Nachrede, Verleumdung, Amtsmissbrauch und Verletzungen von Verfahrensgarantien vor. Hierfür bezog er sich auf eine Stellungnahme von A.________ vom 30. September 2004 und einen Beschluss der Geschäftsleitung des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Behandlung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde.
Mit Verfügung vom 8. Dezember 2004 verzichtete das Statthalteramt Liestal auf die Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens. Dagegen hat L.________ beim Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft Beschwerde erhoben. Das Verfahrensgericht wies die Beschwerde am 7. Januar 2005 ab.
B.
Gegen diesen Entscheid des Verfahrensgerichts hat L.________ beim Bundesgericht am 21. Februar 2005 mit dem Antrag um Aufhebung staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er rügt Verletzungen von Art. 9, 29, 30 und 32 BV. Auf die Begründung im Einzelnen ist in den Erwägungen einzugehen.
Das Verfahrensgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Statthalteramt Liestal hat sich nicht vernehmen lassen.
Am 22. April 2005 liess sich der Beschwerdeführer unaufgefordert zur Stellungnahme des Verfahrensgerichts vernehmen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Einstellung eines Strafverfahrens, ein freisprechendes Urteil oder gegen die Nichteröffnung eines Strafverfahrens staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (BGE 128 I 218 E. 1.1 S. 219, 126 I 97 E. 1a S. 99). Der Beschwerdeführer ist sich dieser Rechtsprechung an sich bewusst. Soweit er dennoch geltend macht, das Verfahrensgericht habe mit blossen Interpretationen der zur Anzeige gebrachten Dokumente und der Konstruktion von angeblich unbedenklichen Wortverkürzungen die Verfahrenseinstellung bestätigt, rügt er den angefochtenen Entscheid letztlich in materieller Hinsicht. Darauf ist aus den angegebenen Gründen nicht einzutreten.
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst ist der Geschädigte indessen befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Strafverfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustehen (BGE 128 I 218 E. 1.1 S. 220). Unter diesem Gesichtswinkel können demnach grundsätzlich Verletzungen von Verfahrensrechten gerügt werden.
Die Rechtzeitigkeit der Beschwerde wird vom Verfahrensgericht nicht in Frage gestellt und kann aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers angenommen werden.
Auf die unaufgefordert eingereichte Replik des Beschwerdeführers, die im Übrigen nichts wesentlich Neues vorbringt, ist nicht einzugehen.
2.
2.1 In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschwerdeführer zum einen als formelle Rechtsverweigerung, dass das Verfahrensgericht die Frage der Verfassungsmässigkeit von § 8 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, Rechtssammlung 170) nicht als Gegenstand des Verfahrens bezeichnete und demnach auf seine entsprechenden Vorbringen nicht näher einging. § 8 GOG hält fest, dass das Kantonsgericht die oberste rechtsprechende Behörde des Kantons sei und die Aufsicht über die Gerichte, die Statthalterämter und das Besondere Untersuchungsrichteramt ausübe.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner an das Verfahrensgericht gerichteten Beschwerde die Verfassungsmässigkeit von § 8 GOG in Frage gestellt. In seiner staatsrechtlichen Beschwerde legt er indessen nicht dar, inwiefern die von ihm aufgeworfene Frage für das Verfahren vor dem Verfahrensgericht entscheidwesentlich gewesen wäre. Dies ist denn auch in keiner Weise ersichtlich. Die Rüge der formellen Rechtsverweigerung sowie der Verletzung des Anspruchs auf den verfassungsmässigen Richter erweist sich daher als unbegründet. Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) werden kann.
2.2 Zum andern rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Unschuldsvermutung gemäss Art. 32 Abs. 1 BV. Diese erblickte er in den Formulierungen, welche in der Stellungnahme von A.________ vom 30. September 2004 und im Beschluss der Geschäftsleitung des Kantonsgerichts vom 20. Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Behandlung der Rechtsverzögerungsbeschwerde von P.________ enthalten waren. Das Verfahrensgericht verneinte dies.
Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK räumen ganz allgemein den Anspruch darauf ein, dass jede Person bis zu einer allfälligen Verurteilung als unschuldig betrachtet wird. Dieser Anspruch gilt vorerst ausserhalb eines förmlichen Verfahrens und kann etwa auch durch Äusserungen von Amtspersonen anlässlich öffentlicher Informationen verletzt werden. Bei Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen bedeutet sie, dass der Eindruck vermieden werden muss, die betroffene Person werde einer Straftat verdächtigt (ZBl 106/2005 S. 197 E. 3.1, mit zahlreichen Hinweisen). Darüber hinaus haben die Behörden die Unschuldsvermutung auch in andern Verfahren förmlicher oder nichtförmlicher Natur zu beachten. Unter diesem Gesichtswinkel kann daher grundsätzlich vorgebracht werden, die entsprechenden Äusserungen in den genannten Aktenstücken des BUR und des Kantonsgerichts hielten vor der Unschuldsvermutung nicht stand.
Die Rüge erweist sich indes als unbegründet. Es ist davon auszugehen, dass P.________ als Geschädigter bei den kantonalen Behörden eine Rechtsverweigerungsbeschwerde eingereicht hatte und demnach Anspruch auf eine Antwort hatte. In dieser waren die Umstände des ganzen Strafverfahrens zu erläutern. Das BUR und das Kantonsgericht legten demnach dar, dass seit Jahren eine äusserst umfangreiche Strafuntersuchung geführt werde und dass diese 2'000 Geschädigte, eine Deliktssumme von 100 Millionen Schweizer Franken, 1'500 adhäsionsweise geltend gemachte Zivilforderungen und Akten mit 250 Bundesordnern umfasse. Weiter ist in der Stellungnahme des BUR von einem verzweigten Netz von Briefkastengesellschaften und einer Unzahl von Bankkonten bei verschiedenen Banken in halb Europa die Rede. Ferner wird erwähnt, dass die Strafuntersuchung u.a. gegen den Beschwerdeführer geführt werde.
All diese Umstände entsprechen unwidersprochen den Tatsachen. Deren Schilderung bringt in keiner Weise einen angeblich bereits feststehenden Schuldvorwurf zum Ausdruck. Insbesondere wird mit dem Hinweis, dass eine Strafuntersuchung geführt wird, klar gemacht, dass die Strafsache noch keineswegs abgeschlossen und damit noch offen ist. Darauf zielt auch die Bemerkung, dass schon bald mit einer Überweisung und Anklage gerechnet werden könne. Die Ankündigung der Anklageschrift ist Hinweis darauf, dass die Strafsache nunmehr vom zuständigen Gericht beurteilt werden wird. Ebenso wenig können die mit Zahlen versehenen Erläuterungen zum Umfang der Angelegenheit als Vorverurteilung verstanden werden. Und schliesslich liegt darin, dass der Beschwerdeführer als Verdächtigter und im gerichtlichen Verfahren als Beschuldigter betrachtet wird, keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass er bereits einer Straftat bezichtigt würde; vielmehr liegt es im Wesen des Strafverfahrens, dass mit der förmlichen Anklage ein - vom Gericht erst noch zu prüfender - Tatverdacht geäussert wird. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung der Unschuldsvermutung offensichtlich als unbegründet.
3.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt Liestal und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Juni 2005
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: